Dieter Christian Ochs

DER KNALLER DER WOCHE

 

 

„Preiswertes Angebot“ stand auf dem Pappschild unter dem herbstgrauen Lodenmantel in der Warenauslage des Herrenbekleidungsgeschäftes und etwas darunter, in fetten, abendschwarzen Buchstaben war noch einmal präzisierter der Wert des Mantels angegeben.

Ein sehr werter Preis!

Das gute Stück war wohl für einige Wunschträger seinen Preis wert, aber ... von billig war man eine ganze Zahl, in diesem Fall eine „unbedeutende“ Null die zu weit links neben dem Komma stand, weit entfernt.

Ich kombinierte rasch und folgerte: „Preiswertes Angebot!“ Ein hoher Wert, der seinen Preis hatte.

Ach so ist das!

Preiswerte Angebote sind eher die teuren oder auch , gemäßigt ausgedrückt, die unbilligen Waren.

Ehrlicher und transparenter wäre es aber doch, die „preis-werten“ Waren mit dem Vermerk „teuer“ oder auch „preishoch“ anzubieten.

Nun ja, das wäre für den Geschäftsinhaber auch nicht gerade sehr klug, wenngleich auch ehrlicher dem Käufer gegenüber.

 

Nachdenklich ging ich weiter und stand dann vor dem Schaufenster eines Autohauses, hinter dessen staubgrauen Scheiben ein knallgelbes Plastikschild mit Leuchtschrift signalisierte, dass hier ein schon etwas betagter, fingernagelroter Sportwagen an den Mann oder die Frau gebracht werden sollte.

Ich las halblaut vor mich hin: „KNÜLLER DER WOCHE – STARK PREISREDUZIERT !“

„Knüller“, das könnte von „Knall“ oder auch von „knüllen“, „zusammenknüllen“ oder auch von „knülle sein“ kommen.

Offenbar hatte das platte Vehikel schon mehrere Unfälle hinter sich und war aus diesem Grund um ein paar Zentimeterchen in Länge und Breite und ... besonders auch in der Höhe leicht geschrumpft.

Oder das Autochen war, zumindest in dieser  Woche, bevor ihn sein Letztbesitzer an den Händler weitergereicht hatte zu einem öffentlichen Ärgernis geworden, weil der Auspuff beim Fahren ständig „knallte.“

Bestenfalls ein „Knaller der Woche!“, wie ich geschickt kombinierte.

Und was hieß schon „preisreduziert?“

Dazu noch ziemlich stark und das sogar im „Auftrag.“

Zu verwaschen waren da die „Rattenfängerbegriffe“, die nicht klar genug aussagten, ob man nun als Käufer, bzw. Nachfahrender einen guten Griff, einen Miss- oder Fehl- oder einen sonstigen unüberlegten „Ungriff“ beim Erwerb dieses Fahrzeuges getan hatte.

Billige Automobile, dazu noch als solche ausgezeichnet, schien es heute nicht mehr zu geben.

 

Ich bog um eine weitere Straßenecke und stand plötzlich vor einer zweiten Herrenoberbekleidungsgeschäftsfiliale, in deren Schaufenster sich ebenfalls einige ultramoderne Lodenmäntel in undezenten Preisen tummelten.

„Zugreifen“ las ich verblufft und „superpreiswert.“

So war das also!

Eine reine, wohldurchdachte Lodenmantelfängerei nach allen bunten Regeln der freien Lodenwirtschaft.

Ich folgerte: greift der interessierte Mantelsucher dann nach dem guten Stück, muss er wohl auch einen Preis dafür in Kauf nehmen, der allenfalls wie fälschlicherweise angekündigt „Super-Preis-Wert“ oder eben „Teuer“ ist.

Sprich: Fast unerschwinglich für mich.

Was dem einen ein rechter Preis zu sein scheint, muss dem anderen nicht immer billigend sein!

So ist das wohl!

Meine Umtriebigkeit und meine Neugier ließen mich dann wenig später an einen verwegen genug aussehenden Hinterhof gelangen, zu einem Trödler, der, zugegebenermaßen zwar nicht eben die neuesten Pariser Modetorheiten in Form von gut eingetragener Kleidung aller Art feilbot, aber bei diesem Menschen gab es Gott sei dank weder das eine, noch das andere schweißtreibende und abweisende Anhängsel in seinen Auslagen: verlogene Preisschilder und unverschämte Schilderpreise.

So handelte ich mir nach langem Feilschen und mit vielen Wenn und Aber und Vielleicht einen barock ausschauenden Trenchcoart mit seitwärts eingerollter Wendefalte für schrittfreies Gehen, bayrischer Hochgebirgspaspelierung und ostfriesischem Knautschkrempelkragen ein.

Fast war ich stolz auf meinen Kauf.

Fast.

Nur ein fahrbarer Untersatz wäre jetzt das Nonplusultra auf meinem Bummel durch die Stadt.

Der Mantel, der schon, zugegeben, ein wenig streng nach der „guten alten Zeit“ roch und den Duft aller vorangegangenen großen Feste der letzten Jahrzehnten an sich hatte, trug sich aber problemlos.

Derart wärmend und zweckmäßig ausgestattet lenkte ich nun meine schrittfreien Schritte in Richtung eines Autoschrotthändlers am Rande der „preiswerten“ Stadt, immer darauf bedacht, nicht aus dem dunklen Schatten meiner Wendefalte unangenehm herauszutreten.

Auch hier, bei diesem Schrotthändler, dessen vernarbtes Gesicht vergeblich ein Gleiches suchte, fand ich erfreut dasselbe wie beim Trödler vor: keine starken Preisschilder oder superpreiswerte Wochenknüller.

Nein !

Hier war der Kunde kein Bettler, sondern ein Gast, dem man mit großer Gestik und einem selbstgebrannten Schnäpschen dezent auf die Sprünge half.

Nachdem mir aber schon nach kurzer Durchsicht der automobilen Gebilde schnell immer klarer wurde, dass ich niemals, jedenfalls preislich gesehen auf den angestrebten vier Rädern den öligen Werkstattboden des „Fastpreisloshändlers“ ohne Anschubbremse und Stotterhilfe verlassen würde, entschied ich mich kurzerhand, um überhaupt meinen kleinen Zielen etwas näher zu kommen für ein leicht malträtiertes Damenrad mit klar ausgeprägten Sattelfragmenten aus den frühen sechziger Jahren.

Als Ersatz für den schrägstehenden Lenker und die fehlende Beleuchtung gab mir der Händler, offenbar sehr wohlwollend, noch vier Ersatzketten für ein Rennrad aus den fünfziger Jahren und drei Uraltklingeln mit, damit ich den fließenden Verkehr auf mich aufmerksam machen konnte.

Ich dankte ihm mit einem unverständlichen Grunzen, das er ebenso unverständlich beantwortete.

Dann steckte ich alle meine Teile leicht beschämt ob dieser Großzügigkeiten und schon halb der Welt entrückt unter die Rückseite meiner Hochgebirgspaspelierung und versuchte mich im Aufsteigen auf meinen erstandenen Drahtesel.

Sichtbar beflügelt von diesem Superkauf radelte ich dann, abwechselnd mit drei Daumen die Klingeln betätigend, meiner im Wind flatternden unsichtbar eingenähten Wendefalte und dem bald zur Gewissheit werdenden Gefühl in der Gesäßebene, im Schritt „preiswert“ zu kochen an den glitzernden „Wochenknüllerräuberhöhlen“ und den leuchtenden „Preiswertfassaden“ stolz vorbei, aber sehr bald erkennend, dass doch alles seinen Preis hat.

 

 

Tja! Wer billig radelt, dazu noch mit einem etwas dünn gewordenen ostfriesischen Knautschkrempelkragen aus den Fünfzigern und das auch noch in schrittfreier Sonderausführung, handelt sich schnell einen kostenlosen ganz persönlichen, nicht übertragbaren Wolf ein, wenn er denn auch noch auf einem fast schrittfreien Fahruntersatz hockt, der auch unter Umgehung aller Schlaglöcher dieser Welt sich geradewegs ins zweite Herz zu bohren schien.

 

 

„Man kann nicht alles haben!“ kam es, endlich Zuhause wieder angelangt etwas gequält aus meinen hängenden Mundwinkeln.

 

 

Und so beendete ich meinen Bummel durch die Stadt mit einem tiefen Seufzer, wohl wissend um meinen Geiz und um meine mir eigene Weltanschauung, der ich sicher auch beim nächsten Stadtbummel wieder verfallen würde.

 

 

Mir war inzwischen klar geworden, dass ICH der „Knaller der Woche“ war.

 

 

So spielt eben das Leben...!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

D. O.  22.10.06

 

 

Wer hätte denn Lust, mal mit mir einen Bummel durchs Städchen zu machen ??
Ich teile auch als Dankeschön meine Tüte Eis mit dir...! *grins*
Dieter Christian Ochs, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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