Dietmar Preuß

Wie drei Hobbits nicht nach Bree kamen


Prolog
 
 
Die Schlacht von Wasserau war lange geschlagen. Die berühmten Hobbits Meriadoc Brandybock und Peregrin Tuk hatten erfolgreich die Schergen Saurons und Sarumans aus dem Auenland vertrieben. Die überlebenden Ostlinge, Haradrim und anderen Strolche und Halunken waren in ihre Heimat zurückgekehrt. König Elessar hatte mit ihnen Frieden geschlossen.
Nach der fürchterlichen Schlacht kehrte langsam wieder die so sehr geliebte Ruhe und Ordnung im Auenland ein. Die Hobbits gingen wieder ihren alten Gewohnheiten nach. Dazu gehörte auch, jedwedes Abenteuer abzulehnen, dass länger dauerte, als zwischen zwei Mahlzeiten Zeit war. So betrachtet erschien den Auenländern sogar die Abenteuerlust der Herren Tuk und Brandyock als sehr bedenklich. Natürlich wusste jeder, dass ohne diese beiden Abenteurer das Auenland nicht gerettet worden wäre. So galten Herr Tuk und Herr Brandybock zwar als Helden, Herr Tuk war sogar der aussichtsreichste Anwärter auf das künftige Thainsamt. Aber bei einigen Hobbits hatten sie schon wieder einen eher zweifelhaften Ruf. Darunter waren einige, die sich Pippin nicht als zukünftigen Thain vorstellen konnten
 
 
 
König Elessar hatte auch verfügt, dass kein Mensch den Baranduin, den die Hobbits Brandywein nannten, überqueren und das Auenland stören dürfe. Die ehrbaren Menschen hielten sich daran. Hier und da mochten sich noch vereinzelte Haradrim oder kleine Gruppen Ostlinge in den Wäldern aufhalten und die Straßen unsicher machen. Aber Wegelagerer hatte es schon immer gegeben, und die meisten wurden jenseits der Brandyweinbrücke gesehen.
 
Selbst der König, der einige Jahre nach dem Ende des Ringkrieges seine alten Kampfgefährten besuchte, betrat die Brücke über den Brandywein nicht. Pippin, auf den die Auenländer hörten, als sei er schon zum Thain ernannt worden, hatte dafür gesorgt, dass die Hobbits eine prächtige Zeltstadt in den jenseitigen Uferwiesen aufbauten. Das Auenland erwies so dem König seine Ehrerbietung. Zwei Tage lang dauerten die Festlichkeiten, und König Elessar und seine Königin Arwen, die eine Elbin und die schönste Frau Mittelerdes war, konnten sich wieder einmal vom sagenhaften Appetit des Hobbitvolkes überzeugen. Merry und Pippin, die als Helden und wegen ihrer Abenteuerlust mittlerweile als etwas verrückt galten, empfingen den König am östlichen Ufer des Brandywein.
 
 
 
Die Hobbits des Auenlandes kannte bis dahin nur Geschichten von Merrys und Pippins Abenteuern. Aber als vernünftige Leute trauten sie ihren Augen eher als verrückten Erzählungen. Als der König mit seinem kleinen Gefolge erschien, murmelte die wartende Menge vor Aufregung und Ehrfurcht. Der hochgewachsene König stieg ohne Gehabe vom Pferd und eilte auf Merry und Pippin zu. Die riefen laut „Streicher!“, stürmten auf ihn zu und die drei alten Gefährten umarmten sich fest und lange.
 
Da waren die Zuschauer mucksmäuschenstill. Die Achtung der Hobbits vor Peregrin Tuk und Meriadoc Brandybock, dem zukünftigen Herrn von Bockland, stieg in diesen Tagen beträchtlich.
 
 
 
Aber nicht allein deswegen waren Herr Tuk und Herr Brandybock sehr angesehen. Sie hatten tatkräftig den Aufbau des Auenlandes geplant und natürlich auch tüchtig mit angefasst. Herr Brandybock hatte nicht einmal den ihm zustehenden Platz im Bockenburger Schloss eingenommen, sondern teilte sich mit Herrn Tuk eine Höhle in Hobbingen, auf die leider niemand mehr Anspruch erheben konnte.
 
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Zwei berühmte Hobbits
 
 
 
Peregrin Tuk, dieser berühmte Hobbit des Auenlandes, war auf dem Weg zu seiner Höhle. In seiner Berühmtheit stand er nur Sam Gamdschie, Frode Beutlin und vielleicht dessen Onkel Bilbo nach. Es gab nur noch einen weiteren Hobbit, der ebenso berühmt war wie er. Das war ein gewisser Gemüsedieb namens Meriadoc Brandybock. Mit diesem Hobbit, genannt Merry, teilte er sich seit ihrer Rückkehr von den Abenteuern mit Elben, Königen und Zwergen eine verwaiste Höhle in Hobbingen.
 
 
 
Pippin und Merry hatten an den langen Abenden im "Grünen Drachen" immer wieder erzählt, sie hätten nicht nur zahlreiche Abenteuer erlebt, was schon bedenklich genug war. Sie wollten sogar Anteil am Krieg der Großen, der Menschen und Elben, gegen den bösen Herrscher Sauron gehabt haben. Verbürgt war allerdings nur, dass sie schon vor ihrer langen Reise eifrige Gemüsediebe waren.
 
Aber wie es so war im Auenland, grüßte man auch diese beiden Sonderlinge höflich. Man unterhielt sich freundlich über die vergangene Ernte und den letzten Jahrgang des Pfeifenkrauts, machte seine Geschäfte mit ihnen und trank gerne auf ihre Gesundheit, wenn sie im „Grünen Drachen“ einen Krug spendierten. Wenn Merry und Pippin nicht anwesend waren, konnte man sich immer noch den Kopf über die beiden heiß reden.
 
 
 
Merry hörte Schritte vor der kreisrunden Höhlentür. Ein Gehstock klapperte fröhlich auf den Bruchsteinplatten. Daran erkannte er seine alten Freund Pippin, der soeben die Tür öffnete. Soso, dachte Merry, es ist schon wieder Teezeit. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, als er an die Kuchen und Rosinenbrote dachte, die er gleich mit seinem alten Freund vertilgen wollte.
 
„Hallo Pippin, alter Orktöter!“, begrüßte er seinen Freund.
 
Peregrin Tuk setzte sein breitestes Grinsen auf.
 
„Euer Diener, verehrter Herr“, antwortete er nach Zwergenart und verbeugte sich. Sein Bauch war in den Jahren seit der Rückkehr von den Abenteuern um einiges dicker geworden. So kam er mit rotem Kopf und einem Ächzen wieder hoch.
 
Die beiden Hobbits fielen sich in die Arme und klopften einander beherzt auf die Rücken. „Komm herein, Pippin! Ich wollte gerade den Tisch decken. Es ist Zeit für die Teestunde mit reichlich Gebäck."
 
Pippin nickte und wischte seine bepelzten Füße sorgfältig an der dichtgewachsenen Grasmatte ab.
 
 
 
Der Esstisch war ein großes, rundes Stück prächtiger Handwerksarbeit. Die gemütlichen Stühle darum wären bei weniger wohlhabenden Hobbits auch als Sessel durchgegangen. Mit einem weiteren Ächzen ließ sich Pippin in einen davon fallen. Sein Freund Merry trug derweil zahlreiche Platten und Teller auf. Butterkuchen gehörte zu einer richtigen Teezeit ebenso dazu wie große Laibe Rosinenbrot. Zum Schluss stellte Pippin einen dampfenden Krug Kahweaufguß auf den Tisch.
 
Nachdem im Auenland Ruhe und Frieden zurückgekehrt war, waren wieder Händler gekommen. Die meisten waren Zwerge, seltener Elben, manchmal vorgebliche Zauberer. So war eine Art Nuss zu den Hobbits gekommen, die geröstet und fein gemahlen einen anregenden Aufguss ergab. Gerade nach einem üppigen Essen, was ja bei Hobbits die Regel ist, schaffte der Wohlbehagen in den gespannten Bäuchen.
 
Pippin setzte sich, band sich ein enormes Taschentuch als Serviette um, und die beiden Halblinge langten tüchtig zu. Nachdem zwei Rosinenbrote und der größte Teil des Butterkuchens vertilgt waren, aßen die Freunde langsamer und bedächtiger.
 
Peregrin war der erste, der sich zurücklehnte und die Hände vor dem Bauch faltete. Der  oberste Knopf seiner Hose spannte, denn er war wirklich fett geworden. Pippin holte tief Luft und wollte gerade etwas sagen, als ein deutliches „Plopp“ zu hören war. Der Hosenknopf sprang förmlich von der Hose und landete mit einem etwas leiseren „Plitsch“ im Kahwekrug.
 
„Das ist das dritte Mal in dieser Woche“, stellte Merry fest. „Aber nimm noch, alter Freund, oder glaubst Du, den Kuchen trage ich wieder in die Speisekammer? Soll ich frischen Kahwe aufgießen?“
 
Pippin schüttelte den Kopf und sah sich langsam in der Höhle um. Den Knopf würde er aus der Kanne schütteln, wenn sie leer war.
 
„Sehr gemütlich haben wir es hier“, sagte er.
 
Merry sah ihn an.
 
„So ist es. Allerdings sieht die Höhle aus wie gestern, wie vorgestern, wie letztes Jahr und im Jahr davor. Und an beinahe jedem dieser Tage haben wir hier unsere Mahlzeiten eingenommen.“
 
Er schüttelte den Kopf, verwundert über Pippins Bemerkung.
 
„Seit der Ring vernichtet, seit Sauron tot ist, ist es sehr friedlich geworden“, sagte Peregrin.
 
„Und seit Frodo nach Westernis gegangen ist, waren wir nicht weiter von Hobbingen fort als bis zur Brandyweinbrücke, wirst du gleich sagen“, antwortete Merry.
 
 
 
“Weißt Du noch, wie wir vor vielen Jahren mit der Bockenburger Fähre den Brandywein überquerten? Ja, wir haben seltsame Abenteuer erlebt. Gut, dass es damit ein für alle mal vorbei ist“, fuhr Pippin fort.
 
„Höre ich da etwa Wehmut in Deiner Stimme?“, fragte Merry seinen Freund. Pippin starrte durch die flackernden Kaminflammen in weite Fernen.
 
„Nun ja ...“, sagte er gedehnt und legte die Hände auf sein prächtiges Bäuchlein.
 
„Fünf Mahlzeiten an einem Tag und eine warme und trockene Höhle sind natürlich nicht zu verachten.“
 
Mittlerweile war die Teestunde in das Abendbrot übergegangen. Merry stand auf, um die passenden Speisen herbeizuschaffen.
 
„Nun, Herr Tuk, wenn ich Euch in Euren Gedanken stören darf: Was darf ich zum Abendbrot auftischen? Etwas Brot mit kaltem Braten? Meerrettich mit frischen Kräutern? Es ist auch noch etwas von dem Schinken da, den letzte Woche der Händler aus Bree verkauft hat.“
 
Pippin erwachte für eine Moment aus seiner Versunkenheit.
 
„Oh ja, Herr Brandybock, das hört sich sehr nahrhaft an. Vielleicht einen oder zwei Krüge Gerstenbier dazu, wenn ich bitten darf?“
 
 
 
Merry stand auf und verließ den Raum mit dem gemütlichen Kamin, dem großen Esstisch und der geblümten Tischdecke darauf. Zwei Türen weiter befand sich die Speisekammer, ein Raum ohne Fenster, dafür schön kühl, weil er tief im Hang lag. Den Raum nur Kammer zu nennen, wäre natürlich untertrieben. Wie es sich für eine Hobbithöhle gehörte, war der Raum mit nicht weniger als vier großen Schritten zu durchmessen. Die Regale an den Wänden reichten bis an die Decke und waren voll mit den verschiedensten Köstlichkeiten. Eine Wand war freigehalten für diverse Fässer mit Gerstenbier und Rebenzucker, wie der süße Wein aus dem fernen Süden hieß, der jetzt gehandelt wurde.
 
Merry packte sich die Arme voll und balancierte die vielen guten Sachen ins Esszimmer. Pippin stierte weiter ins Feuer und schien seinen alten Freund gar nicht zu bemerken.
 
„Es wäre wirklich nett, wenn Du mir ein wenig behilflich sein könntest, mein lieber Herr Peregrin Tuk.“
 
Der Tadel brachte Pippin wieder in die Wirklichkeit zurück. Schuldbewusst sprang er auf, nahm Merry aber nur den Krug mit Bier und die beiden tönernen Becher ab. Mit den drei Etagen Tellern und Tabletts auf seinem anderen Arm musste Merry selbst fertig werden. Er verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
 
 
 
Während Pippin die Becher mit dem kühlen, schäumenden Gerstensaft füllte, ordnete Merry die Tafel. Die Reste der Teezeit räumt er nicht weg. Wer wusste schon, ob man nach dem Abendbrot nicht noch ein paar süße Häppchen vertragen konnte.
 
Pippin nahm einen tiefen Zug aus seinem Becher, schmatzte, um dem bitteren Geschmack auf der Zunge nachzusinnen und wischte sich den Mund mit der Hand ab.
 
„Weißt du, Merry, welches Bier von allen, die wir gemeinsam getrunken haben, am besten geschmeckt hat?“
 
„Nein, aber ich habe so eine Ahnung, was jetzt kommt“, antwortete der.
 
„Das Bier bei Gerstenmann Butterblüm in Bree“, ließ sich Pippin nicht beirren. „Aber ich glaube, das Bier an sich war gar nicht besser als dieses gute Gebräu aus unserer Speisekammer.“
 
Merry machte ein verständnisloses Gesicht.
 
„Das Bier im 'Tänzelnden Pony' hat nur aus einem Grund besser geschmeckt: Wegen der Abenteuer, die wir vorher erlebt haben.“
 
Jetzt verstand Merry.
 
„Du meinst, die Angst und die Not, die Anstrengung und die Gefahr haben dafür gesorgt, dass unser Durst größer, unsere Erleichterung nie zuvor tiefer war und wir deshalb Butterblüms Bier so richtig genießen konnten?“
 
„Genau so ist es!“, rief Pippin. „Und nie wieder wird uns ein Bier oder ein einfaches Mahl so gut schmecken wie nach einem überstandenen Abenteuer.“
 
„Ich glaube, ich weiß, was Du gleich sagen willst, närrischer Tuk.“ Merry gebrauchte die Bezeichnung, die Gandalf immer benutzt hatte, wenn Pippin wieder einmal etwas Törichtes eingefallen war.
 
„Wir könnten nach Bree wandern“, schlug Pippin vor. „Das wäre doch fast ein Abenteuer. Und zur Belohnung trinken wir einen der großen Krüge Bier im 'Tänzelnden Pony'.“
 
„Vielleicht auch zwei oder drei!“, stimmte Merry zu.
 
Er ließ sich mitreißen von der abenteuerlustigen Stimmung seines alten Freundes.
 
„Ja, und unterwegs tun wir etwas, das wir schon lange nicht mehr getan haben.“
 
Merry sah seinen alten Freund fragend an. „Bauer Maggot?“
 
„Und ob, Herr Brandybock. Es wird Zeit, dass wir ihm mal wieder ein paar Möhren aus dem Beet rupfen.“
 
„Genau!“, juchzte Merry. „Und wenn er uns erwischt, nehmen wir die Beine in die Hand. Wie in alten Tagen.“
 
 
 
Das war das Stichwort, sich an eben diese alten Zeiten zu erinnern. Bei geschmorten Zwiebeln mit Pilzen auf frischem Brot und gut abgehangenen Würstchen schwelgten sie in den Abenteuern, die sie vor so vielen Jahren erlebt hatten.
 
Schon oft hatten sie darüber gesprochen, noch einmal ein Abenteuer zu erleben, nach Bree zu gehen oder gar bis nach Bruchtal, Kämpfe auszufechten mit den letzten Haradrim, die sich noch in der Nähe der Oststraße herumtrieben. Allerdings war es immer dabei geblieben, sich an die alten Kämpfe zu erinnern, gut zu essen und irgendwann in den „Grünen Drachen“ zu gehen.
 
Als sie einige Zeit später keinen Bissen mehr in ihre kugelrunden Bäuche bekamen, seufzten sie wohlig. Die Behaglichkeit hatte die Lust auf Abenteuer verdrängt.
 
„Den Krug Abenteurerbier können wir genauso gut im 'Grünen Drachen' trinken“, schlug Merry vor.
 
Pippin pflichtete ihm bei.
 
„Und um bei Bauer Maggot Möhren zu stibitzen, müssen wir nicht warten, bis wir uns nach Bree aufmachen.“
 
„Richtig! Gehen wir in den 'Grünen Drachen'.“
 
Die Arme einander um die Schultern gelegt, machten sich die beiden Hobbits auf den kurzen Weg. Ihre großen, behaarten Füße trugen sie eilig, und wegen der beiden Krüge Gerstenbier, die sie schon getrunken hatten, nicht mehr ganz so sicher in die Schenke. Weil sie die bekanntesten Halblinge des Auenlandes waren, die bisher nicht nach Westernis gegangen waren, und wegen der vielen Geschichten, die sie zu erzählen hatten, brauchten sie nur selten für ihr Bier bezahlen.
 
 
Ein vorlauter Hobbit
 
 
 
Der „Grüne Drache“ war wie immer gut gefüllt, das hörten Merry und Pippin schon von draußen und traten ein. Die Tische mit den Platten aus dicken Eichenbohlen standen voller Krüge schäumenden Bieres. Muntere Hobbits saßen darum, pafften ihr langen Pfeifen, tranken schmatzend das kühle Bier, erzählten erfundene oder wahre Geschichten oder hörten den lautesten Erzählern einfach zu. Nelli, das rundliche Schankmädchen, eilte mit vollen Tabletts durch die Reihen. Durch den Raum waberten dicke Rauchschwaden des aromatischem Pfeifenkrauts. In irgendeiner Ecke spielte jemand auf einer kleinen Weidenflöte eine lustige Melodie.
Auch diesmal rief ein stattlicher Hobbit bei ihrem Anblick:
 
„Da kommen die Befreier des Auenlandes! Nelli, zwei Krüge Gerstensaft für meine Freunde Peregrin und Meriadoc! Schreib´ an für Borko Stolzfuß!“
 
Dieser Borko Stolzfuß war für einen Hobbit recht groß, hatte einen kantigen Schädel mit rotgeäderten Wangen und Augen, die selten klar blickten. Er saß mit dem Rücken zur Wand im hinteren Bereich der Schankwirtschaft, die Füße auf dem Tisch. Seinen Krug mit Gerstenbier ließ er nicht einen Augenblick los.
 
Das Hallo wollte nicht enden und aus verschiedenen Ecken wurde gerufen.
 
„Eine Geschichte, Herr Tuk! Erzähl uns was, Merry! Erzählt von euren Abenteuern.“
 
Pippin und Merry war diese Aufmerksamkeit sehr recht. Wegen des Entwassers, das Baumbart sie vor vielen Jahren trinken ließ, waren sie größer als alle anderen Hobbits, größer sogar als die kräftigen Söhne und Knechte Bauer Maggots. Sie brauchten sich daher nicht auf einen Schemel zu stellen, um von allen gesehen und gehört zu werden, sie überragten auch so alle Anwesenden.
 
 
 
Pippin gefiel aber der Ton nicht, mit dem Borko Stolzfuß das Gerstenbier für sie bestellt hatte, denn es hatte ein wenig nach Spott und Hohn geklungen. Trotzdem begann er zu erzählen, vom Fangorn und ihren Abenteuern mit den Ents. Als Pippin zum halbhundertsten Male die Höhle des Ents Baumbart beschrieb, meldete sich Borko Stolzfuß zu Wort, der sich auch einmal gewisse Chancen auf das Thainsamt ausgerechnet hatte.
 
„Ist ja nun schon reichlich lange her, die Herren. Lebt seither ganz gut von dem, was man euch hinterlassen hat. Ehrliche Arbeit habt ihr nicht mehr gesehen und ein Abenteuer schon gar nicht.“
 
Eine peinliche Stille war im „Grünen Drachen“ entstanden. Alle Hobbits beobachteten Borko und Pippin und Merry. Pippin, der nicht auf Streit aus war, weil sein Bauch immer noch rund und voll vom Abendbrot war, rief daher:
 
„Nelli, ein Krug Gerstenbier für den alten Borko, als Dank für seine Runde! Und bring ihm auch noch vom Gebrannten.“
 
Die Ostlinge, die im Namen Sarumans das Auenland besetzt und verwüstet hatten, hatten auch das Rezept für den Gebrannten mitgebracht. In einer der qualmenden und stinkenden Schlotschuppen hatten sie Hobbits gezwungen, aus gemaischtem Getreide dieses scharfe Getränk herzustellen. Die Aufmüpfigen unter den Auenländern hatten sie mit diesem scharfen Getränk gefügig gemacht. Sie zwangen sie, große Becher des Zeugs zu trinken, so dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnten.
 
Leider war der Gebrannte nicht wieder mit den Ostlingen verschwunden. Einige Hobbits vernachlässigten ihre Felder und Gärten, verpfändeten gar ihre Höhlen, um möglichst oft dem Gebrannten zuzusprechen. Borko Stolzfuß hatte zwar Feld und Höhle nicht verpfändet, denn dann hätte er eine Tracht Prügel von seiner Frau bekommen. Aber er trank mehr vom Gebrannten als er vertrug.
 
 
 
Für den Moment war Borko Stolzfuß ruhiggestellt. Peregrin und Meriadoc wurden von den anderen Hobbits umlagert. Man klopfte ihnen auf die Schultern und manch einer nannte Pippin schon den zukünftigen Thain des Auenlands. So waren die Hobbits: Zwar zerrissen sie sich gerne und lange die Mäuler über die bedenklich abenteuerliche Lebensart des Herrn Tuk. Aber dennoch anerkannten sie seine Tüchtigkeit, die ihn zu dem Kandidaten auf das Amt des Thain machte. Damit war Borko Stolzfuß nun aber doch nicht einverstanden.
 
„Warum sollte gerade der Herr Tuk Thain werden?“, rief er dazwischen.
 
Seine Zunge war schon etwas schwer vom Gebrannten. Merry und Pippin sahen mit einigem Abscheu zu ihm herüber. Sie hassten das scharfe Getränk, hatten sie doch auf ihrem Gewaltmarsch mit den Orks unfreiwillig damit Bekanntschaft damit machen müssen.
 
„Nur weil Herr Tuk in seltsame Abenteuer geschlittert und heile zurückgekehrt ist?“, grölte Borko Stolzfuß weiter.
 
"Ich habe auch gekämpft, um Orks und Ostlinge aus dem Auenland zu vertreiben. Danach bin ich aber weiter meiner ehrlichen Arbeit nachgegangen und habe mich nicht auf meinen Lorbeeren ausgeruht, wie diese beiden Herren.“
 
Wieder war Stille eingekehrt. Diejenigen Hobbits, die auch nach dieser dunklen Zeit Abenteuer für verwerflich hielten, pflichteten Borko insgeheim bei. Merry wollte dem Stolzfuß gerade erklären, dass ohne sie beide gar kein Aufstand gegen Sarumans und Saurons Diener begonnen hätte und dass sie noch viel größere Abenteuer als dieses erlebt hatten. Aber Pippin legte eine Hand auf Merrys Arm und sprach mit sonderbar ruhiger Stimme.
 
„Wir haben uns nicht auf unseren Lorbeeren ausgeruht. Wir haben geholfen, das Auenland wieder herzurichten. Zwar mag unser letztes Abenteuer lange her sein, aber wir werden bald ein neues beginnen. Wir werden einen alten Freund in Bree besuchen. Wenn Du so mutig bist, wie der Gebrannte Dich reden lässt, komm doch mit, Borko Stolzfuß. Die Ernte ist eingebracht, gleich morgen geht es los. Wenn du Thain werden willst, ist es vielleicht nicht schlecht zu wissen, wie es außerhalb des Auenlandes aussieht.“
 
 
 
Alle Augen richteten sich auf Borko. Man war gespannt, ob er sich herausfordern oder ins Bockenburger Horn jagen ließ. Nur Merry sah Pippin an und versuchte, sich sein Staunen nicht anmerken zu lassen. Zwar hatten sie gerade erst über ein neues Abenteuer gesprochen. Aber das hatten sie in den letzten Jahren schon oft getan und waren dann bequem in ihrer warmen Höhlen geblieben.
 
Borko Stolzfuß fühlte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Wenn er nicht als Feigling dastehen wollte, musste er zusagen. Schließlich sollte es nur nach Bree gehen. Ließ man die Südländer und Ostlinge, die sich immer noch vereinzelt in der Gegend herumtrieben, außer acht, war das ja beinahe gar kein Abenteuer. Schlug er aus, wären seine Chancen, Thain zu werden, ein für alle mal zunichte gemacht.
 
„Natürlich komme ich mit. Wollen doch mal sehen, was an euch beiden dran ist“, rief er laut, so dass alle Anwesenden es hörten. Die Wirkung des Gebrannten bei ihm war schlagartig verflogen und einige Hobbits behaupteten am nächsten Abend in der Schenke, seine Stimme hätte schon etwas gezittert.
 
Das Stimmengemurmel wurde lauter ob dieser kleinen Sensation. Borko Stolzfuß geht auf eine abenteuerlich Reise mit Meriadoc Brandybock und Peregrin Tuk! Das würde Gesprächsstoff für die nächsten Tage liefern.
 
Viele Hände klopften Borko Stolzfuß, der nicht wusste, ob er sich im neuen Ruhm sonnen oder im Boden versinken solle, auf die Schultern.
 
„Wann geht es los?“, riefen viele Stimmen aus der Menge.
 
„Bist Du Dir sicher, dass Du so eine weite Strecke schaffst, Borko?“, fragte Pippin, an Borkos Ausdauer zweifelnd.
 
„Na, warum sollte ich das nicht schaffen, Herr Tuk? Ich bin schließlich ein Hobbit im besten Alter und einer der kräftigsten hier in Hobbingen“, gab Borko mächtig an und setzte noch hinzu: „Ihr glaubt wohl, die einzigen tüchtigen und abenteuertauglichen Hobbits zu sein.“
 
„Ich frage ja nur zu deinem besten, Borko.“
 
Pippin ließ sich nicht anmerken, dass ihn die ständigen Sticheleien ärgerten.
 
„Bist Du schon einmal so eine weite Strecke gewandert, Herr Stolzfuß?“, wollte Merry wissen. Borko machte ein entrüstetes Gesicht.
 
„Also glaubt auch der Herr Brandybock, dass ich weder zu Abenteuern tauge, noch sonst zu etwas. Noch letzte Woche bin ich täglich zwei mal zu meinem nördlichen Acker gewandert.“
 
 
 
Alle Hobbits in der Schenke hatten die Ohren gespitzt und verfolgten den Disput.
 
„Deine Felder sind doch nur eine Stunde zu Fuß von deiner Höhle entfernt, Stolzfuß!“ rief jemand aus dem vorderen Bereich des Schankraums.
 
„Und außerdem bist Du nur deshalb gelaufen, weil Du dem Wirt Dein Pferd und Deinen Karren als Pfand für die vielen angeschriebenen Gerstenbiere und Krüge mit Gebrannten geben musstest“, kam es aus einer anderen Ecke. Viele Hobbits lachten laut. Borko nahm die Füße vom Tisch und richtete sich auf, konnte aber nicht erkennen, wer der Rufer war.
 
„Und nach Bree seid ihr Tage unterwegs“, rief ein dritter Hobbit. Bevor Borko aufbrausen konnte, fuhr Pippin dazwischen.
 
„Können wir uns auf Deine Klinge verlassen, wenn Haradrim oder Ostlinge uns angreifen? Denn das ist nicht ganz unwahrscheinlich, Borko Stolzfuß.“
 
„Aber selbstverständlich. Bei der Schlacht von Wasserau habe ich die Halunken reihenweise niedergemacht.“ Borko sprach immer hitziger. Aber jetzt erklang wieder Lachen aus mehreren Winkeln des „Grünen Drachen“.
 
„Davongelaufen bist Du!“
 
„Einen einzigen hast Du erwischt!“
 
„Und der war schon fast tot!“
 
„Unter einem Fuhrwerk hast Du Dich versteckt!“
 
Und so ging der Spott weiter.
 
Schließlich stand Borko auf. Sein Gesicht war rot vor Zorn und zuviel Gebranntem.
 
„Ich werde Euch zeigen, wie Borko Stolzfuß so ein lächerliches Abenteuer besteht. Morgen früh stehe ich bereit, und wenn sich hundert Haradrim gegen uns stellen.“
 
Damit verschwand er heftig schnaufend und stieß ein paar der anderen Gäste zur Seite, die ihm nicht schnell genug aus dem Weg kamen.
 
Pippin stand auf und rief ihm hinterher:
 
„Morgen früh bei Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg.“ Der Stolzfuß sollte keine Zeit mehr haben, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, dachte sich Pippin. „Wir treffen uns vor der Schenke, Borko. Bring einen guten Stock und reichlich Proviant mit. Und natürlich ein Schwert.“
 
 
 
Merry, der immer noch nicht fassen konnte, was sein alter Freund da eben angestiftet hatte, nahm Pippin beiseite.
 
„Wir gehen jetzt nach Hause. Schließlich wollen wir morgen ausgeruht sein.“
 
Er zerrte Pippin aus der Schenke, denn er wollte ihn endlich fragen, was das alles zu bedeuten hatte. Um nicht noch zurückgehalten zu werden, stiegen sie eilig den Bühl hinauf, der zwischen der Schenke und ihrer Höhle lag. Dort, wo der Weg sich wieder talwärts neigte, blieben sie stehen.
 
„Was hast Du Dir dabei gedacht, Peregrin Tuk?“, verlangte Merry zu wissen.
 
Pippin sah in den Himmel. Zahllose kristallene Flammenpunkte durchstachen die Nacht mit ihrem Glanz. Es dauerte eine Weile, bis Pippin antwortete.
 
„Ich musste heute an Bilbo Beutlin denken. Auch er hat ein großes Abenteuer bestanden und war danach so lange nicht glücklich, bis er zum zweiten Mal aufgebrochen ist. Erst in Bruchtal hat er seinen Frieden gefunden.“
 
Beide Hobbits schwiegen eine Weile. Merry verstand seinen Freund, waren ihm in der letzten Zeit doch oft ähnlich Gedanken durch den Kopf gegangen. Pippin grinste jetzt.
 
„Außerdem können wir so mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wir können uns einen Spaß mit Bauer Maggot machen und danach für eine Weile verschwinden. Außerdem verpassen wir diesem vorlauten Stolzfuß einen Denkzettel.“
 
„Ach, ich wette, der kommt gar nicht. Er wird morgen mit einem Brummschädel aufwachen und sich lieber noch einmal umdrehen“, meinte Merry.
 
„Und dann hält er ein paar Wochen die Klappe“, bestätigte Pippin.
 
„Was wollen wir eigentlich in Bree? Ich meine, außer bei Butterblüm ein paar große Krüge Gerstenbier zu trinken?“, fragte jetzt Merry.
 
„Uns wird schon etwas einfallen“, gab Pippin zurück.
 
„Du meinst, mir wird schon was einfallen. Schließlich bin ich derjenige von uns beiden, der denkt“, spöttelte Merry und spurtete los. Johlend lief Pippin hinter ihm her.
 
„Na warte!“, rief er. „Das werde ich Dir gleich zeigen.“
 
Bis zu ihrer Höhle balgten sie sich, stießen einander mit den Schultern und berieten, was auf die Reise mitzunehmen sein. Jetzt, wo auch sie sich auf den Weg machen mussten, um nicht zum Gespött von Hobbingen zu werden, waren sie glücklich und aufgeregt.
 
 
 
Nachdem Sie reichlich Proviant in zwei geräumige Rucksäcke gepackt hatten, suchten sie alles andere zusammen. Ihre Schwerter, die sie vor scheinbar unendlich langer Zeit in den Hügelgräbern fanden, waren immer noch tadellos in Schuss. Die Klingen glänzten und waren scharf geschliffen. Die Gehänge waren immer gut eingefettet worden, damit das Leder nicht spröde wurde. Aus einem Ständer nahe der Eingangstür wählten sie zwei kräftige Wanderstöcke, mit denen sich zur Not auch ein aufdringlicher Wolfsfuchs vertreiben ließ. Decken, Seile und ein Kochgeschirr, für einen anständigen Hobbit unentbehrlich, wanderten ebenso in die Rucksäcke. Noch einmal gingen sie ihr Reisegepäck durch und fanden es komplett.
 
„Nicht mehr lange und die Sonne geht auf, Merry“, sagte Pippin.
 
„Wir sollten versuchen, wenigsten eine kurze Weile zu schlafen. Wir wollen auf unsere Wanderung ja nicht vor Borko Stolzfuß Müdigkeit zeigen.“
 
 
 
Drei Hobbits brechen auf
 
 
 
Am nächsten Morgen hatte sich vor dem „Grünen Drachen“ eine stattliche Zahl Hobbits versammelt. Selbst dieses recht bescheidene Abenteuer, das Meriadoc Brandybock und Peregrin Tuk beginnen wollten, war ungewöhnlich genug, halb Hobbingen zu so früher Stunde aus den warmen Betten zu treiben.
 
Die Leute diskutierten aufgeregt, was die Reisegefährten erwarten würde. Man klopfte Merry und Pippin auf die Schultern, probierte das Gewicht der Rucksäcke und stritt, ob ein Eschen- oder ein Buchenstab der bessere Reisebegleiter sei. Ein paar Hobbits schüttelten aber auch den Kopf über eine derart ungewöhnliche Abenteuerlust. Selbst nach den unruhigen Zeiten gehörte sich das für einen ehrbaren Hobbit nicht, meinten viele. Aber auch diese Nachbarn waren anständig genug, Merry und Pippin eine glückliche Heimkehr zu wünschen.
 
 
 
Die Sonne stand schon fast ganz über dem Horizont, als Borko Stolzfuß im Laufschritt zur Dorfschenke kam. Die Hobbits jubelten auch ihm zu und er grüßte lautstark zurück.
 
„Einen schönen guten Morgen wünsche ich den Herren.“
 
Er hatte erst nach einem großen Becher Gebrannten beschlossen, das Beste aus der Sache zu machen, und war mit dem scharfen Getränk im Bauch guter Stimmung. Merry und Pippin rochen an seinem Atem deutlich, dass er sich Mut angetrunken hatte. Sie hatten gar nicht mehr mit ihm gerechnet und waren doch erstaunt. Aber dann erwiderten sie höflich seinen Gruß und die drei Reisegefährten klopften einander auf die Schultern.
 
„Ich habe nicht geglaubt, dass Du den Mut aufbringst, Borko. Selbst mit einem tüchtigen Schluck Gebrannten im Bauch“, fügte Merry dem Gruß hinzu.
 
„Den Gebrannten habe ich wegen der Kälte eingenommen. Ich muss mir keinen Mut antrinken, mein Herr“, sagte Borko und machte ein beleidigtes Gesicht.
 
Pippin wollte nicht in schlechter Stimmung losmarschieren und vergaß seine Bedenken.
 
„Ach natürlich, alter Stolzfuß“, rief er. „Wer gegen die Ostlinge und Haradrim gekämpft hat, den hindert auch nichts daran, nach Bree zu reisen, was, alter Junge?“
 
Borko Stolzfuß war zwar froh, von den beiden als Kamerad behandelt zu werden, blieb aber dennoch ein Stolzfuß.
 
„Was habt ihr denn gedacht, die Herren? Ein Stolzfuß lässt sich nicht so leicht ins Bockenburger Horn jagen. Schon lange nicht von zwei jungen Aufschneidern, wie ihr es seid.“ Dabei war Borko auch nur wenige Jahre älter als Pippin.
 
Die beiden Freunde wollten sich die fröhliche Aufbruchstimmung nicht verderben lassen und machten daher gute Miene zu Borkos Worten. Nach weiteren zahlreichen guten Wünschen und vielen Schulterklopfern brachen sie endlich auf. Sie kehrten dem Bühl den Rücken zu und wandten sich nach Süden.
 
 
 
Auch Borko hatte einen Rucksack auf dem Rücken, prallvoll mit Proviant und zwei Flaschen Gebranntem. Eine große Pfanne war mit einem Lederriemen daran befestigt und klapperte im Takt der Schritte. In seiner Rechten hielt er einen kräftigen Eschenstab, dessen Spitze mit Eisen beschlagen war, an seiner linken Hüfte hatte er einen großen Dolch befestigt, den er vor Jahren von durchreisenden Zwergen getauscht hatte. Für einen Hobbit war der Dolch als Kurzschwert gut geeignet.
 
Merry und Pippin schritten tüchtig voran. Ihre gute Laune ließen sie sich auch nicht davon verderben, dass Borko sie nun doch begleitete.
 
„Wir werden uns schon zusammenraufen“, hatte Pippin leise zu Merry gesagt.
 
Sie hatten in etwa den Weg gewählt, den sie auch vor so vielen Jahren gegangen waren. Abseits der Oststraße wanderten sie vier Tage durch das Grünbergland und Waldende und verbrachten die Nächte unter freiem Himmel. Sie brauchten diesmal natürlich mehr Zeit, da die Rastpausen und Mahlzeiten länger ausfielen, als bei der Flucht vor den Ringgeistern. Nur mit Schrecken erinnerten sie sich an diese finsteren Gesellen. Dennoch konnten sie nicht so üppig dem Essen zusprechen, wie Hobbits es gerne tun, denn sonst würden sie Wochen bis nach Bree benötigen. Borko war daher bestürzt, als am ersten Tag der Wanderung zunächst das zweite Frühstück und dann auch noch der Tee ausblieb.
„Ach ja, das haben wir vergessen zu erzählen. Wenn man auf Reisen vorwärts kommen möchte, muss die eine oder andere Mahlzeit ausfallen. Daran wirst Du dich gewöhnen müssen“, erklärte ihm Merry.
 
Borkos Magen war über diese Eröffnung so erschrocken, dass er laut knurrte. Dem frisch gebackenen Abenteurer war auch anzumerken, dass ihm das Schlafen in Feld und Wald nicht sehr geheuer war. In der ersten Nacht schreckte er bei dem kleinsten Geräusch, das die Natur um sie herum machte, aus dem Schlummer. Aber bereits in der dritten Nacht schlief er selig, dafür sorgten die Anstrengungen des Tages. Er hielt zwar mit Merry und Pippin mit, aber solche Strecken war er einfach nicht gewohnt. Und wären die beiden alten Gefährten noch so abgehärtet gewesen, wie am Ende des Ringkrieges, Borko hätte nach einem Tag aufgegeben.
 
 
 
Am Morgen des vierten Tages saßen sie bei einem reichlichen Frühstück um ihre Feuerstelle und beratschlagten.
 
„Wie geht es denn weiter, Herr Tuk? Nehmen wir die Bockenburger Fähre und gehen durch den Alten Wald oder überqueren wir auf der Oststraße den Brandywein?“, wollte Borko wissen.
 
„Natürlich nehmen wir die Oststraße. Du willst doch wohl nicht freiwillig den Alten Wald durchqueren? Da soll es immer noch spuken!“, sagte Pippin.
 
„Ach was, ich habe keine Angst vor Spuk, im Gegensatz zu euch beiden, will mir scheinen.“
 
Pippin und Merry zwinkerten sich zu. Borko schien einfach nicht gewusst zu haben, dass es im Alten Wald spukte. Das wollte er jetzt mit großen Worten verbergen.
 
„Wir werden aber gleich eine Abkürzung nehmen, die uns vielleicht zu unserem ersten          Abenteuer führt“, fuhr Pippin fort. Merry grinste, denn er wusste, dass sein Freund mit dem Abenteuer einen Besuch bei Bauer Maggot meinte. Mehr ließ Pippin nicht aus sich herauslocken und Merry pfiff vergnügt ein Liedchen. Borko Stolzfuß grummelte irgend etwas wie:  „Pah, Abenteuer! Was soll schon passieren? Alles nur Geschichten.“
 
 
 
Als Merry und Pippin nach einigen Stunden plötzlich stehen blieben, lief Borko, der tief in Gedanken versunken war, in sie hinein.
 
„Pass auf, Borko Stolzfuß, wir werden uns jetzt unser Abendbrot besorgen. Sei einfach ganz still und bleib dicht bei uns. Wenn wir loslaufen, nimmst Du besser auch die Beine in die Hand.“
 
Borko war zu verwundert, um zu fragen, wie sie sich ihr Abendbrot besorgen wollten.
 
„Warum redet ihr von Abendbrot, wenn wir noch kein zweites Frühstück, keinen Mittagstisch und keinen Nachmittagstee hatten?“  Ihm war in dieser Hinsicht sehr schmerzlich bewusst geworden, was es hieß, unterwegs zu sein.
 
Merry und Pippin sahen sich um, ob die Luft rein war, und gingen gebückt ein paar Schritte ins Riedgras seitlich ihrer Fährte. Sie blieben wie angewurzelt stehen und drehten sich um, weil Borko nörgelnd folgte.
 
„Schschscht!“, machten sie gleichzeitig.
 
Borko, der keine Ahnung hatte, was die beiden vorhatten, ging ein paar Meter hinter ihnen her und dachte immer noch über die ausfallenden Mahlzeiten nach. So wurde ihm nicht bewusst, in welche Richtung sie schlichen.
 
Merry und Pippin bewegten sich in nordöstliche Richtung auf eine Bodenwelle zu, suchten Deckung und spähten vorsichtig darüber. Borko kam schnaufend hinterher und warf sich neben die beiden.
 
„Was soll das überhaupt?“, fragte er und sah dann, dass in etwa 200 Meter Entfernung die Gemüsebeete von Bauer Maggots Hof begannen. Zwischen der Bodenwelle und den Beeten wuchsen nur ein paar Hollerbüsche, die prächtige Trauben dunkler Früchte trugen. In der Ferne schimmerte das Band der Oststraße durch Alleen und kleine Wäldchen.
 
„Ihr wollt unser Abendbrot doch nicht etwa von Bauer Maggot stehlen?“, Borko war ehrlich entrüstet, schließlich war er selber Bauer.
 
„Schschscht!“, machten wieder beide Hobbits und besprachen sich.
 
„Niemand zu sehen, Merry“, flüsterte Pippin.
 
„Aufgepaßt, Borko! Auf drei!“, stieß Pippin den Stolzfuß an.
 
Der bekam weder die Eins noch die Zwei mit.
 
„Drei!“, hörte er Pippin flüstern und folgte willenlos den beiden erfahrenen Gemüsedieben. In geduckter Haltung huschten die Hobbits von Hollerbusch zu Hollerbusch und sahen sich immer wieder in alle Richtungen um.
 
„Bauer Maggot ist sehr gerissen, weißt du?“, griente Pippin den Stolzfuß an.
 
Die letzten Schritte rannten sie zum Beet, rupften einige Möhren und Rettiche heraus und luden sich die Arme voll. Borko war ihnen langsam gefolgt und stand untätig hinter den beiden.
 
„Was...“ stammelte er, kam aber nicht weiter. Eine kräftige Gestalt kam auf sie zugerannt und schimpfte.
 
„Ich werde es euch ein für allemal zeigen!“, hörten die Hobbits Bauer Maggot rufen. Mit einem hocherhobenen Dreschflegel kam er auf sie zugelaufen. Merry und Pippin sahen sich an.
 
„Lauf, Borko!“, riefen sie gleichzeitig und rannten durch das Riedgras nach Norden. Der Stolzfuß erwachte endlich aus seiner Erstarrung und lief ebenfalls los. Bauer Maggot war inzwischen so nahe heran gekommen, dass er Borkos Hintern unsanft mit dem Dreschflegel traf. Der jaulte kurz auf und rannte umso schneller hinter seinen Reisegefährten her.
 
 
 
Bauer Maggot blieb schließlich stehen. Die drei Hobbits, die sich in sicherer Entfernung hinter einem dichten Brombeerstrauch verbargen, hörten ihn noch eine Weile schimpfen. Als er davonzog, drehte sich Borko Stolzfuß zu seinen Reisefährten um.
 
„Das nennen die Herren also Abenteuer: Ein paar Möhren und Rettiche stehlen und die Beine in die Hand nehmen! Dabei soll der Herr Tuk zum Thain ernannt werden!“
 
„Du bist aber auch nicht schlecht gerannt, mein lieber Borko!“, antwortete Pippin grinsend.
 
„Vor allem, nach dem der Dreschflegel Deinen Allerwertesten erwischt hat“, setzte Merry noch eins drauf und lachte.
 
Borko Stolzfuß machte ein beleidigtes Gesicht. Die beiden legten ihm von links und rechts die Arme über die Schultern und marschierten weiter auf die alte Oststraße zu.
 
„Sieh es als Probe an, Borko“, empfahl Merry.
 
„Ja, und wir wissen, wenn es ernst wird, werden wir nicht auf dich warten müssen“, meinte Pippin. „Außerdem gibt es heute unter freiem Himmel leckeren Gemüseeintopf.“
 
Die Hobbits ahnten nicht, dass es viel schneller ernst werden würde, als ihnen lieb war.
 
 
 
Am späten Nachmittag erreichten sie die Straße und wandten sich nach Osten auf Bree zu. Borko machte noch immer ein beleidigtes Gesicht und schimpfte über „lächerliche Abenteuer“ und „aufschneiderische Herren“. Dennoch wanderten die Hobbits zügig die große Oststraße entlang. Pippin und Merry waren guter Dinge. Das erste Abenteuer war überstanden und hatte fröhliche Erinnerungen an unbeschwerte Zeiten geweckt. Die gute Laune ließen sie sich auch nicht vom finsteren Gesicht Borkos vermiesen.
 
Sie brauchten nicht mehr lang bis zur Brandyweinbrücke. Borko war noch nie so weit im Nordosten gewesen, denn seine Felder lagen in der Nähe von Hobbingen. Und da er sich immer bemüht hatte, ein angesehener Hobbit zu sein, hatte es keinen Grund gegeben, den Brandywein zu überqueren.
 
Um ehrlich zu sein, hatte er Angst. Nicht so sehr wegen der Entfernung von daheim. Die Tatsache, dass er noch nie ein so großes Wasser wie den Brandywein überquert hatte, macht ihm zu schaffen. Er gab sein beleidigtes Schweigen auf und fragte:
 
„Wird die Brandyweinbrücke auch sicher sein, Herr Tuk?“
 
Pippin sah Merry erstaunt an.
 
„Natürlich. Was sollte nicht in Ordnung sein?“
 
„Sie könnte beschädigt sein und einstürzen, oder ein Stein der Brüstung könnte sich lösen.“
 
Pippin und Merry ahnten, hinter der Fragerei steckte die Abneigung der Hobbits gegen alles, was mit Seen und Flüssen zu tun hatte. Sie selbst konnten sich noch erinnern, als sie zum ersten mal in die schaukeligen Boote steigen mussten, die die Ringgefährten schließlich durch die gewaltigen Argonath führen sollten.
 
„Die Brücke ist sicher wie eine Hobbithöhle, Herr Stolzfuß“, antwortete Pippin.
 
Er wollte Borko  trotz aller Großtuerei nicht bloßstellen. Darum widerstand er der Versuchung, Borko mit seiner Furcht aufzuziehen. Er wusste, dass auch bravere Hobbits nach Möglichkeit allen großen Wasserflächen oder gar Booten fernblieben.
 
 
 
Borko Stolzfuß nickte, war aber noch lange nicht beruhigt. Es dauerte nicht mehr lange, bis sie das Rauschen, Plätschern und Glucksen des Brandywein hörten. Das fließende Wasser glitzerte in der Sonne, ie Straße führte geradewegs darauf zu. Borko zog ein großes, rotkariertes Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.
 
Am Ufer angekommen betrachtete Herr Stolzfuß ehrfürchtig die Wassermassen. Merry und Pippin hatten zwar schon wesentlich gefährlichere Gewässer überquert, aber auch sie fühlten sich an Land wesentlich wohler. Pippin überquerte die Brücke als erster. Aus Stein gebaut, fest und sicher, bereitete sie ihm kein Unbehagen. Selbst Sarumans Schergen hatten die Brücke bei der Flucht aus dem Auenland nach der großen Schlacht nicht beschädigen können.
 
Borko blieb stehen. Er holte wieder sein großes Taschentuch hervor und wischte sich übers Gesicht.
 
„Als Thain müsstest Du die Brücke immer wieder überqueren, wenn du ins Bockland gerufen wirst oder wenn König Elessar das Auenland besucht. Selbst er darf sie nach seinem eigenen Gesetz als Mensch nicht überqueren“, plauderte Merry. „Du würdest ihm doch nicht die Ehrerbietung verweigern, oder?“
 
Borko fasste sich ein Herz. Den Blick geradeaus gerichtet, betrat er vorsichtigen Schrittes die Brücke. Als er merkte, dass sie weder schwankte noch wackelte, wurde auch er sicherer. Er ging schneller und hatte bald Pippin am anderen Ende erreicht.
 
„Was schaust Du mich so an, Herr Tuk?“, fragte ihn Borko. Sehr schnell hatte er seine Unsicherheit vergessen. „Meinst Du etwa, es macht mir etwas aus, eine Brücke zu überqueren?“
 
Merry war herangekommen und hatte die letzten Worte mitbekommen. Er griente hinter Borkos Rücken, Pippin verzog keine Miene. Schließlich wollte man noch zusammen bis nach Bree marschieren. Und es lief sich bei guter Stimmung leichter.
 
 
 
Die Straße verlief unter ihren pelzigen Füßen weiter nach Osten. In der Ferne begann rechter Hand der Alte Wald, über den so viele schreckliche Geschichten erzählt wurden. Die Straße hielt immer reichlich Abstand zum Waldrand, wie sie von einer kleinen Anhöhe aus sahen. Heide oder wilde Wiese trennten den Gürtel dichten Gebüschs, der jeden Blick in den Wald verhinderte, vom Straßenrand.  Zur Linken der Straße erstreckte sich leicht gewelltes Land, meist mit Ried oder Heide bewachsen. Hier und da gab es kleine Wäldchen, die zwar auch ungebetene Gestalten verbergen mochten, aber einen wesentlich freundlicheren Eindruck als der Alte Wald machte. Ihre Kronen waren heller, das Laub war grüner, die Sonne warf ihr Licht hier und da bis auf den Boden.
 
Der Alte Wald dagegen wirkte selbst aus der Entfernung bedrohlich. Die Baumkronen waren dicht, das Grün dunkel, der Blick hinein versperrt. Über ihm kreisten Vögel, Aasfresser, wie die Hobbits an ihren krächzenden Schreien selbst über die Entfernung hören konnten.
 
Tief im Innern stob plötzlich eine große Schar dieser Vögel auf. Ihre Schreie hörten sich verärgert an, als seien sie von ihrem Aas verscheucht worden. Ein einzelner Vogel löste sich und flog auf die kleine Hobbitgruppe zu. Es war keiner der hässlichen Krummschnäbel, sondern eine großer, schwarzer Rabe mit aufmerksamen Augen. Er setzte sich auf den stärksten Ast eines nahen Busches und legte den Kopf schräg. Es war, als lausche er, um ihre Worte besser verstehen zu können.
 
Borko Stolzfuß war immer noch etwas aufgebracht. Um genau zu sein, er ärgerte sich über sich selbst und dass man ihm die überstandene Angst hatte anmerken können. Um seinem Ärger Luft zu machen, ging er auf den Vogel zu und stach mit seinem Gehstock nach ihm.
 
„Verschwinde, du stinkender Rabe, belästige andere Reisende!“, rief er.
 
Der Rabe flog auf und zog gemächliche Kreise weit über ihnen. Merry grinste immer noch, aber Pippin war nicht wohl zumute.
 
„Borko! Weißt du nicht, dass Raben Boten und Späher guter oder böser Wesen sein können? Wir sollten uns lieber auch einem Raben gegenüber freundlich verhalten“, fuhr er den Stolzfuß an.
 
Borko maulte, kam aber zur Besinnung und verhielt sich ruhiger. Der Rabe schien alles verstanden zu haben und landete wieder auf dem Ast, auf dem er vorher gesessen hatte. Merry betrachtete den Rand des Alten Waldes.
 
„Ich hoffe, wir müssen den Wald nicht betreten“, sagte er.
 
Auch Pippin, der, ohne dass es vereinbart war, der Führer der kleinen Gruppe war, hoffte ebenso. Im Innern des Waldes schien es dunkel wie in Moria zu sein. Und an dieses Erlebnis mit Gandalf und den anderen Gefährten dachte er nur ungern zurück.
 
 
 
Aber die drei Burschen waren eben Hobbits, und so schoben sie die düsteren Gedanken und Ahnungen beiseite. Über Schwierigkeiten mochte man nachdenken, wenn man hineingeraten war. Sie setzten sich wieder in Marsch und kamen gut voran. Bald war die Brandyweinbrücke verschwunden, und soweit ihre Augen reichten, war im Süden die dunkle Linie des Alten Waldes zu erkennen. Die Oststraße hielt genug Abstand vom Waldrand, so dass sie sich nicht bedroht fühlten. Auch die Heiterkeit und Helligkeit des Landes zur Linken, das weite Blicke erlaubte, machte die Hobbits froh.
 
Borko fiel es schwer, nicht an die längst überfälligen Mahlzeiten zu denken. Der Magen knurrte ihm, und die Kräfte ließen langsam nach. Die beiden abenteuergeprüften Hobbits vermissten natürlich auch eine gedeckte Tafel. Aber sie wussten, dass dafür das Abendbrot umso besser schmecken würde. Selbst die einfachste Mahlzeit mundete nach einem durchwanderten und durchhungerten Tag wie das leckerste Festessen. Außerdem würde es ihren runden Bäuchen sicherlich gut tun, ein paar Tage zu hungern. Nach dem Marsch nach Bree und zurück würden diese hoffentlich verschwunden sein.
 
„Bisher hat uns dieses Abenteuer nur Ärger und Unannehmlichkeiten eingebracht, die Herren“, machte Borko seinem Unmut Luft. „Wenn wir wieder nach Hause kommen, werden wir uns monatelang von Bauer Maggot fernhalten müssen. Ich ertrage völlig unnötigerweise Hunger und lahme Beine, und die Sonne schein mir schon viel zu lange auf den Kopf. Kann der Herr Tuk vielleicht sagen, wann wir endlich rasten werden?“
 
Pippin ließ ihn maulen, und als es allmählich zu dämmern begann, wurde ihr Reisegefährte immer ruhiger. Ihm wurde bewusst, dass er nicht nur unter freiem Himmel, sondern auch noch in der Nähe des Alten Waldes übernachten würde. Ihm war gar nicht wohl bei diesem Gedanken. Aber das hätte er natürlich niemals zugeben.
 
 
 
Pippin hielt schon seit einiger Zeit Ausschau nach einem geeigneten Platz für die Nacht. Schließlich entdeckte er zu ihrer linken eine kleine Lichtung, nur wenige Schritte von der Straße entfernt. In der Mitte befand sich ein Kreis geschwärzter Feldsteine, eine alte Feuerstelle, mit Asche darin. Zu allem Überfluss lag ein ansehnlicher Haufen Totholz daneben.
 
 „Das ist doch wie für uns gemacht“, sagte Merry.
 
Auch Borko freute sich darauf, endlich ruhen zu können und etwas in den zwickenden Magen zu bekommen. Merry wühlte mit der Hand durch die Asche. Er meinte, einen Rest Wärme zu spüren und fragte sich, warum jemand soviel Feuerholz sammelte, dass er gar nicht brauchte. Aber schließlich verwarf er seine Bedenken. Auch er dachte an ein warmes Essen.
 
 
 
Gefährliche Gestalten
 
 
 
Der Platz lud einfach zum rasten ein, und sie begannen, das Nachtlager herzurichten. Plötzlich war der große Rabe wieder da. Vielleicht hatte er sie auch die ganze Zeit begleitet und sie hatten es bloß nicht gemerkt. Mit seinen klugen, aufmerksamen Augen war er jedenfalls nicht zu verwechseln. Er flatterte wie wild zwischen den Hobbits herum, als er sah, dass hier das Nachtlager errichtet werden sollte.
 
Borko schrie überrascht auf, als eine Schwinge sein Gesicht traf. Er versuchte, den Vogel wieder zu verscheuchen. Aber diesmal hielt der Rabe nicht sicheren Abstand, sondern wich Borkos rudernden Armen geschickt aus und flatterte weiter um die Feuerstelle und die Hobbits herum.
 
„Was hat denn dieser verrückte Vogel?“, rief der Stolzfuß.
 
Die beiden anderen Hobbits standen unschlüssig herum. Auch ihnen kam die Sache nicht geheuer vor.
 
„Vielleicht will er uns davon abhalten, hier das Nachtlager aufzuschlagen.“ Pippin, der, wie ja bekannt ist, trotz seiner Jugend schon eine Menge gesehen hatte, war lieber vorsichtig. „Ich denke, es ist besser, wir halten nach einem anderen Platz Ausschau.“
 
Merry, der sich wie gewöhnlich auf das Urteil seines  Freundes verließ, nickte und begann wieder einzupacken. Borko Stolzfuß sah einen Moment ungläubig zu.
 
„Die Herren Abenteurer werden sich doch wohl nicht von einem verrückt gewordenen Raben Angst einjagen lassen?“
 
Der Rabe hatte Ruhe gegeben, als Merry mit dem Einpacken begann.
 
„Dieser Platz hier ist wie für uns gemacht“, schimpfte Borko weiter. „Ich denke nicht daran, von hier fort zu gehen. Mein Magen knurrt, die Füße tun weh und was für eine Gefahr soll hier schon drohen?“
Pippin war unschlüssig. Die fetten Jahre hatten ihn ein wenig bequem gemacht, und er hatte auch keine Lust mehr, weiter nach einem Rastplatz zu suchen. Trotz seiner Bedenken gab er nach.
 
„Na gut, Borko. Aber wir werden Wachen einteilen in der Nacht.“
 
 
 
Die drei ließen sich wieder um den Steinkreis nieder und entfachten ein kräftiges Feuer. Das Holz würde reichen, um die Flammen die ganze Nacht brennen zu lassen. Die Sonne ging bereits unter, und die Flammen erhellten die Lichtung. Bald war es außerhalb des Feuerscheins duster wie in einer Trollhöhle.
 
Merry putzte das erbeutete Gemüse aus Maggots Beet, während Pippin nach Öl und Gewürzen in seinem Rucksack kramte. Borko machte sich nützlich, indem er seine große Pfanne auf die Ecken dreier Steine über das Feuer stellte. Bald war die Lichtung erfüllt vom Duft gut gewürzten Röstgemüses. Darüber vergaß Borko für einen Moment seine Furcht vor der kommenden Nacht. Dann aber sah er wieder zum Rand der Lichtung und fragte sich, was wohl im Wald hinter den ersten Büschen und Bäumen lauern mochte.
 
Merry und Pippin fürchteten sich nicht. Sie hatten weniger friedliche Nächte in feindlicher Umgebung verbracht und freuten sich regelrecht auf eine weitere Nacht im Freien. Sie begannen laut schmatzend zu speisen. Da der Tag lang und anstrengend gewesen war und sie seit dem ersten Frühstück gehungert hatten, langten sie tüchtig zu.
 
„Wie weit ist es denn noch bis Bree?“, fragte Borko zum Ende der Mahlzeit.
 
Sorgfältig leckte er sein Messer ab. Dann nahm er ein Stück Brot und wischte die Pfanne damit aus. „Übrigens, Herr Tuk, das Essen war vorzüglich. Da macht so ein Abenteuer richtig Spaß.“ 
 
 
 
Der Spaß sollte Borko Stolzfuß allerdings gleich vergehen, denn am Rande der Lichtung knackte es und zwei wild aussehende, große Gestalten traten auf die Lichtung. Sie hatten lange, dunkle, zottige Haare und einen dunklen Teint. Ihre schwarzen Augen glühten und ihre Kleidung war schmutzig und zerrissen. An ihren Gürteln hingen schartige Messer und Kurzschwerter.
 
Es waren Ostlinge, die sich nach der Schlacht von Wasserau immer noch in der Gegend herumtrieben. Ein paar waren in die Wälder gegangen und überfielen hier und da Reisende, die allein oder in zu kleinen Gruppen unterwegs waren. Manche verdingten sich als Knechte auf Gehöften der Menschen östlich von Bree.
 
Borko erstarrte, Merry und Pippin tasteten unauffällig nach ihren Schwertern. Pippin hielt sie eher für Wegelagerer als für Knechte und starrte ins Dunkel, ob sich noch mehr von diesen Strolchen in der Nähe befanden.
 
„Einen guten Abend wünschen wir den Hobbits!“, sagte der Größere in der gemeinsamen Sprache. „Ein Wohlgeruch hat uns vom Weg abgebracht. Wir waren gerade auf dem Weg nach Bree.“
 
Pippin glaubt ihm kein Wort. Schließlich kamen die beiden nicht von der Straße, sondern aus dem Wald. Er stand auf und legte eine Hand auf den Knauf seines Schwertes, zog es aber nicht. Merry und Borko taten es ihm gleich, wobei dem eben noch so großspurigen Stolzfuß die Knie zitterten.
 
Die Ostlinge blieben abwartend stehen, rührten ihre rostigen Waffen aber nicht an.
 
„Oh, das gute Essen ist schon vertilgt, das ist aber schade“, sagte der kleinere Kerl mit dem falschen Rattengesicht.
 
Die Hobbits sahen regungslos zu, wie die beiden Halsabschneider näher kamen und der große Ostling Borkos Pfanne in den Dreck trat. Die Vagabunden beendeten die zur Schau getragene Freundlichkeit und zogen ihre verrosteten aber dennoch gefährlichen Schwerter.
 
„Ist in den Rucksäcken noch mehr zu Essen?“, fragte der Kleinere.
 
„Was fragst Du? Diese kleinen Leute werden uns kaum davon abhalten, selbst nachzusehen“, sagte der Größere, der wohl der Anführer war.
 
Merry und Pippin waren zwar für Hobbits groß und kräftig, dennoch überragten die hageren Strauchdiebe sie um mindestens zwei Köpfe. Sie wichen aber keinen Schritt zurück, sondern beobachteten, wie der Anführer sich bückte, um Merrys Rucksack zu durchwühlen. Sein Kumpan machte das gleiche mit Pippins Gepäck. Borko war weiß vor Angst und zitterte am ganzen Körper.
 
 
 
Die Ostlinge knieten keine zwei Schritte vor den Hobbits und rissen ganze Stücke aus den Brotlaiben und bissen die Hartwürste ab, die sie gefunden hatten. Die beiden kampferprobten Hobbits sahen sich an und wie auf ein verabredetes Zeichen zogen sie ihre Schwerter und brüllten los, als ginge es in eine Schlacht.
 
Die Ostlinge zuckten zusammen und hatten keine Gelegenheit mehr, sich zu rühren. Zwei überraschend kräftige Hiebe mit den flachen Seiten der Schwerter krachten auf ihre Hinterköpfe. Wortlos brachen sie zusammen. Borko Stolzfuß schüttelte sich und machte ein ungläubiges Gesicht.
 
„Ja, das nenne ich mal einen Glückstreffer“, polterte er los. „Wenn ich das ...“
 
„Halt den Mund“, unterbrach ihn Pippin. „Wir packen unsere Sachen und verschwinden.“
 
Merry schob schon in aller Eile die herausgerissenen Sachen in seinen Rucksack. Borko macht den Mund auf, um zu widersprechen, doch Pippin herrschte ihn an:
 
„Die beiden werden gleich aufwachen. Außerdem sind sie ganz bestimmt nicht alleine. In der Nähe sind sicher noch mehr dieser Halunken.“
 
Borko wollte sich zwar nichts von Pippin sagen lassen. Schließlich hielt er Pippin ja für einen Aufschneider. Aber nach kurzem Überlegen befolgte er dennoch dessen Anweisung und bewegte sich wieselflink, um seine Siebensachen zu packen.
 
 
 
Gemeinsam liefen die drei Hobbits mit geschulterten Rucksäcken zur Oststraße. Der Mond schien hell, so dass sie sicheren Trittes vorwärts kamen. Sie waren noch nicht außer Sichtweite der Lichtung, als sie Fluchen und Schreien in ihrem Rücken hörten. Dann war das Getrampel von einer ganzen Bande zu hören, die die Verfolgung aufnahm.
 
„Auf der Straße sind wir nicht sicher“, stieß Pippin keuchend hervor. „Schlagen wir uns südlich der Straße in die Büsche.“
 
„In ... In ... In den Alten Wald?“ Borko schnappte nach Luft. „Da gehe ich nicht mit.“
 
Auch Merry machte ein entsetztes Gesicht. Die Geschichten über Spuk und Zauber und die eigenen Erinnerungen schreckten ihn ab.
 
„Nördlich von uns ist Grasland, da finden wir keine Deckung. Auf der Straße haben uns die Ostlinge gleich eingeholt. Also los!“, entgegnete Pippin. Er lief auf den Waldrand zu, die beiden anderen Hobbits mussten wohl oder übel folgen. So rannten sie keuchend und schwitzend durch das hohe Gras zwischen Straße und Waldrand, Pippin voran, Borko mit klappernder Pfanne am Schluß.
 
 
 
Zwar können sich Hobbits, wenn sie es wollen, völlig geräuschlos bewegen. Sie hinterlassen sogar fast keine Spuren. Das ist übrigens der Grund, warum sie heute kaum noch jemand zu Gesicht bekommt. Das gelingt ihnen aber nicht, wenn sie auf der Flucht vor einer Horde Ostlinge sind, deren Anführer sie gerade einen Hieb auf den Schädel verpasst haben. Daher war es für die Verfolger, insgesamt elf üble Burschen, nur ein kleines Problem, den Hobbits auf der Spur zu bleiben.
 
Zwar verloren sie die drei Halblinge im hohen Gras immer wieder aus den Augen. Da sie aber nur wenige Habseligkeiten am Körper trugen und nicht durch schweres Gepäck behindert wurden, konnten die Wegelagerer umso schneller laufen.
 
Die Halunken starrten vor Dreck. Sie hatten Hunger und daher hatte sie der Essensgeruch rasend gemacht. Auch wenn sie nach der Schlacht von Wasserau gehörigen Respekt vor den Halblingen hatten, mit diesen drei kleinen Gestalten wollten sie schon fertig werden.
 
Pippin brach durch das dichte Gestrüpp des Waldrandes und nach wenigen Schritten wurde das Mondlicht fast vollständig verschluckt. Merry und Borko zögerten einen Moment, traten dann aber auch über die Schwelle, die den Wald von der vertrauten Welt trennte. Auch sie konnten die eiligen Schritte und das Klirren der Waffen der Ostlinge hören, die ihren Spuren folgten.
 
Die Reisegefährten blieben hinter dem dichten Wall aus Unterholz versteckt stehen und beobachteten durch die Zweige, wie ein paar Ostlinge am Rand der Oststraße standen. Die anderen standen im Ried zwischen den Büschen und sahen sich suchend um. Nach ein paar halbgefluchten Worten der Fährtenleser drehten sich die zerlumpten Kerle um und beobachteten den Waldrand. Pippin war es, als könnten diese Halsabschneider sie sehen. Er wusste aber, dass das nicht sein konnte. Immerhin lagen einige hundert Schritte zwischen ihnen.
 
 
 
Die Halunken hatten zu diskutieren begonnen. Einer, wohl der Anführer, zeigte dabei immer wieder auf die Spur im Gras und auf den Waldrand. Die anderen schüttelten die Köpfe und rissen sich los, als er sie zum Wald zerren wollte.
 
„Die haben genau so viel Furcht vor dem Alten Wald wie wir“, flüsterte Merry.
 
„Ja, sie sind bestimmt schon einmal hinein gegangen und wissen, was hier passieren kann“, überlegte Pippin.
 
„Und da fällt den Herren nichts Besseres ein, als sich hier zu verstecken, wo sich womöglich Wölfe und andere Untiere herumtreiben“, nörgelte Borko.
 
„Dann geh’ doch zurück zur Straße, zu den Ostlingen“, schlug Pippin vor, was Borko natürlich nicht tat. Er sah sich aber immer wieder um, und auch Pippin und Merry liefen endlose Schauer über den Rücken, wenn sie in die dichte Dunkelheit des Waldes starrten. Leise Geräusche, Zirpen, Knacken, Rascheln und Wimmern, waren ohne Pause zu hören.
 
Die Ostlinge hatten sich inzwischen getrennt. Drei von ihnen blieben vor Ort, vier gingen nach Westen, fünf nach Osten.
 
„Sie werden die Straße und den Waldrand  beobachten. Wer weiß, wie lange“, sagte Merry.
 
„Können wir nicht in Sichtweite der Straße durch den Wald nach Westen bis zur Brandyweinbrücke und von dort zurück nach Hobbingen gehen? Wir könnten ja nach der Aussaat im Frühjahr noch einmal ...“, fragte Borko.
 
„Oh, der Herr Stolzfuß möchte bei der ersten kleinen Gefahr aufgeben?“, spottete Merry. „Wir können ja auf die selbe Art und Weise Richtung Bree gehen.“
 
„Mach Dich nicht lustig, Merry. Wir befinden uns tatsächlich in der Zwickmühle“, schaltete Pippin sich ein.
 
„Ich glaube nicht, dass wir direkt nach Bree gehen können. Diese Richtung werden die Ostlinge am genauesten beobachten. Schließlich haben sie ja fünf Mann nach Osten geschickt. Und vom östlichen Waldrand ist es noch ein halber Tagesmarsch bis nach Bree.“
 
„Aber dann sitzen wir ja in der Falle.“ jammerte Borko.
 
„Uns bleibt immer noch der Weg durch den Wald“, stellte Pippin fest.
 
Borko und Merry machten große Augen. Aber zumindest Merry sah ein, dass es die einzige Möglichkeit war.
 
„Wir machen für jeden Schritt nach Osten einen nach Süden. Dann kommen wir bei den Hügelgräberhöhen  aus dem Wald“, erklärte Pippin.
 
„Wenn wir sofort aufbrechen, können wir es bis zum Einbruch der kommenden Nacht schaffen. Wir rasten und gehen am Tag durch die Höhen, bis wir auf den Grünweg treffen. Der führt uns nördlich nach Bree.“
 
„Durch die Hügelgräberhöhen? Und ich hatte gehofft, nie wieder dorthin zu müssen“, seufzte Merry.
 
„Und Tom Bombadil ist sicher schon in den unsterblichen Westen gegangen. Sonst würden wir ihn und Frau Goldbeere vielleicht treffen.“
 
Die beiden sahen Borko an, der sich fügen musste, wollte er nicht alleine nach Hobbingen zurückgehen.
 
 
 
Auch Pippin hatte gehofft, nie mehr in die Nähe der Hügelgräber zu kommen. Wären sie doch beinahe in einem der Gräber von einem Unhold umgebracht worden. Aber schließlich wollten sie den finsteren Ostlingen nicht in die Arme laufen. Wenn sie nicht wieder den Lockrufen eines Geistes folgten und eines der Gräber der Kriegerfürsten betraten, würde alles gut gehen.
 
Durch die dichten Baumkronen waren der Mond und ein paar Sterne gerade noch zu erkennen, so dass die Hobbits die Richtung bestimmen konnten, in die sie gehen mussten. Pippin ging voran. Vorsichtig tasteten sie sich in den Wald, der sie beinahe mutwillig mit Dornenranken in die Gesichter peitschte und ihnen mit seinen Wurzeln ein Bein zu stellen schien. So quälten sie sich Meile um Meile vorwärts und waren bald im Gesicht arg zerkratzt und hatten zahlreiche blaue Flecken an den Beinen
 
Eine Fackel zu entzünden wagten sie nicht. Vielleicht verfolgten die Halsabschneider sie doch. Und wer wusste schon, was für Gezücht sie mit dem hellen Schein einer Fackel anlockten?
 
Sie hatten gerade ein paar Minuten Rast gemacht und dann die Rucksäcke wieder stöhnend geschultert. Nach ein paar Schritten durch die Finsternis blieb Pippin stehen. Merry und Borko liefen in ihn hinein. Pippin schimpfte leise und fragte:
 
„Habt ihr das auch gehört? Ein Schaben, wie die Beine großer Insekten auf hartem Holz?“
 
„Ich weiß nicht genau“, sagte Merry. Er hatte das Geräusch durchaus gehört, wollte sich aber ungern vorstellen, was sich dahinter verbarg.
 
Von dort, wo Borko Stolzfuß stehen musste, kam ein wimmerndes Geräusch aus der Dunkelheit. Die Hobbits standen ein paar Herzschläge lang still, aber nichts war mehr zu hören. Schließlich nahmen sie wieder den Kampf gegen raue Äste und Wurzeln auf, die nach ihnen zu greifen schienen. Sie waren kaum ein paar Schritte gegangen, als Merry anhielt und sagte: „Jetzt habe ich es auch gehört.“
 
Borko wimmerte wieder, dann war alles still. Bei Merry und Pippin stellten sich die Nackenhaare auf. Sie lauschten wieder in die undurchdringliche Finsternis hinein. Knacken, Rauschen, leises Wispern war zu hören. Kleine Tiere, die durch Blätterhaufen liefen, Wind in totem Laub, Stämme, die knarrend aneinander rieben. Aber das Schaben war wieder verschwunden.
 
Unruhig trat Borko von einem Fuß auf den anderen. Da war es wieder! Ganz kurz nur und sofort herrschte Stille. Die Hobbits hatten das Gefühl, von großen Spinnen oder anderem eklen Getier umstanden zu sein. Große schwarze Augen beobachteten sie vielleicht und überlegten, ob diese drei kleinen Wesen wohl gute Nahrung für die Brut seien.
 
 
 
„Wir wollen uns an den Händen fassen und vorsichtig weitergehen“, entschied Pippin. Er tastete nach Merrys Hand, die kalt war und zitterte. Auch Merry suchte nach Borkos Hand, als das Scharren wieder zu hören war. Als wenn zwei gekreuzte Fangzähne aneinander gewetzt wurden! Da hatte Merry einen Einfall.
 
„Borko!“, flüsterte er. „Komm an mir vorbei und gehe du hinter Pippin. Ich werde am Ende gehen.“
 
Borko folgte mit zitternden Beinen der Aufforderung. So musste er wenigstens nicht am Ende gehen. Sicher wäre er sonst der erste, den die riesigen Fangzähne erwischten.
 
Die Hobbits hatten bald so etwas wie eine Lichtung erreicht. Ein größeres Stück Himmel war zu sehen und keine Bäume in Reichweite der Arme zu ertasten. Die Hobbits kamen einige Schritte gut voran. Als das Geräusch, das sie verfolgte, noch deutlicher zu hören war, tastete Pippin nach dem Griff seines Schwertes. Da hörte er Merry kichern.
 
„Bist du verrückt geworden, Merry? Was gibt es da zu lachen?“, zischte Borko, um seiner Anspannung Luft zu machen. Auch Pippin schimpfte:
 
„Wir haben gerade andere Sorgen, Merry. Sei endlich still!“
 
Doch Merry kicherte weiter.
 
„Ich weiß, welches gefährliche Untier uns verfolgt“, gluckste er.
 
Die anderen waren erstaunt, schüttelten in der Dunkelheit ungläubig die Köpfe und warteten gespannt auf die Lösung des Rätsels.
 
„Es ist Borkos Pfanne!“
 
Borko und Pippin dachten für einen Moment, Merry sei wirklich verrückt geworden Borko fühlte, wie Merry sich an seinem Rucksack zu Schaffen machte. Das Schaben war jetzt wieder zu hören.
 
„Borkos Pfanne ist nicht richtig festgezurrt. Sie schabt über die Schnalle des Verschlusses“, sagte Merry. „Hört mal!“
 
Das Geräusch ertönte jetzt im Rhythmus eines bekannten Kinderliedes. Da fiel die Spannung auch von den beiden anderen Hobbits ab.
 
„Borko, du Trottel von einem Stolzfuß!“, schimpfte Pippin. Borko wollte zurückmaulen, aber dann begannen alle drei zu kichern. Um nicht laut zu lachen, hielten sie die Hände vor die Münder und prusteten leise. Deshalb war also das Geräusch nie zu hören gewesen, wenn sie still gestanden und gelauscht hatten.
 
 
Erleichtert stellten sie fest, dass auch der Himmel langsam heller wurde. Merry und Pippin wussten zwar, dass es im Alten Wald nie ganz taghell werden würde. Aber wenigstens könnten sie sehen, welche Äste und Wurzeln ihnen im Weg waren und so schneller vorankommen. Merry machte sich an den Bändern von Borkos Rucksack zu schaffen und befestigte die Pfanne ordentlich.
„Jetzt aber vorwärts, Freunde!“, forderte Pippin.
 
Er wusste, sie mussten tüchtig marschieren, wollten sie nicht noch eine Nacht im Wald verbringen. Die drei Hobbits wandten sich endlich wieder nach Südosten, als ein gewaltiger Schreck sie zusammenfahren ließ.
 
 
 
Der traurige Elb
 
 
 
Die Umrisse einer hochgewachsenen, schlanken Gestalt waren am anderen Ende der kleinen Lichtung zu erkennen. Eine Fackel flackerte auf und wurde in die Höhe gehalten. Sie beleuchtete ein schrecklich entstelltes Gesicht, durch das mehrere tiefe Narben liefen. Eine Augenhöhle war leer und schwarz. Das Gesicht verzog sich, und die Hobbits schrien laut auf, als die große Gestalt in dem langen Umhang einen Schritt auf sie zuging. Dann erkannten sie im Fackelschein langes blondes Haar, aus dem zwei spitze Ohren hervorstanden. Das verbliebene Auge zwischen den Narben sah unendlich traurig drein.
Pippin fasste sich als erster:
 
„Ihr seid Arbael, der traurige Elb?“, fragte er und verbeugte sich als der Elb nickte.
 
„Ihr kennt meine Geschichte, das ist gut. So muss ich mich nicht erklären und tiefe Narben berühren“, sagte er mit der wohlklingenden Stimme der Elben. Er gebrauchte die gemeinsame Sprache.
 
Auch Merry und selbst Borko kannten die Geschichte von Arbael. Der traurige Elb wurde er genannt. Er war ein Waldelb und hatte mit seiner ganzen Sippe auf den Pelennor–Feldern gegen Sauron und seine schrecklichen Heerscharen gekämpft. Alleine hatte seine Sippe eine Bresche in den Reihen der Elben und Menschen gegen einen mächtigen Säbelzahn gehalten. Sie opferten sich bis auf einen letzten Mann auf, bis die Verteidigungslinie durch Entsatz geschlossen werden konnte.
 
Dort, mitten im Chaos, stand nur noch Arbael, im Blut seiner Familie, die der Säbelzahn mit seinen mächtigen Reißzähnen und eisenbewehrten Krallen hingemetzelt hatte. Arbael war bereits jenseits von Leben, Tod und Traum, als das Untier zum letzten Schlag ausholte. Ohne Empfindung hatte Arbael den Bogen gehoben. Kämpfer aus den Reihen des herbeieilenden Entsatzes berichteten später, dass er den Elbenbogen spannte, bis er zu zerbrechen drohte. Er zielte  mit der Seelenruhe eines Todgeweihten und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Pfeil die Sehne verließ und den Säbelzahn ins Auge traf. Der fiel, als habe Morgoth selbst ihm die Lebenskraft entzogen, die er ihm einst verliehen hatte.
 
 
 
Aber der letzte Schlag der Pranke mit den vier Doppelklingen traf Arbael noch. Er verwandelte sein schönes Elbengesicht in eine öde Wüste aus zerfetztem und zerrissenem Fleisch. Doch Arbael blieb reglos stehen. Der Verlust seiner Sippe hatte ihn gelähmt und er wollte den Anverwandten folgen.
 
Man brachte ihn sofort zu einem der Heiler in Minas Thirith, die wenigstens ein Auge retten konnten. Aber sein Gesicht blieb entstellt, hässlich anzusehen, für jedermann eine quälende Erinnerung an die grausame Schlacht. Arbael, der Sieger diese Kampfes Auge um Auge, wie man ihn ehrenvoll nannte, gewann seine Lebenskräfte zurück. Aber nie verschwand dieser unendlich traurige Ausdruck in dem ihm verbliebenen Auge. Seine Gefährtin, seine Söhne, alle Verwandten hatte er verloren.
 
Viele anderen Sippen boten ihm einen ehrenhaften Platz in ihrer Mitte. Aber Arbael konnte in ihren Gesichtern den Schrecken der Erinnerung lesen, wenn sie ihn ansahen. Und das würde ihn jedes mal aufs neue an seinen eigenen Verlust erinnern.
 
Eines Tages ging er ohne ein weiteres Wort. Er erhob sich von seinem Krankenlager, legte die Verbände der nahezu verheilen Wunden ab, packte sein Schwert und etwas Proviant in einen Rucksack und ging ohne ein weiteres Wort. Seinen Bogen und seinen leeren Köcher ließ er am Krankenlager zurück. Er wollte fortan alleine sein und niemanden mehr mit seinem Anblick erschrecken. Seine Spur verlor sich vor dem Nebelgebirge. Niemand hatte ihn je wieder gesehen.
 
 
 
„Kommt in mein Haus, Wanderer! Ich sehe, ihr seid hungrig und verängstigt. Bei mir könnt ihr ausruhen“, sagte Arbael und ging wortlos in den Wald hinein. Er sah sich nicht um, ob die drei ihm folgten.
 
Die Hobbits sahen sich an und nickten. Was machte schon ein zernarbtes Gesicht, wenn sich dahinter Güte und Freundlichkeit verbargen? Inzwischen war es auch hell genug, ein paar Schritte weit zu sehen, und so folgten sie ihm sicheren Schrittes. Arbael schlug immer wieder Haken und ging mal in südliche, mal in östliche Richtung, dann wieder ein Stück nach Norden. Der traurige Elb schwieg, aber die Hobbits fühlten, dass sie in seiner Nähe nicht in Gefahr waren.
 
Der Marsch dauerte einige Stunden. Vor Arbael tat sich auf wunderbare Weise ein Weg auf, den ein unwissender Wanderer nicht hätte erkennen können. Weder Äste noch Dornenranken schlugen den Hobbits entgegen, keine Luftwurzeln griffen nach ihren Füßen, um sie zum Straucheln zu bringen. Dennoch war der Marsch anstrengend, denn der Elb schritt kräftig aus und schien unermüdlich zu sein. Die Sonne stieg höher, und auch wenn es im Wald sehr schattig blieb, so schien auf dem geheimen Pfad die Sonne nicht selten durch die Kronen. Die Hobbits schwitzten, folgten aber ihrem Führer unbeirrt. Sie waren so außer Atem, dass keine Gespräche mehr zustande kamen, und sich der Zug schweigend durch den Wald bewegte. Pippin war nur froh, dass der Weg sie ungefähr nach Osten führte, also auf die Hügelgräberhöhen zu.
 
 
 
Plötzlich lichtete sich der Wald und vor ihnen erhob sich eine steinerne, raue Felswand, die den großen Elb um das vierfache überragte. Es war ein felsiger Ausläufer der Hügelgräberhöhen, die nun querab im Osten lagen. Wie ein langer, unregelmäßiger Dorn ragte die Felsformation von den Höhen in den Alten Wald hinein.
 
„Folgt mir!“, sagte der Elb und stieg die fast senkrechte Felswand hoch, als sei er ein Salamander. Die Hobbits waren sehr verwundert.
 
„Wie sollen wir das denn schaffen?“, fragte Borko, der immer noch sehr eingeschüchtert durch die Gegenwart eines Elben war. Es war der erste, den er je sah.
 
Hoch über dem weichen Waldboden verschwand Arbael. Dann tauchte sein zernarbtes Gesicht wieder auf und sah über einen Vorsprung hinunter. Er musste auf einem Sims oder ähnlichem angekommen sein. Die Hobbits starrten die Felswand an. Wie war der Elb ohne Leiter oder Stufen hinaufgelangt?
 
„Geht näher an den Felsen heran“, rief Arbael den Hobbits zu. Sie traten vor, standen jetzt nur noch zwei Schritte vor der Felswand und erkannten immer noch nicht, wie der Elb sein Kletterkunststück vollbracht hatte.
 
„Erkennt ihr die dünne Ader Glimmerstein im Felsen?“, kam die Elbenstimme von oben.
 
Pippin und seine Gefährten näherten die Augen der Felswand bis auf einen halben Schritt. Tatsächlich erkannten sie eine daumendicke Spur des glänzenden Gesteins in der ansonsten dunkelgrauen Wand. Sie tasteten sie mit den Händen ab. Die Spur führte lotrecht nach oben.
 
„Links und rechts davon findet ihr kleine Spalten, die ebenfalls mit Glimmerstein gefüllt sind. Sie helfen euch nach oben.“
 
Und wirklich, als die HobbitsHHHH die regelmäßige Folge der Griffe und Tritte entdeckten, erschien wie aus dem Nichts ein bequemer Klettersteig nach oben. So war der Aufstieg leicht zu bewältigen. Pippin kletterte voran, die beiden anderen Hobbits folgten.
 
Oben angekommen stellten sie fest, dass Arbael nicht einfach auf einem schmalen Sims stand, sondern vor dem Eingang in eine natürliche Höhle. Er führte seine kleinen Gäste hinein, und die waren erstaunt. Die Wände bestanden fast ausschließlich aus Glimmerstein und warfen das Feuer, dass Arbael auf geheimnisvolle Art zum Brennen brachte, warm zurück.
 
 
 
Die Höhle war überraschend geräumig und heimelig eingerichtet mit verschiedenen Sitzmöbeln. Im hinteren Bereich standen sogar einige Bettlager, was nicht nur Pippin verwunderte. Nahe dem Eingang und beim Feuer stand ein fester Tisch, auf dem Arbael bereits ein Mahl aus frischen Pilzen und Früchten des Waldes zubereitete.
 
Die Hobbits nahmen ihre Rucksäcke ab, stöhnten vor Erleichterung und ließen sich nahe bei Arbael auf gemütlichen Hockern aus Birkenästen nieder.
 
„Sagt, trauriger Elb, für wen sind die vielen Lager in Euer Höhle?“, konnte Merry seine Neugier nicht mehr im Zaum halten. 
 
„Ihr drei seid nicht die ersten verirrten Wanderer, die in die Nähe meines Zuhauses kommen. Manche habe ich hereingebeten. Manche, wie die Ostlinge, nicht.“
 
Die Hobbits mochten sich nicht vorstellen, was er mit Leuten gemacht hatte, die auf der Seite derer gekämpft hatten, die seine Sippe ausgelöscht hatten.
 
„Nennt mir Eure Namen!“, forderte er sie auf.
 
Pippin erhob sich.
 
„Peregrin Tuk aus dem Auenland, hocherfreut.“ Nach einer Verbeugung setzte er sich wieder.
 
„Meriadoc Brandybock aus dem Auenland, zu Euren Diensten, Herr Arbael.“ Auch Merry war höflich aufgestanden.
 
Nun war Borko an der Reihe, stand auf und errötete.
 
„Stolzfuß, Borko Stolzfuß“
 
Der Elb nahm die Vorstellungen höflich dankend entgegen. An Pippin und Merry gewandt, sagte er:
 
„Ich habe Eure Namen nach der Ringschlacht gehört. Von Euch wurde sehr ehrenvoll berichtet. Also kann ich Euren Gefährten ebenfalls als Ehrenmann betrachten.“
 
Borko wusste nicht, ob er das als Kompliment auffassen sollte oder nicht. Es machte großen Eindruck auf ihn, dass die beiden Hobbits, die er bisher als Aufschneider bezeichnet hatte, von einem solch berühmten Helden ehrenvoll behandelt wurden.
 
„Wohin wart ihr des Wegs, als diese Beutel- und Halsabschneider aus dem Osten euch überfallen wollten?“, fragte der Elb.
 
„Wir waren auf dem Weg nach Bree, um einem alten Freund Guten Tag zu sagen“, antwortete Pippin.
 
„Wir wussten nicht, dass sich noch soviel böses Volk herumtreibt“, warf Merry ein.
 
„Die Zahl der Ostlinge war sogar noch größer, als ich mich hier niederließ,“ sagte Arbael. „Etwa ein Dutzend hat einmal versucht, tief in den Wald einzudringen. Ihnen bin ich nicht beigestanden und habe sie den Schatten des Alten Waldes überlassen. Seitdem habe ich hier meine Ruhe vor ihnen.“
 
Den Hobbits schauderte es.
 
 
 
„Was Euch betrifft: Was gedenkt ihr jetzt zu tun?“
 
Arbael hatte es während des Gesprächs geschafft, ein reichliches Mahl zu bereiten. Auf den Tellern befanden sich geschmortes Gemüse mit Pilzen und kalter Braten. Aus einem Steinkrug goss Arbael ihnen frisches Quellwasser in die Becher. Die Hobbits machten sich schmatzend und fingerleckend darüber her.
 
„Wenn wir uns dank Eurer Güte gestärkt haben, möchten wir durch die Hügelgräberhöhen nach Bree gelangen. Auf der Oststraße treiben sich zu viele Halunken herum, darum müssen wir sie umgehen“, sagte Pippin.
 
„Wie ihr zu den Höhen gelangt, ist leicht zu erklären.“ Arbael machte eine Pause. „Ich nehme an, Ihr wisst Bescheid über die Gräber?“
 
„Oh ja“, antwortete Pippin. „Ohne den alten Tom Bombadil wäre es uns einmal schlecht ergangen.“
 
Arbael nickte.
 
„Schlaft Euch aus und geht morgen bei Tagesanbruch los. Am Fuße dieses Felsens geht ihr nach Westen. Ihr werdet noch vor Einbruch der Dunkelheit den Waldrand erreichen. Rastet dort, denn ihr müsst die Höhen ohne Pause durchqueren. Die Zahl der Geister in den Gräbern ist sehr groß geworden. Die Alten sind erschrocken über so viele Ankömmlinge nach den Schlachten des Ringkrieges. Und die Grabunholde geben immer noch keine Ruh.“
 
Wenn möglich, wurde der Ausdruck seiner Augen bei dieser Rede noch trauriger. Er stand auf und blickt auf die Hobbits herab.
 
„Geht unter keinen Umständen in ein Grab. Hütet Euch in der Nacht vor Verlockungen. Geht früh morgens los, dann könnt er ihr es schaffen, die Hügelgräberhöhen noch bei Tageslicht zu verlassen.“
 
Er sah erst Merry und Pippin streng an, dann verweilte sein Auge etwas länger bei Borko. Er sprach aber zu allen, als er sagte:
 
Lasst Euch nicht von der Aussicht auf Gold und Schätze in die Irre führen.“
 
Borko errötete, als sei er bei einem verbotenen Gedanken ertappt worden.
 
 
 
„Schlaft jetzt!“, forderte Arbael sie auf, und die Hobbits merkten wie müde sie nach der durchwachten Nacht und dem langen Marsch waren. Auch die reichliche Mahlzeit drückte schwer auf die Augenlider.
 
 
 
Die Lager waren erstaunlich bequem und es dauerte nur kurze Zeit, bis alle drei Hobbits schliefen. Merry und Pippin schlummerten ruhig und friedlich. Schneller, als es ihnen bewusst war, hatten sie sich wieder an das Leben unterwegs gewöhnt. Es war, als hätten sie nach ihren letzten Abenteuern nur eine etwas längere Pause eingelegt.
 
Borko Stolzfuß warf sich unruhig hin und her. Der traurige Elb ging in den hinteren Teil der Höhle und beugte sich über den Hobbit. Lange sah er ihn an, erforschte seine Träume und schüttelte langsam den Kopf. Hinter Borkos Augen entstanden Bilder von Grabkammern, reich gefüllt mit Gold und Juwelen, wertvollen Waffen und Kronen längst vergessener Fürstentümer. Er sah sich auf einem  verzierten Thron in einem goldenen Palast sitzen. Oder war es eine Höhle? Mit seinen unermesslichen Schätzen war er der Herr über das Auenland. Richtend hob er die Hand über zwei Hobbits, die ehrfürchtig vor ihm standen.
 
Arbael berührte mit den Fingerspitzen Borkos Schläfen. Der Hobbit hörte auf, sich herumzuwälzen, sein schwerer Atem wurde leichter. Den Rest der Nacht schlief Borko traumlos und erholsam.
 
 
 
Bei Sonnenaufgang weckte Arbael die Hobbits auf. Sie hatten den Rest des Tages und eine ganze Nacht geschlafen. Der Duft heißen Tees aus vielen bekannten und unbekannten Kräutern half den verschlafenen Wanderern auf die Beine. Arbael hatte auch frisches Brot bereitet. Es war rund und flach, denn der Elb hatte es auf einem heißen Stein gebacken. Die Butter dazu hatte er mit frischen Kräutern vermengt und gesalzen. Ein solches Frühstück mundete den Hobbits vorzüglich.
 
„Wie können wir Euch für Eure Gastfreundschaft danken, Herr Arbael?“, wollte Pippin wissen. Auch Merry und Borko hatten aufgegessen und sahen den Elben an.
 
„Wenn ihr Elben seht, erzählt ihnen, Arbael der Traurige hat seinen Platz und seinen Frieden gefunden“, erbat er nach kurzem Nachdenken.
 
Die Hobbits versicherten ihm, davon und von seiner Gastfreundschaft zu berichten.
 
„Nun macht euch reisefertig. Ihr habt einen langen Weg vor euch, bis ihr an den Rand des Waldes kommt.“
 
So packten die Hobbits ihre Rucksäcke. Pippin sorgt dafür, dass Borkos große Pfanne fest verzurrt war.
 
„Diesmal wird uns Dein Kochgerät keine Angst bereiten, Borko Stolzfuß“, lachte er.
 
Borko reckte sich und stöhnte. Der ungewohnt lange Marsch des Vortages hatte ihm einen schlimmen Muskelkater beschert.
 
 
 
„Ich kann Euch nicht begleiten, aber ich werde über euch wachen. Ich wünsche euch einen guten Weg!“ Damit entließ Arbael die drei Hobbits, die ihren Dank wiederholten und sich mit höflichen Verbeugungen verabschiedeten.
 
Inzwischen war es auch hell genug, die Stiege im Felsen zu erkennen. Pippin machte den Anfang mit der Kletterei und kam sicher unten an. Merry folgte eilig und übersprang die letzten drei Stiege. Er landete mit seinen behaarten Füßen nur knapp neben Pippin.
 
„Hoppla!“, sagte er und Pippin stieß ihn an. „Wir sind noch gar nicht losgegangen, Herr Brandybock. Und schon wirst du unvorsichtig.“
 
Ein großer Rabe, dessen Gefieder blau in der Morgensonne glänzte, flog in der Nähe auf und begann über der Klippe zu kreisen. Dabei schimpfte er krächzend über die Störung. Merry grinste ihm hinterher.
 
„Wenn ich schon so früh aufstehen muss, sollen die anderen Waldbewohner es auch tun.“
 
Pippin blickte nachdenklich drein.
 
„Wer weiß, was das für Waldbewohner sind. Herr Arbael hat nicht gesagt, dass er alles Gezücht aus dem Wald vertrieben hat.“
 
Borko kam endlich unten an, und wie um Pippin zu bestätigen, sah Arbael vom Höhlensims hinunter und rief:
 
„Bleibt immer in der Nähe des Felsens. Geht nicht zu tief in den Wald.“
 
Damit verschwand er in seiner Wohnhöhle und die Hobbits wandten sich nach Westen.
 
 
 
Am Fuß des Felskeils zu wandern war nicht so beschwerlich wie der Marsch in der letzten Nacht mitten durch den Wald. Bäume und Gestrüpp hielten Abstand zum Felsen. Borkos Muskelkater ließ nach einigen Halbstunden nach. Allerdings fanden alle drei Hobbits es bedrückend, linker Hand immer die hohe Felswand zu haben, die ihnen keinerlei Ausweichmöglichkeit ließ. Der Wald zur Rechten war dicht und dunkel. Die Geräusche, die aus ihm drangen, waren zwar leiser als in der Nacht. Aber es waren keine vertrauten Geräusche, wie die Hobbits sie aus den Wäldchen und Hainen des Auenlandes kannten. Da sie aber gut vorankamen, blieben sie guter Dinge.
 
Schon kurze Zeit nach dem Aufbruch hatte Pippin gemerkt, dass sie verfolgt wurden. Ein großer Rabe saß manchmal auf Zweigen in der Nähe des Felsen und flatterte mit seinen bläulich glänzenden Flügeln. Ab und an verschwand er in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Bald war er wieder da und wurde so zu einem ständigen Begleiter der drei Hobbits.
 
Um die Mittagszeit befahl Pippin eine kurze Rast. Sie wagten nicht, ein Feuer zu entfachen, aus Angst, unliebsame Aufmerksamkeit zu erregen. Die Hobbits begnügten sich mit Wasser und den flachen Broten, die Arbael ihnen mitgegeben hatten. Es war zwar kein Lembas, aber es schmeckte noch genauso frisch wie am Morgen. Ein paar Äpfel aus dem Auenland machten die Mahlzeit komplett.
 
 
 
„Wir werden verfolgt“, sagte Pippin, als sie sich nach dem Essen über die schon nicht mehr so runden Bäuche strichen. Borko sprang vor Schreck auf und sah sich mit wilden Kopfbewegungen um.
 
„Beruhige dich, Borko, es ist ein Vogel, der uns folgt“, sagte Merry und zeigte auf den großen Raben, der in der Nähe auf dem Boden hockte und darauf wartete, sich über ihre Krümel herzumachen.
 
„Das ist doch der gefiederte Bursche, den ich heute morgen aufgeschreckt habe“, sagte Merry. „Er folgt uns also schon seit Arbaels Höhle.“
 
„Ach was, ein Rabe sieht doch wie der andere aus“, meinte Borko.
 
Die überwundene Gefahr der letzten Nacht, die Ruhe in Arbaels Höhle und das gute Vorankommen am Tag hatten ihn wieder mutig gemacht. Schließlich war den ganzen Vormittag lang nichts ungewöhnliches geschehen. Die Sonne schien durch die Baumwipfel, der Felsen warf die Wärme zurück.
 
„Benimm Dich nicht wie ein Hasenfuß, Herr Brandybock.“
 
„Nicht vor dem Raben sollten wir uns fürchten, sondern vor der Gefahr, wegen der Herr Arbael ihn uns mitgesandt hat. Er hat schon einmal versucht uns zu warnen, wie du vielleicht weißt“, gab Merry zu bedenken.
 
„Arbael hat versprochen über uns zu wachen. Ich bin mir fast sicher, dass der Rabe sein Späher und Bote ist“, sagte Merry.
 
Borko verstand nicht, wie ein Vogel Bericht erstatten oder gar jemand herbeirufen könne. Die Hobbits diskutierten noch eine Weile, dann drängte Pippin zum Aufbruch. Bald waren die Wanderer wieder im Tritt. Ihre Gespräche schliefen schnell ein, und im Laufe des Nachmittags begannen ihre Kräfte nachzulassen. Borko fing als erster an zu stöhnen und zu grummeln. Immer öfter zerrte er an den Gurten seines Rucksacks, um sich für einen Moment Erleichterung zu verschaffen.
 
 
 
Die Sonne sank immer tiefer und verfärbte sich ins Orange. Borko, der an diesem Tag zum ersten Mal zu spüren bekam, was es hieß, zu laufen, so lang die Sonne Licht gab, wurde immer stiller. Auch Merry und Pippin machten sich Sorgen, ob sie, wie Arbael gesagt hatte, dem Wald vor Sonnenuntergang den Rücken würden kehren können. Schließlich blieb Borko stehen, ließ sich mit einem Plumps zu Boden fallen und streckte seine behaarten Füße aus.
 
„Ich kann nicht mehr. Der Elb hat die Wegstrecke sicher nach seinem Schritt bemessen. Wir werden es heute nicht schaffen. Da können wir genauso gut jetzt Rast machen.“
 
Merry und Pippin blieben ebenfalls stehen, setzten sich aber nicht.
 
„Wenn Arbael gesagt hat, wir schaffen es, dann ist das auch so. Hoch mit Dir, alter Stolzfuß. Mach deinem Namen Ehre!“, versuchte Pippin ihn zu ermuntern.
 
Borko deutete mit der Hand nach Osten.
 
„Der Wald wird nicht lichter, sondern immer dichter. Der Felsen wird immer höher. Es kann noch lange dauern, bis wir hier herauskommen“, jammerte er und machte keine Anstalten aufzustehen.
 
Pippin war ebenfalls müde und hatte keine Lust zu streiten.
 
„Ich denke nicht, dass du alleine im Wald bleiben willst, wenn es dunkel wird. Wenn es sein muss, kann man an einem einzigen Tag noch viel weiter gehen, nicht wahr Merry?“, sagte er, drehte Borko den Rücken zu und ging weiter.
 
Merry fühlte sich an den schrecklichen Marsch mit den Orks über die weiten Ebenen Rohans  erinnert und nickte. Er bot Borko die Hand, die diese ergriff und zog ihn hoch. Schweigend gingen sie hinter Pippin her.
 
 
 
Rabe und Krähe
 
 
 
Zu ihrer großen Überraschung brauchten sie nur noch wenige Schritte gehen, bis sie den Waldrand erreichten. Borko hatte zwar recht, dass der Wald dichter wurde: Es war das Unterholz an seinem Rand, mit dem er sich vor Blicken und Eindringlingen zu schützen suchte.
 
Die Hobbits hatten es schwer, sich durch einen großen Ginsterbusch zu kämpfen, der bis dicht an die Felswand reichte und sie von dem offenen Land vor den Hügelgräberhöhen trennte. Merry, der einige Zweige mit dem Schwert weghacken wollte, bekam einen dicken Zweig ins Gesicht, stolperte und fiel auf den Hosenboden. Borko lachte hämisch auf, aber auch ihm erging es nicht besser. Ständig schnellten neue Zweige und Äste in die Lücke, die sie gerade erst geschnitten hatten. Es war, als wolle der Alte Wald die Hobbits nicht entweichen lassen. Schließlich spuckt er sie förmlich aus. Der Ginsterbusch gab nach, und die drei Hobbits stolperten ins Licht der zur Hälfte untergegangenen Sonne.
 
Vor ihnen, gegen Osten, erstreckte sich das weite Hügelland. Die Sonne, die gerade noch über die Baumwipfel schien, tauchte die ineinander übergehenden Linien der flachen Kämme in ein gelbliches Schimmern. Die Oststraße war im Zwielicht nicht zu sehen, musste sich aber irgendwo im Norden befinden. Das Licht behagte Pippin nicht. Anders als im Auenland tauchte die untergehende Sonne die Landschaft nicht in eine goldene Wärme. Das gelbliche Licht bedeckte das Land wie ein ungesunder Schleier, beinahe wie ein Schimmelpilz verdorbene Speisen überzieht, die vor Wochen in der Speisekammer vergessen worden waren.
 
Auf den Kuppen waren vereinzelt grasüberwachsene, runde Erhebungen zu sehen. Borko Stolzfuß starrte hinüber. Für einen Moment glaubte Pippin, einen gierigen Gesichtsausdruck in seinem Gesicht zu sehen. Dennoch waren die Hobbits froh, den langen Weg durch den Alten Wald geschafft zu haben. Nachdem sie seine Gefahren und düsteren Geheimnisse hinter sich gelassen hatten, erschienen ihnen selbst die Hügelgräberhöhen einladend.
 
 
 
„Bei Tageslicht sehen die Höhen fast freundlich aus“, sagte Merry. „Aber wenn ich daran denke, wie im Nebel die Grabwichte aus den Hügelgräbern kamen und uns schnappten, wird mir ganz seltsam zumute.“
 
Pippin nickte.
 
„Wir gehen noch ein paar Schritte. Seht ihr, wo auf halbem Wege zwischen Waldrand und dem ersten Anstieg der kleine Bachlauf glitzert?“
 
Merry und Borko folgten mit den Augen Pippins ausgestrecktem Arm und nickten.
 
„Dort wollen wir für die Nacht unser Lager aufschlagen. Nicht zu nahe am Wald aber auch noch nicht zu nah an den Hügelgräbern. Packt Euch die Arme voll Holz, dann können wir über Nacht ein Feuer brennen lassen.“
 
Die Hobbits sammelten am Waldrand auf, was an Brennbarem herumlag. Dann gingen sie das letzte kleine Stück und begannen das Nachtlager herzurichten. Die letzten Sonnenstrahlen erhellten ein trügerisch friedliches Bild: An einem kleinen, klaren Bachlauf inmitten von grünem, stoppeligen Gras, zwischen Waldrand und einer sanft ansteigenden, ebenfalls grasgrünen Hügelflanke lagerten die drei kleinen Gestalten um ein gemütliches Feuer.
 
Die Reisegefährten fühlten sich aber gar nicht richtig wohl. In der beginnenden Dämmerung rückten die Umrisse der Hügelgräberhöhen und der düstere Rand des Alten Waldes bedrohlich nahe. Auch dass der Wald sich gewehrt hatte, als sie ihn verlassen wollten, gab den Hobbits noch zu denken.
Da ihre Wasserflaschen schon halb leer waren und noch ein anstrengender Tag auf sie wartete, tranken sie nur wenig. Dabei hatte sie der lange Marsch durstig gemacht, und der Kampf gegen den Ginsterbusch hatte sie noch einmal erhitzt. Sie trauten sich aber nicht, Wasser aus dem Bach zu trinken, der womöglich im verhexten Wald entsprang oder im Norden einem Hügelgrab zu nahe kam.
 
 
 
Plötzlich flatterte etwas großes, schwarzes über ihnen herum. Die Hobbits zuckten zusammen und griffen nach ihren Schwertern.
 
„Es ist wieder der Rabe, der uns nun schon den ganzen Tag folgt und dem wir auch an der Brandyweinbrücke und beim ersten Nachtlager begegnet sind“, sagte Borko.
 
Er griff nach einem halb verkohlten Ast, der aus dem Feuer ragte und wollte ihn nach dem Vogel werfen, der sich inzwischen in den kleinen Wasserlauf auf einen glattpolierten Kiesel gestellt hatte. Pippin hielt Borkos Arm fest.
 
„Warte!“
 
Der Rabe beugte mehrmals seinen Schnabel ins Wasser und trank. Dazwischen sah er sie aus schwarzen Knopfaugen an, als wolle er eine Aufforderung aussprechen.
 
„Arbael wacht seit der Brücke über uns und tut es immer noch. Daran glaube ich jetzt ganz fest“, sagte Pippin, stand auf und ging mit seinem Trinkbecher an den Rand des Wasserlaufes.
 
Er tauchte seinen Becher in das klare, kühle Wasser, während der schwarze Vogel, der nur einen Schritt beiseite gehüpft war, zu nicken schien. Pippin nahm einen tiefen Schluck.
 
„Herrlich frisch. Es schmeckt so, wie frisches Quellwasser schmecken muss“, rief er und trank seinen Becher leer.
 
Der Rabe sah im Wechsel Borko und Merry an. Als die beiden sich erhoben, ihre Becher füllten und ebenfalls tranken, nickte er nochmals und flatterte endlich davon.
 
Nachdem sich die Hobbits dermaßen erfrischt hatten, spießten sie ein paar Würste, Zwiebeln und Tomaten aus den Rucksäcken auf saubere Stecken und hielten sie übers Feuer. Mit der Aussicht auf eine warme Mahlzeit waren sie wieder guter Dinge, plauderten und sangen vor sich hin.
 
 
 
Als die Spieße heiß genug waren, begannen sie zu knabbern. Borko fragte endlich, was ihm schon lange auf der Zunge brannte.
 
„In den Hügelgräbern ist wirklich Gold zu finden, sagtet ihr?“
 
Die Geschichte von Tom Bombadil und wie sie zu ihren Schwertern gekommen waren, hatten Merry und Pippin oft im „Grünen Drachen“ zum besten gegeben. Borko hatte aber wohl nur zugehört, als es um Gold und Edelsteine ging. Den Nebel, die Stimmen aus dem Boden, die Grabunholde hatte er wohl vergessen.
 
„In den Hügelgräbern warten nicht allein Gold und Geschmeide, sondern auch böse Gefahren. Die Grabunholde bannen dich in ewigen Schlaf. Wie Tote, in Leichenhemden und mit Grabschmuck behangen, lagen wir dort. Ohne Herrn Frodo und Tom Bombadil würden wir vielleicht heute noch dort liegen“, sagte Merry.
 
„Hüte Dich vor Stimmen aus dem Nebel. Ich hoffe, wir bleiben diesseits des Baches vom Nebel verschont. Aber folgt man den Stimmen, endet man in einem Hügelgrab und wacht nicht mehr auf.“
 
„Glaubt ihr, es gibt keine Möglichkeit, die Schätze ohne Gefahr zu bergen? Stellt euch nur vor, was wir damit in Hobbingen anstellen könnten.“ Borko ließen die Verlockungen des Goldes nicht los.
 
„Ich für meinen Teil hoffe, dass wir heute Nacht und morgen vom Nebel verschont bleiben. Wenn wir die Sonne sehen, finden wir besser durchs Hügelland und müssen dort keine  Nacht zubringen. Reich zu sein wäre schön, aber dieses Gold kann mir gestohlen bleiben.“
 
Merry war zum Schluss eindringlich geworden, um Borko die Flausen aus dem Kopf zu treiben.
 
Die vollen Bäuche und das frische Wasser hatten die Stimmung der Hobbits gehoben. Sie plauderten noch eine Weile munter und fragten sich, was sich in Bree wohl verändert haben mochte. Merry und Pippin schwärmten von den riesigen Krügen frischen Gerstenbieres, die im „Tänzelnden Pony“ ausgeschenkt wurden. Als es Schlafenszeit wurde, vereinbarten sie, Borko solle die erste Wache übernehmen. Merry würde folgen, Pippin hatte die letzte Wache.
 
Die beiden altbefahrenen Hobbits kuschelten sich in ihre Decken und schliefen auf der Stelle ein. Borko blieb beim Feuer sitzen und warf ab und an ein paar Äste nach. Er betrachtete die Sterne und dachte über die Reichtümer nach, die in den Gräbern warteten. Aus seinem Rucksack holte er die Feldflasche mit dem Gebrannten und ließ das scharfe Zeug die Kehle hinunterrinnen. Die Träume von Gold und Edelsteinen erschienen nach wenigen Herzschlägen noch blumiger und farbiger. Die Augen wurden ihm schwer und er wehrte sich nicht mehr gegen den Schlaf.
 
 
 
Borko wusste nicht, dass er schon eingenickt war, als er sich inmitten von goldenen Schätzen, Karfunkelsteinen und anderen Juwelen in seiner Höhle sitzen sah. Er brauchte nicht mehr selbst Garten und Äcker bestellen, sondern konnte Knechte großzügig dafür bezahlen. Abends, im „Grünen Drachen“, war er der Mittelpunkt der Unterhaltung, denn eine Runde nach der anderen ging auf ihn.
 
Er schrak hoch und öffnete die Augen, schüttelte den Kopf. Wie lange er geschlafen hatte, konnte er nicht sagen, aber im Lichtschein des Feuers war nichts bedrohliches zu erkennen. Er lauschte in die Nacht und sah zum Himmel hoch. Die Sterne waren nicht mehr klar zu erkennen, den ein dunstiger Schleier hatte sich wie ein Totenhemd über das strahlende Funkeln gelegt.
 
Ein Rauschen und Flügelschlagen ließ ihn hochfahren. Aber es war wieder nur der schwarze Vogel, der sie schon so lange begleitete, meinte Borko zu erkennen. Der Vogel hatte sich auf der anderen Seite des Baches, näher am Ausläufer der beginnenden Hügel, niedergelassen. Er schien Borko etwas größer geworden zu sein. Sein Gefieder glänzte auch nicht mehr so wie am Tage, sondern war matt, beinahe wie lehmverschmiert.
 
Das Tier sah Borko mit fast dem selben auffordernden Ausdruck an, wie am vergangenen Abend bei der Wasserprobe. Der schwarze Vogel hüpfte ein par Schritte auf die Hügel zu, flatterte zurück, hüpfte wieder weg. Borko stand auf und beobachtete den Vogel. Das ist der Vogel des Elben, redete er sich ein. Arbael will uns einen Weg zu den Schätzen zeigen.
 
Borko tastete nach seiner Feldflasche und nahm einen weiteren kräftigen Schluck Gebrannten. Immer noch voll ängstlicher Hoffnung ging er auf den Vogel zu und machte einen großen Schritt über den Bach. Seltsamerweise war es auf dieser Seite kälter und er begann zu frösteln. Der Vogel hüpfte vor ihm her, und Borko folgte ihm, bis der Boden leicht anzusteigen begann. Er sah vor seinem inneren Auge wieder Berge von Gold, die bald ihm gehören würden, als vor ihm eine Gestalt aus dem Boden wuchs.
 
 
 
Die Gestalt bildete sich aus dem Nichts, war zunächst durchsichtig und nahm immer festere Gestalt an. Sie ähnelte einem großen Menschen, gewandet in einen lehmigen, verwitterten Umhang. Eine Kapuze verbarg das Gesicht. Die wie gehauchte aber sehr eindringliche Stimme konnte Borko nur in seinem Kopf hören.
 
Kalte Schauer liefen dem Hobbit den Rücken hinunter. Er kannte die Sprache nicht, verstand aber dennoch, wozu ihn die Gestalt aufforderte. Eine Hand wurde Borko entgegengestreckt. Ein goldenes Schmuckstück, eine Brosche, besetzt mit Perlen und Bergkristallen, lag darin.
 
Wie befohlen ging er auf das Wesen zu, das über dem kurzen Gras zu schweben schien. Er griff nach der Brosche und der Grabunhold hob den Kopf. Zwei fahle Lichter starrten Borko aus einem Gesicht an, das Jahrhunderte Zeit gehabt hatte, einzufallen. Die Augen spiegelten das Licht des Mondes  wider, schienen aber viel weiter entfernt als der Himmelkörper.
 
Im Bann dieser kalten Augen griff Borko nach der Brosche und berührte dabei die Hand des Grabunholdes.
 
 
 
Merry und Pippin waren von dem langen Marsch durch den Alten Wald so erschöpft, dass sie erst mit dem morgendlichen Vogelgezwitscher aufwachten. Beide hatten sie ihre Wache verschlafen.
 
„Pippin, wach auf! Wo ist Borko?“, rief Merry.
 
Aber beide hatten eine Ahnung von dem, was in der Nacht geschehen war.
 
„Rucksack, Schwert und Gehstock sind noch da“, stellte Pippn fest. „In den Wald wird er nicht allein gegangen sein. Also muss er sich in die Hügel aufgemacht haben, dieser Verrückte!.“
 
„Oder etwas hat ihn hineingelockt“, gab Pippin zu bedenken.
 
Eilig packten die beiden das Nachtlager zusammen. Selbst das Frühstück musste sich auf  einen eilig verschlungenen Apfel beschränken. Pippin hängte sich seinen eigenen und Borkos Rucksack über je eine Schulter. Merry schnalle die große Pfanne an seinen Rucksack und nahm Borkos Schwert. So waren die Lasten gleichmäßig verteilt. Obwohl die Sonne bereits wärmende Strahlen aussandten, zitterten die Hobbits vor Aufregung und Angst um den Kameraden.
 
Mit geschulterten Rücksäcken überquerten sie den kleinen Bach und spürten sofort die Kälte auf der anderen Seite. Fußspuren waren nicht zu entdecken, aber am Fuße des beginnenden Hügels war das Gras niedergedrückt. Das platte Gras bildete eine breite Spur, die mitten in die Hügelgräberhöhen hineinführten.
 
Merry und Pippin sahen sich an. Merry zuckte mit den Schultern.
 
„Wir müssen sowieso durch die Hügel. Die Spur führt nach Osten, die Richtung stimmt also auch. Folgen wir der Spur. Wir können den alten Stolzfuß schließlich nicht alleine lassen, auch wenn er sich bisher nur als Maulheld erwiesen hat.“
 
Pippin nickte.
 
„Sicher liegt er schon in ein Totenhemd gekleidet und mit kaltem Gold geschmückt in einem der Gräber. Wenn er nur noch lebte!“
 
 
 
Ein Stolzfuß wird bescheiden
 
 
 
Sie marschierten schnellen Schrittes. Solange die Schleifspur deutlich war, fielen sie sogar ins Laufen. Die Kuppen mit den runden Grabhügeln oder den einsamen Steinen umgaben sie schließlich, ohne dass das umliegenden Land zu sehen war. Wie vor Jahren kamen die stummen Steine den Hobbits wie zur Mahnung erhobene Zeigefinger vor, als warnten sie ahnungslose Wanderer vor namenlosen Schrecken.
 
Sie mussten sich schon mitten im Hügelland befinden, als die Schleifspur einen Hügel hinaufführte. Bisher waren die Hobbits nur durch die flachen Senken und Tälchen  geführt worden. Die Sonne stand, die zwar noch nicht im Zenith stand, brannte ausgesprochen heiß, die Luft stand still und war unangenehm feucht.
 
Oben angelangt erkannten Merry und Pippin, dass eine dunstige Glocke über den Hügelgräberhöhen lag. Die dunkle Linie des Waldes war gerade noch zu erkennen. So wussten die Hobbits zumindest wieder, wo Westen war und konnten sich orientieren. Mehr war vom Land um die Höhen nicht zu erkennen. Durch den Dunst schimmerten allenfalls helle und dunkle Flecken.
 
 
 
Die Spur endete vor einem kleineren Hügelgrab, das sich halbrund, wie ein ungesundes Grasgeschwür, auf dem flachen Hügel erhob. In die Kuppe war ein ehemals rechtwinkliger Türrahmen aus grob behauenem Stein eingelassen. Der linke Pfosten und die Tür hatten dem Druck der Erde nachgegeben und waren zum Teil im Boden versunken. Der obere Balken war schräg nach links geneigt. Die Tür selbst bestand aus einem Stück Stein, in dem unbekannte Runen kaum noch zu erkennen waren.
 
„Dahinter liegt unser Borko, von einem Grabunhold verschleppt“, stellte Pippin unnötigerweise fest.
 
„Was sollen wir denn jetzt machen?“ Merry stemmte sich mit der Schulter gegen die steinerne Tür. Die bewegte sich nicht auch nur ein Stück, selbst als Pippin mithalf.
 
„Tom Bombadil hat eine Flanke des Grabhügels einfach eingerissen. Als das Licht hineinfiel, floh der Unhold“, erinnerte sich Pippin.
 
„Aber wir haben nicht die Macht des alten Tom“, warf Merry ein.
 
„Es reicht vielleicht aus, ein kleines Loch zu graben, so dass Licht ins Innere fällt. Wenn Borko noch lebt, könnte das den Grabunhold aufhalten, bis uns etwas besseres einfällt.“ sagte Pippin.
 
„Du hast recht. Schließlich sind wir Hobbits im Graben nicht ganz unerfahren.“
 
Merry und Pippin hatten natürlich keine Schaufeln dabei. Daher zogen sie ihre Schwerter und begannen linker Hand neben dem Torpfosten die Grassoden wegzureißen. Als das Gras, das mit seinem Wurzelwerk den Boden zusammenhielt, weggeschafft war, kamen sie besser voran.
 
Die Hobbits knieten schon zur Hälfte in einem hüfthohen Loch, als sie auf Stein stießen. Merry schrie vor Schmerz auf, als seine Klinge auf einen riesigen Findling schlug. Die beiden Abenteurer sahen sich mit lehmverschmierten Gesichtern verzweifelt an.
 
„Oh je! Ich glaube, den alten Borko kriegen wir nicht wieder ans Licht“, jammerte Merry.
 
Pippin kroch in das Loch und tastete den Stein ab.
 
„Ich glaube, ein paar Handbreit weiter rechts hört er auf. Zwischen Stein und Torrahmen muss eine Lücke sein, die nur mit Lehm gefüllt ist.“
 
Er schaute sich um und bemerkte den Schreck in Merrys Gesicht. Die Sonne näherte sich unaufhaltsam dem Horizont. In ihrem Eifer, den Kameraden zu befreien, hatten die Hobbits Stunde um Stunde gearbeitet, geschwitzt und sich über und über mit Lehm und Erde beschmiert, ohne zu merken, wie die Zeit verging.
 
 
Da flatterte plötzlich der Rabe Arbaels heran. Hätte Borko ihn sich am Vortag genauer angesehen, hätte er gemerkt , dass er nichts mit der Unglückskrähe gemein hatte, die ihn in die Falle gelockt hatte. Der Vogel blieb reglos in der Nähe sitzen, so als wolle er sie nicht ablenken.
Die Hobbits machten mit doppelter Anstrengung weiter. Sie hieben und stießen mit den Schwertern in die lose Erde und den festen Lehm. Hinter ihnen bildeten sich Haufen losen Erdreichs und schließlich fiel Merry nach vorne, als sein Schwert keinen Widerstand mehr fand. Er stieß sich den Kopf an dem teilweise freigelegten Findling, der in den Wall eingefügt worden war, um die Erdmassen zu stützen.
„Aua!“ rief er und drehte sich weg.
 
In diesem Moment war aus dem Inneren ein langgezogenes tiefes Heulen zu hören. Das Heulen endete in einem Aufseufzen Jahrhunderte langer Unruhe, die nun Erlösung im Nichts fand. Pippin sah durch das kopfgroße Loch, wie Licht auf eine große dunkle Gestalt ohne Gesicht fiel. Der Umhang des Grabunholds, zerschlissen und lehmverschmiert, fiel in sich zusammen. Der unruhige Geist verschwand für immer vom Antlitz Mittelerdes.
 
Die Sonne hatte den Horizont inzwischen erreicht und ging langsam unter. Merry und Pippin stießen erschöpft aber glücklich die letzten Lehmbrocken beiseite, die sie am Zugang in die Grabkammer hinderten. Durch die schmale Öffnung zwängten sie sich ins Innere.
 
In der Mitte der Kammer lag Borko, in ein Leichenhemd gewandet und mit goldenem Stirnreif und zahlreichen Ketten und Armreifen geschmückt. Als der Unhold im Licht der Sonne entschwand, wich auch der Bann von seinem Opfer. Borko öffnete langsam die Augen und blickte sich um.
 
„Wo bin ich? Mir ist kalt“, sprach er mit sehr leiser Stimme.
 
„Du liegst in einem der Hügelgräber,“ sagte Pippin. „Aber sei unbesorgt, der Grabunhold ist verschwunden.“
 
 
 
Merry hatte Borkos Kleidung gefunden, und gemeinsam halfen sie dem Kameraden, sich aufzurichten und anzuziehen. Den goldenen Schmuck nahmen sie Borko in der Eile nicht ab, aber Merry und Pippin sahen sich um und betrachteten die reichen Grabbeigaben, das Geschmeide, die Gemmen und anderen Edelsteine, goldene Trinkgefäße, wertvolle Waffen. Alles war in Truhen und Körben verstaut, die offen standen und einen atemberaubenden Anblick boten. Staunend besahen die Hobbits die Schätze, nahmen hier einen Prunkbecher auf, probierten hier eine Kette oder einen Ring.
 
Plötzlich hallte das Grab von Flügelschlagen und Gekrächze wider. Arbaels Rabe war durch den Spalt gehüpft, flog laut kreischend im Rund und trieb die Hobbits förmlich aus der Grabhöhle hinaus. In der Nähe der immer noch geschlossenen Pforte staken Fackeln in rostigen Haltern. Pippin und Merry griffen sich jeder eine und zwängen sich dann hinaus. Borko trottet wie im Schlaf hinter ihnen her. Er verstand die Aufregung und Eile gar nicht.
 
 
 
Pippin hatte es beim Kreischen des aufmerksamen Raben geahnt. Die Sonne war fast untergegangen, nur noch eine schmaler Rand stand über dem Horizont. Der Mond war schon am dunkel werdenden Himmel zu erkennen und Pippin prägte sich ein, wie sie sich an ihm nach Westen orientieren konnten. Gleich würde die Sonne vollends untergehen, und dann sollten sie schnellstmöglich aus dem Hügelland verschwinden. Denn nach dem Sonnenuntergang würden die Grabunholde emporsteigen.
 
„Das schaffen wir nicht, das können wir gar nicht schaffen!“ Merry wollte fast verzweifeln. Borko stand wie betäubt daneben, hatte doch auch er die Macht der Geisterwelt erfahren.
 
„Merry, schnell, schlag Feuer und zünde eine Fackel an. Nur eine, hörst Du?“, Pippin sprach schnell, konnte aber die Ruhe bewahren. Borko stand dagegen die nackte Angst in den Augen.
 
„Hier!“, forderte Pippin die beiden anderen auf und riss Streifen aus einem Leinentuch, in das einmal ein Brot eingeschlagen war. „Stopft euch das tief in die Ohren. Schnell!“
 
Die beiden nahmen die Fetzen entgegen und begannen Pfropfen daraus zu rollen. Ihre  Blicke galten dabei immer wieder dem Horizont, über dem nur noch eine schmale Sichel eine rotglühenden Sonne zu erkennen war.
 
 
 
Als der letzte Sonnenstrahl verblasste, wanderten drei erschöpfte, schmutzige und verängstigte Hobbits Richtung Westen durch das Hügelland. Sie konnten sich kaum noch auf den Beinen halten, blieben aber nicht stehen, aus Angst, einzuschlafen und dann von den Grabunholden geholt zu werden.
 
Diesen Marsch sollten sie nie in ihrem Leben vergessen. Schemenhafte, große Gestalten, lichtlose Schatten, kamen auf sie zu. Verzerrte, eingefallene Gesichter  mit kalten, leblosen Augen bewegten die Münder, beschworen die Gefährten. Aber die Hobbits konnten die Bannsprüche nicht hören, denn ihre Ohren waren mit dicken Pfropfen aus Tuch verschlossen.
 
Die Grabunholde versuchten immer wieder sie aufzuhalten, getrauten sich aber nicht, in den Lichtkreis der Fackel zu treten und der heißen Flamme zu nahe zu kommen. Arme mit klauenbewehrten Händen griffen durch die Luft und wurden zurückgezogen, als Fackelschein auf sie fiel. Fordernde, ziehende Gedanken wollten sich in die Köpfe der Hobbits drängen, aber sie widerstanden und wichen nicht von ihrer Richtung ab. Unbeirrt marschierten sie nach Westen.
 
Nebel quoll aus den offenen Pforten der Gräber, umgab sie, konnte aber nicht die Sicht auf den Mond versperren, an dem sie sich orientierten. Schritt für Schritt zogen sie sich gegenseitig weiter. Borko stürzte einmal vor Schwäche und musste eine Weile durch die Finsternis gezerrt werden. Und immer wieder näherten sich vermummte Gestalten, schwebend und mit grausigen Gesten, um sie in ihren Bann zu ziehen.
 
 
 
Die zweite Fackel war nahezu abgebrannt, als der Nebel langsam lichter wurde. Das Gelände wurde flacher, immer häufiger tauchten Büsche und Gruppen zunächst dürrer, verkrüppelter Kiefern aus der Dunkelheit ins Licht der spärlichen Flammen. Selbst als der Fackelstumpf nur mehr glühte, hielt Pippin ihn noch hoch, während die Hobbits sich im Mondlicht vorwärts quälten.
 
Schließlich erreichten sie einen Trampelpfad, der von Süden kam und nach Norden zur Oststraße führte. Händler und Schmuggler gingen auf ihm auch des Nachts, wie sie wussten, ungefährdet von den gequälten Seelen der Hügelgräber. So erschöpft sie waren, so erleichtert waren sie, den Gefahren der Hügelgräberhöhen entronnen zu sein. Die Hobbits legten sich in das Heidekraut und fielen, mit aufgeschnallten Rucksäcken, in tiefen Schlaf.
 
 
 
Es war schon später Vormittag, als Pippin erwachte. Seine Muskeln schmerzten vom nächtlichen Gewaltmarsch und sein Rücken tat weh, da er krumm auf dem Rucksack gelegen hatte. Er blinzelte in den Himmel, dessen Blau nur von wenigen Wolken durchsetzt war.
 
Irgend etwas stimmte nicht. Der Wind rauschte nicht in den Bäumen, die Vögel zwitscherten nicht. Es war, als läge eine bleierne Stille über dem Land. Pippin hob den Kopf und rief:
 
„Merry, Borko! Wacht auf!“
 
Er erkannte seine eigene Stimme nicht, die dumpf und ohne Klang war. Dann fiel es ihm endlich ein und er pulte die Stopfen aus seinen Ohren, schmiss die Fetzen weit von sich. Jetzt drangen die Geräusche des Windes und der Vögel auf ihn ein, und er brauchte ein paar Herzschläge Zeit, sie zu ordnen. Voller Erleichterung schüttelte er den Kopf, als er die Welt wieder klar und rein vernahm.
 
Ächzend vor Schmerzen setzte er den Rucksack ab und reckte sich vorsichtig. Es zog und zerrte in allen Gliedern. Dann stieß er Merry und Borko an, die ihn mit verwirrtem Gesichtsausdruck anblinzelten. So musste er gerade selbst ausgesehen haben. Er tippte sich mit dem Zeigefinger ans Ohr und sein beiden Gefährten begriffen. Auch sie zogen die Pfropfen aus den Ohren. Borko blieb still, während Merry sofort losplapperte.
 
„Ich dachte, wir schaffen es nicht. Wenn die Fackel im Hügelland ausgegangen wäre, hätten die Unholde uns erwischt. Stellt euch vor, wir wären eingeschlafen...“
 
Sein Redefluß wurde gestoppt, als er versuchte, seinen Rucksack abzunehmen. Die Schmerzen ließen Merry zusammenzucken und er begann, sich ganz langsam zu dehnen und zu strecken.
 
 
 
Borko nahm ebenfalls seinen Rucksack ab, verzog aber keine Miene. Er war so in Gedanken, dass er das Reißen in Muskeln und Knochen nicht spürte. Die goldenen Armreifen rutschten hervor und klingelten leise. Verwundert betrachtete der Stolzfuß seine Handgelenke, tastete nach dem Stirnreif, der ihm wie eine Torque um den Hals hing.
Ein Schatten erschien in seinem Gesicht, seine Gedanken galten den Schrecken der letzten Nacht.
 
Dann fasste er sich, streifte die Armreifen ab und zog den Stirnreif über den Kopf. Beides hielt er Merry und Pippin hin, die das Gold verwundert entgegen nahmen.
 
„Ich habe das Gold nicht verdient, nehmt es. Ich war es, der uns alle in Gefahr gebracht hat. Anscheinend tauge ich nicht für Abenteuer. Nichts sehnlicher wünsche ich mir, als in meiner warmen, gemütlichen Höhle zu sitzen.“ Er machte eine Pause, Merry und Pippin schwiegen still. „ Auch Thain will ich nicht werden. Am Ende muss ich die Auenländer selbst ins nächste Abenteuer führen. Nein danke! Und ich gelobe, ab sofort die Finger vom Gebrannten zu lassen. Wenn der mir noch mal den Kopf umnebelt, lasse ich mich vielleicht noch einmal auf eine Unternehmung wie diese ein.“ Nach einer kurzen Pause sagte er noch einmal. „Nein, danke!“
 
Merry und Pippin waren nicht wenig erstaunt über einen derartigen Sinnenwandel. Nach der letzten Nacht stand ihnen der Sinn aber nicht nach Hohn und Spott. So klopften sie Borko freundschaftlich auf den Rücken, denn als Freunde betrachteten sie einander fortan. Merry gab ihm den Stirnreif wieder.
 
„Behalte ihn als Andenken an diese Nacht und an diese Reise, Borko.“
 
Der nahm in mit einem leise Danke an. So besaßen Merry, Pippin und Borko einen Teil des Goldes, das sie am Abend erbeutet hatten und waren gar nicht unzufrieden.
 
 
 
„So können wir alle glücklich sein über den Ausgang des Abenteuers. Und jetzt wird gefrüh-stückt!“, sagte Pippin.
 
Merry stand stöhnend auf, um Feuerholz zu suchen, Borko trug ein paar Steine für die Feuerstelle zusammen, Pippin sortierte die Vorräte. Bald saßen die drei Hobbits mit einem heißen Becher Tee zufrieden um das Feuer. Für jeden war ein halbes Brot und ein ordentliches Stück Hartwurst übriggeblieben. Äpfel und Birnen vervollständigten die einfache Mahlzeit, die ihnen wie das köstlichste Sonntagsessen mundete.
 
Pippin zwinkerte Merry zu. Auch der erinnerte sich an den letzten Abend in ihrer Höhle, als sie sich über den Geschmack des Bieres nach der letzten Reise nach Bree unterhielten. Mit diesem Frühstück war es ganz genau so. Mit dem Essen wurden die Hobitts fröhlich. Der Schrecken der Nacht in den Hügelgräberhöhen verblasste schon und auch das Ziehen und Reißen in den Knochen ließ nach.
 
 
 
Die Mittagszeit war schon längst vorbei, aber ein wenig Ruhe gönnten die drei Gefährten sich noch. Pippin schätzte, es sei nicht einmal mehr ein halber Tagesmarsch nach Norden zur alten Oststraße. Dort würden sie noch einmal ein Nachtlager aufschlagen.
 
„Ich glaube nicht, dass sich die Ostlinge so nahe an Bree herantrauen.“ sagte er. „Außerdem haben sie nach so vielen Tagen sicher die Lust verloren, weiter nach uns zu suchen.“
 
Am nächsten Tag würde man Bree erreichen. Bis dahin sollten auch die letzten Vorräte noch reichen.
 
„Es wird aber auch Zeit, Herr Tuk, dass Du uns endlich Bree führst“, spottete Merry. „Wir wollten doch nur ein kleine, gemütliche Reise machen und uns nicht mit Strauchdieben herumschlagen, traurige Elben aufsuchen und in den Hügelgräbern umkommen.“
 
„Du hast wohl recht, Herr Brandybock, mit so vielen Hindernissen habe ich nicht gerechnet.“
 
Borko grinste und nickte dazu. Auch er hatte die gute Laune, die einem satten Hobbit zukommt, wiedergefunden.
 
„Ist dies der Grünweg, der uns direkt nach Bree führt?“
 
Pippin schüttelte den Kopf.
 
„Der Grünweg liegt noch weiter im Osten. Dieser Weg hier ist nicht mehr als ein Trampelpfad.  Aber er wird uns bestimmt zur Oststraße bringen.“
 
 
Gomfour Katzengold
 
 
 
So brachen sie wieder auf, mit Rucksäcken, die um ein gutes Maß leichter waren als beim Aufbruch von Hobbingen. Als die Hügelgräberhöhen außer Sicht kamen, zeigte Borko auf einen weit entfernt fliegenden, schwarzen Vogel, der auf den Alten Wald zuhielt.
„Der Elb scheint auch zu glauben, wir bräuchten keinen Wächter mehr.“
 
Das machte die Hobbits um so froher, und sie schritten munter voran. Die Sonne stand noch ein gutes Stück über dem Horizont, als der Trampelpfad breiter wurde und kurz darauf auf die Oststraße stieß. Die Hobbits schlugen sich vorsichtshalber in ein dichtes Gebüsch und beobachteten von dort die Straße. Aber kein Ostling zeigte sich und auch sonst kein Reisender.
 
Im Westen war wieder der Alte Wald als dunkle Linie zur linken der Straße zu erkennen. Im Osten zog sich die Straße durch Riedlandschaft, die mit Buschgruppen durchsetzt war. Bree war nicht zu sehen, die Hobbits schätzten, dass sie es bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht schaffen konnten. Daher beschlossen sie, an Ort und Stelle das Nachtlager aufzuschlagen, die restlichen Vorräte zu vertilgen und am nächsten Tag bis zum Mittagessen in Bree zu sein. Die Müdigkeit steckte den Hobbits noch in den Beinen, und kurz nach Einbruch der Dunkelheit waren Merry und Pippin eingeschlafen. Borko wurde noch einmal die erste Wache anvertraut.
 
Diesmal verlief die Nacht ohne Zwischenfälle. Zur verabredeten Stunde weckte Borko Pippin. Merry, der die letzte Wache hatte, schlief zwar kurz vor Tagesanbruch ein, wurde aber wenig später, wie die beiden anderen auch, vom Klang einer Flöte und dem Gesang tiefer, rauer Stimmen geweckt.
 
 
 
Die Reisegefährten rappelten sich auf und blickten nach Osten, von wo sich eine Gruppe Zwerge, etwa ein Dutzend, näherte. Sie hatten ein struppiges Pony bei sich, dass einen Karren mit Handelswaren zog.
 
 
 
            ...von den Auenlanden kommen wir
 
            und in Bree trinken wir bald unser Bier
 
Dort erfüllen wir alle Wünsche,
 
zahlt man uns mit barer Münze...
 
 
 
hörten sie Hobbits die Zwerge singen. Eine Flöte pfiff dazu eine fröhliche Melodie, die die Hobbits an ein anderes Lied erinnerte, dass von den Blauen Bergen handelte. Die bunten Kapuzen der sich nähernden Zwerge leuchteten rot, blau, grün und gelb in der aufgehenden Sonne.
 
Die drei Hobbits traten auf die Strasse. Der Gesang verstummte zwar, doch die kleine Karawane kam langsam näher, begleitet vom Klang der Flöte. Vor den Hobbits hielten sie an und auch die Flöte verstummte. Der Zwerg mit dem längsten Bart, dessen Enden in einem goldenen Gürten steckten, trat vor und verbeugte sich knapp.
 
„Gomfour Katzengold, zu Euren Diensten. Was kann ich für Euch tun?“, grüßte er formvollendet. Auch Pippin verbeugte sich.
 
„Peregrin Tuk, ebenfalls zu Diensten. Dies sind meine Begleiter Meriadoc Brandybock und Borko Stolzfuß aus dem Auenland.“
 
Pippin wies mit der offenen Hand auf die beiden, die sich ebenfalls verbeugten. Nun stellte Gomfour Katzengold die Mitglieder seiner Karawane vor. Die Namen konnten sich die Hobbits nicht merken, nur dass sie alle, ob sie nun Gürtel aus echtem oder falschem Gold trugen, zur Sippe der Katzengold gehörten. Gomfour war der Vater der einen und der Oheim der anderen.  Seine nächsten Worte erschreckten die Hobbits.
 
„Oh, aus dem Auenland seid ihr. Von dort kommen wir gerade, wie ihr vielleicht unserem kleinen Lied entnommen habt. Nichts Gutes gibt es von dort zu berichten.“
 
Merry und Pippin traten näher.
 
„Erzählt!“ forderte Pippin.
 
Borko, der in den wenigen Tagen ihrer Reise nach Ostlingen, Elben und Grabunholden nun auch noch den Führer einer Zwergensippe kennen lernte, hielt sich  im Hintergrund, beugte sich aber auch gespannt vor.
 
 
 
„Wir wollten im Auenland Handel treiben, aber in Hobbingen geht zur Zeit kaum jemand seinen regelmäßigen Geschäften nach. Ein knappes Dutzend Halunken und Strolche hat sich in der Dorfschänke breit gemacht. Sie behaupten, drei Hobbits hätten an der Oststraße zwei ihrer Kameraden erschlagen. Für diese fordern sie jetzt Wergeld.“
 
Gomfour beäugte die drei. Seine Augen blieben auf den Schwertern und den arg zerschrammten Wanderstöcken haften.
 
„Ihr habt nicht zufällig etwas damit zu tun?“, fragte er, wartete eine Antwort aber nicht ab. „Euer Dorf ist in heller Aufruhr, denn die Ostlinge wollen das Wirtshaus nicht verlassen. Sie essen und trinken, bis dem armen Wirt die Speisekammer und der Keller geleert ist. Keiner der Auenländer ist mutig genug, die Beutelschneider hinauszuwerfen. Sie drohen, sich Höhle für Höhle vorzunehmen, wenn man sie nicht verpflegt und entschädigt.“
 
Die drei Hobbits sahen sich an.
 
„Zwei von ihnen wollten uns ausrauben, da haben wir sie niedergestreckt und uns in Sicherheit gebracht. Aber die zwei Halunken waren kurz danach wieder munter“, erklärte Pippin. „Haben Euch die Ostlinge nichts getan, Herr Zwerg?“
 
Gomfour Katzengold warf sich in die Brust.
 
„Diese halbverhungerten Vagabunden legen sich vielleicht mit einem Dorf führerloser Hobbits an. Aber nicht mit einem Dutzend braver Zwerge, die gut geschliffene Äxte bei sich tragen.“
 
Gomfour legte seine Hand auf die beachtliche Waffe an seiner Seite.
 
„Und da keine Geschäfte zu machen waren, sind wir weitergezogen.“ schloß er.
 
 
 
Die Hobbits waren sich schnell einig, einmal mehr den Weg nach Bree unterbrechen zu müssen. Pippin wandte sich an den Führer der Katzengold-Sippe.
 
„Wir werden diese Halsabschneider  aus dem Auenland verjagen. Wir sind aber nur zu dritt und brauchen Hilfe.“
 
Gomfour wiegte langsam den Kopf von links nach rechts.
 
„Der Abstecher ins Auenland hat uns bereits Verlust beschert. Jetzt umkehren hieße, unseren Verlust noch zu vergrößern.“
 
„Wenn die Ostlinge fort sind, könnte ihr von neuem versuchen, Handel mit den Auenländern zu treiben“, meldete sich Merry zu Wort.
 
Gomfour war nicht überzeugt.
 
„Unsere Waren werden wir auch in Bree los, ohne auf dem Weg zurück noch mehr Zeit zu verlieren.“
 
Pippin dreht dem Zwergenführer den Rücken zu, nahm seinen Rucksack ab und holte einen der goldenen Reife heraus. Der geschäftstüchtige Zwerg sollte von den anderen Stücken nichts zu sehen bekommen. Der Sippenführer bekam glänzende Augen, als Pippin ihm den Armreif zeigte.
 
„Ein seltenes und altes Stück“, gab Gomfour zu. Auch seine Söhne und Neffen waren neugierig näher gekommen. „Eine hervorragende Arbeit. So etwas findet man heute kaum noch“, sagte der Fachmann. „Dieses Stück ist ein guter Preis für die Dienste, die ihr erbittet.“
 
Als die Zwerge sich erst einmal entschlossen hatten, gingen sie nach Zwergenart tatkräftig zur Sache. Sie wendeten den Wagen und wollten sofort losmarschieren. Pippin hielt sie auf.
 
„Wartet noch. Wir wollten heute nach Bree wandern und unsere Vorräte ergänzen. Unser Proviant ist beinahe komplett aufgebraucht. Führt ihr vielleicht ...?“
 
Gomfour wurde jetzt sogar großzügig.
 
„Wir haben ausreichend Brot, gut abgehangenen Schinken und sogar ein ansehnliches Fässchen gemalztes Bier bei uns. Ihr werdet unsere Gäste sein.“
 
Er schlug Pippin auf den Rücken, so dass dieser einen kleinen Satz nach vorne machte.
 
 
 
Nachdem diese wichtige Frage geklärt war, beeilten sich die Hobbits, die Reste des Nachtlagers abzubrechen. Die letzten Hartwürste und Brotkanten aßen sie aus der Hand, während sie den Zwergen und ihrem Karren hinterher eilten.
 
Die Zwerge marschierten ausdauernd und ohne Pause. Auch die Hobbits waren wieder soweit bei Kräften, dass sie bis weit in den Nachmittag hinein durchhielten.
 
„So hatte ich mir unsere kleine Reise aber auch nicht vorgestellt“, nörgelte Merry.
 
„Schon wieder ein Mittagessen, das ausfällt“, bestätigte Borko. „Ich sage es noch einmal: Nie wieder Abenteuer ...“
 
Pippin war unbemerkt auf die hintere Ladekante des Karrens gesprungen. So konnte er ein wenig die Beine baumeln lassen. Er verkniff sich das Gejammer und sah neugierig unter die Plane, die die Handelswaren bedeckte. Der Wagen war hauptsächlich mit Hausrat und Werkzeugen beladen, schönen Zwergenarbeiten aus Eisen, Kupfer und Messing. Am vorderen Ende stand noch eine große Truhe mit schwerem Deckel. Pippin konnte nicht soweit hineinlangen, um diesen zu heben. Er gab seinen bequemen Platz frei und Borko und Merry balgten sich kurz darum, wer als nächster sitzen durfte.
 
 
 
Pippin holte zu Gomfour auf, der an der Spitze ging. Hinter ihm liefen seine Söhne und Neffen, die sich munter unterhielten. Ihnen schien der Marsch und die Aussicht auf einen womöglich blutigen Kampf nichts auszumachen.
 
„Habt ihr schon einen Plan, wie wir die Ostlinge vertreiben, Herr Tuk?“, fragte der würdige Zwerg ihn.
 
„Ich denke schon seit einiger Zeit darüber nach. Aber sagt mir doch, Gomfour Katzengold, was ihr auf dem Karren habt, das uns helfen könnte.“
 
„Werkzeuge und Küchengerät, gute, unverwüstliche Arbeiten, aber helfen wird das kaum.“
 
„Und was habt ihr in der großen Truhe?“, wagte Pippin zu fragen.
 
„Diese Hobbits sind aber auch zu neugierig“, griente der Zwerg. „Einen Stock Beornsbienen“, rückte er dann aber doch heraus.
 
„Beornsbienen?“, fragte Pippin ungläubig.
 
„Ich dachte, diese Art sammelt ihren Honig nur für die Pelzwandler. Jeder andere wird von ihnen böse zerstochen. Sie sollen so groß wie Spatzen sein.“
 
„Nun, das stimmt wohl“, gab Gomfour zu. „Und mein Neffe Dandeir musste auch zwei Wochen lang getragen werden, als er ihrem Stock zu nahe kam. Wir fanden ihn in der Nähe einer seltsamen, verlassenen Hütte jenseits des Nebelgebirges. Als ich meinem Neffen zu Hilfe eilte, rauchte ich gerade ein gemütliches Pfeifchen mit dem Kraut, das ihr Halblinge so vortrefflich anbaut. Zu unser aller Erstaunen ließen die Bienen sofort von Dandeir ab, als sie  durch den Qualm des Pfeifenkrauts flogen. Sie beruhigten sich und flogen nur noch träge und ohne Angriffslust um uns herum.“
 
Pippin nickte. In seinem Kopf begann eine Idee Gestalt anzunehmen.
 
 
 
Sie schafften es, bei Einbruch der Dämmerung des folgenden Tages den Brandywein zu erreichen. Glücklich hatten sie den Alten Wald passiert und marschierten noch so weit, bis sie eine guten Platz für ein Nachtlager gefunden hatten. Nach einer üppigen Mahlzeit auf Kosten der gastfreundlichen Zwerge legten sie sich müde zum schlafen hin.
 
Am nächsten Morgen erzählte Pippin den anderen, was er vorhatte. Pippin hatte diesen Plan zusammen mit Gomfour ausgedacht und nun berieten sie sich, bis alle zustimmten. Sie mussten den Karren zurücklassen, denn sie wollten nicht weiter auf der Oststraße nach Hobbingen gehen. Sicher hatten die Ostlinge Wachen postiert. Zwei der Zwerge wurden als Wachen abgestellt und sollten beim Wagen bleiben. Sie würden später geholt werden. Dann holten sie mit vereinten Kräften die schwere Truhe herunter.
 
Es war mittlerweile wieder Nachmittag geworden, als die zehn Zwerge, drei Hobbits und das Pony die Oststrasse verließen und querfeldein auf das Anwesen von Bauer Maggot trafen. Sie hatten beschlossen, Hobbingen auf dem Umweg durch Waldende und die Ausläufer des Grünberglandes zu erreichen, so, wie sie vor Tagen zur Brandywein-Brücke gegangen waren. Eine erste Rast wollten sie bei Bauer Maggot einlegen und nach Möglichkeit die kleine Truppe verstärken.
 
Es war inzwischen stockfinster geworden, denn der Mond wurde von einer langsam wandernden Wolkendecke verhüllt. Die Gruppe hatte den Weg noch nicht zur Hälfte zurückgelegt, als eine kräftige Stimme erscholl.
 
„Halt, ihr Halsabschneider! Macht von mir aus Hobbingen unsicher, aber bleibt von meinen Feldern fern!“
 
Sechs kräftige Hobbits, mit Sensen und Hackbeilen bewaffnet, waren als Schemen vor den hellen Feldern zu erkennen. Pippin trat vor.
 
„Wir sind nicht die Ostlinge. Wir sind gekommen, diese Halunken zu vertreiben, Bauer Maggot.“
 
Eben der stand mit seinen Söhnen und Knechten da, bereit, sich mit den Ostlingen anzulegen, sollten sie seine geliebten Felder und Gärten verwüsten wollen.
 
„Sieh mal einer an“, entgegnete der Bauer. „Wo ein Gemüsedieb ist, müssen doch noch zwei weitere von dieser Sorte sein, wenn ich mich recht erinnere.“
 
„Bauer Maggot, lasst uns ein anderes Mal darüber reden. Sagt lieber, wie es kommen konnte, dass die Strolche sich hier festsetzen konnten“, forderte Pippin ihn auf.
 
Bauer Maggot war vernünftig genug, angesichts der Lage den letzten Gemüseraub hintan zu stellen.
 
„Die Hasenfüsse im Dorf wollten ohne die hochberühmten Herren Tuk und Brandybock nicht kämpfen. Auch mir und meinen Knechten wollten sie nicht helfen. Für uns allein war es aussichtslos zu kämpfen, also beschlossen auch wir zu warten.“
 
 
 
Inzwischen waren die Zwerge um Gomfour Katzengold herangekommen. Auch die tüchtigen Knechte des Bauern hatten ihre Posten verlassen und beäugten neugierig die Zwerge, die ihre mächtigen Äxte mühelos über die breiten Schultern trugen. Pippin stellte die Herren einander vor. Auch mitten in der Nacht, auf freiem Feld und kurz vor einem Scharmützel musste dafür Zeit sein. Nach zahlreichen Verbeugungen und „Zu Diensten“ erklärte Pippin Bauer Maggot den Plan.
 
„Über die letzten Diebereien unterhalten wir uns noch, Herr Tuk“, sagte der Bauer. „Bis dahin verfüge über meine Knechte und mich. Ich denke, während der Nacht solltet ihr auf meinem Hof übernachten.“
 
Und das taten sie dann auch. Maggots Frau richtete für die zehn Zwerge und die drei Hobbits Lager auf jedem freien Plätzchen ein, das zu finden war. Die Hälfte der Zwerge musste sogar im Heuschober schlafen, der aber trocken und wohlgefüllt war.
 
„Auf unseren Reisen haben wir schon oft schlechter geschlafen“. sagte Gomfour und war es zufrieden.
 
Auch Borko Stolzfuß war sehr froh, endlich wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Als Pippin und Merry aber am nächsten Morgen alle sehr früh aufweckten, war er keineswegs so knurrig und übel gelaunt, wie sie es an den ersten Tagen ihrer Reise erlebt hatten. Tatkräftig packte er seine Siebensachen, nahm ohne zu Murren ein schnelles Frühstück im Stehen ein und bedankte sich artig bei der Bäuerin. Schließlich ging es um sein geliebtes Hobbingen. Und auch wenn er nicht beabsichtigte, sich weiterhin um das Thainsamt zu bemühen, wollte er alles daran setzen, die Strolche aus seinem Dorf zu vertreiben.
 
 
 
Die regelrechte Truppe war marschfertig noch bevor die Sonne aufging. Pippin war sehr zufrieden. Ihre kleine Armee bestand nun aus zehn Zwergen und neun kräftigen, tüchtigen Hobbits. Pippin und Gomfour, der eine dicke Taurolle über die Schulter trug, führten den Zug an. Wie vor ein paar Tagen durchquerten sie das freundliche Waldende, übernachteten unter freiem Himmel, kurz bevor sie das Grünbergland erreichten und durchquerten dann das sanft gewellte Hügelland. Sie legten ein mächtiges Tempo vor, denn die Angst um ihre Höhlen und den „Grünen Drachen“, um die Nachbarn und Freunde wuchs mit jedem Schritt.
 
Bauer Maggot, der Borko Stolzfuß kannte und nicht besonders zu schätzen gelernt hatte, wunderte sich über die Wandlung des alten Nörglers.
 
„Borko, ich sehe, diese beiden Gemüsediebe haben Dir endlich Benehmen und Handfestigkeit beigebracht. Wie haben die das geschafft?“
 
Merry verwandte sich für Borko.
 
„Laß mal gut sein, Bauer Maggot. Der gute Borko hat eine Menge Abenteuer erlebt, Ostlinge verhauen, ist dem traurigen Elben Arbael begegnet und hat vor allem die Hügelgräber überlebt. Wenn er sich zum Besseren verändert hat, dann ist das allein sein Verdienst.“
 
Borko sah Merry dankbar an, und Bauer Maggot klopfte Borko anerkennend auf den Rücken.
 
 
 
Spät abends an diesem Tag erreichten sie Wasserau. Kein Hobbit war auf den Wegen zu sehen. Selbst die Fenster der Höhlen und Hütten waren verhangen, so dass kein Lichtschein nach außen drang. Auf Zehenspitzen ging die kleine Armee hindurch und war bald nur noch ein paar Hundert Schritt vom Grünen Drachen entfernt. Leise und in geduckter Haltung näherten sie sich schließlich der Schänke.
 
 
Eine kleine Armee
 
 
 
Etwa zwanzig Schritte vor dem Eingang, hinter zwei Bäumen und ein paar Büschen, die links und rechts des Weges standen, suchten sie Deckung. Merry, Borko und Pippin gingen alleine weiter, wobei sie nun doch weiche Knie bekamen. Sie hatten ihre Pfeifen gestopft und hielten vorsichtig die Glut in Gang. Zwischen sich trugen sie die Truhe der Zwerge, die beinahe zu schwer für sie war. So gingen sie schnurstracks auf den „Grünen Drachen“ zu, in dem sich die Ostlinge breit gemacht hatten.
Lärm war durch die offene Tür und die beiden zerschlagenen Fenster zu hören. Gegröle und schrecklich falsche Gesänge drangen heraus. Ab und zu hörte man, wie tönerne Becher zerschlugen und schwere Bänke umkippten. Die Hobbits blieben zwei Schritte vor dem Eingang stehen. Pippin sah Borko und Merry an. Jetzt wurde es ernst. Sie gingen durch die offene Tür und die Augen aller Strolche und Halunken wandten sich ihnen zu. Dreckige, bärtige Gesichter drehten sich nach ihnen um, verschlagene Augen blitzten ihnen entgegen, Münder voller schwarzer Ruinen öffneten sich. Einer, offensichtlich der Anführer, stand auf.
 
„Drei kleine Halblinge mit einer Truhe“, grölte er. „Ist das wohl unser Wergeld? Wehe Euch, wenn nicht! Unsere Geduld geht langsam zu Ende.“
 
Für diese Beutelschneider musste ein Hobbit wohl wie der andere aussehen, denn sie erkannten die Hobbits, die zwei von ihnen schon einmal eine Abreibung verpasst hatten, nicht wieder. Borko zog den Kopf zwischen die Schultern, als so viele grausame Gesichter sie aus nächster Nähe musterten. Tapfer hielt er aber sein Ende der Truhe fest.
 
Die drei Reisegefährten trugen die Truhe bis ans hintere Ende des Schankraumes und stellten sie unsanft auf den Boden. Es rumpelte laut, als der Bienenstock im Inneren einen Satz machte.
 
„Was wollt ihr uns anbieten, damit wir eure Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen, hä? Zeigt her, ihr kleinen Ratten!“, forderte der Hauptmann der Strauchdiebe, ein bulliger Mann mit einer Narbe auf der Stirn.
 
Pippin nickte seinen beiden Mitstreitern zu. Merry stieß Borko an, der beinahe vergaß, tüchtig an seiner Pfeife zu ziehen und zu paffen.
 
„Wir haben etwas ganz Besonderes für euch“, kündigte Pippin an und hob mit einem Ruck den Deckel der Truhe.
 
 
 
Die Beornsbienen kamen mit einem wütenden Brummen hervor. Zu lange waren sie eingesperrt gewesen und nun auch noch unsanft durchgerüttelt worden. Zu ihrer Erleichterung sahen die Hobbits, dass die Bienen so schnell wie möglich aus dem Rauch des Pfeifenkrauts flogen, um dann um so wütender die Ostlinge anzugreifen. Nach wenigen Sekunden glich das Innere der Schänke einem Tollhaus. Die Halunken kamen nicht mehr dazu, ihre Schwerter und Dolche zu ziehen, sondern versuchten verzweifelt, mit rudernden Armen die Bienen abzuwehren.
 
Die waren wirklich so groß wie junge Spatzen. Ihre Stachel fuhren den Beutelschneidern tief ins Fleisch. Das Gift der Bienen brannte und schmerzte, dicke Beulen bildeten sich auf den Armen und Beinen und auch in den Gesichtern der Gestochenen. Die Ostlinge schrieen vor Pein, sprangen durcheinander, suchten Erlösung, aber fanden keine.
 
Die drei Hobbits standen dicht nebeneinander mit dem Rücken zur Wand und beobachteten das Spektakel. Eine dichte Rauchwolke hatte sich um sie gebildet, und sie zogen weiter kräftig an ihren Pfeifen und pafften. Der Anführer der Ostlinge schaffte es irgendwie, durch das Durcheinander von wirbelnden Beinen, schlagenden Armen und böse summenden Beornsbienen auf die Hobbits zuzukommen.
 
„Das wird Euch noch leid tun, ihr kleinen Ratten!“, schrie er und heulte sogleich auf, als er einen Stich in sein rechtes Augenlid bekam. Er zog den Krummsäbel und wollte ihn auf die Hobbits niederfahren lassen. Die sprangen auf ein Zeichen Pippins nach vorne und unterliefen den Schlag. Auf seiner von dem Stich ins Auge blinden Seite stoben sie an dem Strolch vorbei und auf die Tür zu. Die anderen Halunken bemerkten sie erst, als ihr Hauptmann laut „Hinterher!“ brüllte.
 
 
 
Mit Glück erreichten Pippin, Merry und Borko die Tür und stürzten ins Freie, immer noch ohne Stich. Die Beornsbienen griffen weiter die Strauchdiebe an, die kurz hinter den Hobbits ins Freie gelangten.
 
Der Vorsprung reichte den Hobbits, um ein ordentliches Stück vor den Ostlingen bei den Bäumen zu sein, hinter denen sich die Zwerge und Maggot mit seinem Gefolge verbargen. Pippin bemerkte eine ruckartige Bewegung, und ein Seil, zweifach um jeden Baumstamm gewunden, spannte sich über den Weg. Gomfours und Maggots Leute hielten die Enden mit aller Kraft fest, eine Seite wurde von dem braven Pony unterstützt, das sein ganzes Gewicht in die Fallstricke legte.
 
Merry, Borko und Pippin rannten johlend vor der wütenden Horde von Ostlingen her und setzten über die Seile. Die Halunken bemerkten das Seil nicht oder viel zu spät und rannten mit voller Wucht hinein. Vor Schreck und Schmerz brüllend endete das Dutzend Ostlinge in einem wirren Haufen verknäuelter Gliedmaßen. Zwei von ihnen blieben für immer liegen, denn sie hatten sich bei dem Sturz Schwerter und Dolche selbst in den Leib gestoßen.
 
 
 
Als die anderen Halunken aufsahen, waren sie von zehn grimmigen, breitschultrigen Zwergen und neun ungewöhnlich kräftigen Hobbits umzingelt. In ihren Augen stand wilde Entschlossenheit, die erhobenen Schwerter, Äxte und Sensen zu gebrauchen.
 
Die Strolche verhielten sich plötzlich sehr kleinlaut. Nur ihr Anführer stand auf, griff nach seinem Schwert und wollte Gomfour Katzengold angreifen, der ihm am nächsten stand. Der ließ nicht lange mit sich handeln, schwang die schwere Streitaxt und spaltete den Halunken von der Schulter bis zum Gürtel mit einem einzigen Hieb. Sofort hob er die Axt wieder und funkelte die neun verbliebenen Halunken an.
 
„Bitte, wer ist der nächste?“, sagte er mit ausgesuchter Höflichkeit. Die anderen Zwerge traten einen Schritt vor und hoben ihre Waffen höher. Aber als ihr Anführer wie ein Sack Mehl auf sie fiel, warfen seine Kumpane ihre Waffen fort. Der Rest war ein leichtes. Die Ostlinge wurden mit Stücken des Fallseils gebunden und in einen kleinen Schuppen mit festem Tor gesperrt, der der Schänke als Vorratsraum gedient hatte.
 
Als auch diese Arbeit erledigt war, brachen Hobbits und Zwerge in lautes Jubelgeschrei aus und hieben sich gegenseitig auf die Schultern. Die Hobbits begannen sogar im Kreis zu tanzen, die Zwerge sangen ein Siegeslied dazu.
 
Die Beornsbienen aber, die den Beutelschneidern nach draußen gefolgt waren, hatten Blüten und Blumen entdeckt, die reichen Nektar versprachen. So ließen sie von den ohnehin in die Flucht geschlagenen Ostlingen ab und verlegten sich aufs Honigsammeln. Gomfour schickt zwei seiner Neffen mit brennenden Pfeifen los, um die Truhe mit dem Stock auf den Hügel oberhalb des „Grünen Drachen“ zu tragen. Seitdem gab es in Hobbingen den besten Honig und den süffigsten Met im ganzen Auenland.
 
 
 
Der fröhliche Jubel, der nicht von den fremden Halsabschneidern stammen konnte, lockte endlich auch die anderen Hobbits des Dorfes zum „Grünen Drachen“. Gesichter erschienen hinter kleinen Höhlenfenstern, Nasen wurden vorsichtig durch Türspalte gesteckt, aber nur tanzenden Zwerge und Hobbits, unter ihnen Meriadoc Brandybock, Peregrin Tuk und Borko Stolzfuß, waren auf dem Weg zu sehen.
 
So versammelten sich mehr und mehr Hobbits aus Hobbingen und auch Wasserau in ihrer Dorfschänke. Die Erleichterung war bei jedermann groß, als zu hören war, dass die Südländer besiegt und eingesperrt waren.
 
Viele Hobbits mussten vor der Schänke stehen bleiben und spekulieren, was im Inneren besprochen wurde. Wilde Gerüchte und Geschichten machten die Runde und alles plapperte aufgeregt und erleichtert durcheinander.
 
 
 
Die Zwerge, Maggot und seine braven Söhne und Knechte und vor allem Merry, Pippin und Borko bekamen Ehrenplätze nahe beim Feuer. Ein neues Fass wurde angestochen und Borko war der erste, der einen Trinkspruch ausbrachte:
 
„Auf unseren Anführer Peregrin Tuk, den zukünftigen Thain des Auenlandes!“, rief er und nahm einen tiefen Zug Gerstenbier, das ihm so gut wie nie zuvor schmeckte.
 
Der Trinkspruch wurde nach draußen weitergegeben, und alle ließen Pippin hochleben. Natürlich wurden die Hobbits umso neugieriger, weil ausgerechnet Borko Stolzfuß diesen Spruch ausgebracht hatte. Pippin stand auf und verbeugte sich dankend in Richtung Borko. Nun war es an ihm, den nächsten Spruch auszubringen.
 
„Auf Meriadoc Brandybock und Borko Stolzfuß, die sich in den letzen Tagen als tapfere Hobbits und brave Gefährten erwiesen haben, alle beide.“
 
Wieder jubelte es zuerst im Inneren der Schenke, kurz darauf auch davor. Das ging eine schöne Weile so weiter als Merry die Zwerge, Borko die Maggots und Bauer Maggot die Gemüsediebe hochleben ließen.
 
 
 
„Erzählt!“, wurden die Abenteurer dann lautstark aufgefordert.
 
„Aber von vorne!“, forderten viele Stimmen.
 
Pippin setzte sich inmitten seiner Kampfgefährten zurecht. Auch die Zwerge waren auf eine gute Geschichte gespannt, auch wenn sie den Schluss schon kannten.
 
„Unsere Reise war ein kompletter Fehlschlag ...“, begann Pippin, und sofort hoben die Stimmen an und stellten Fragen nach dem Warum. Verwunderung machte sich breit.
 
„... denn wir haben es nicht geschafft, nach Bree zu kommen“, fuhr Pippin fort. „Und das kam so ...“
 
Es wurde eine sehr lange Nacht für die Bürger von Hobbingen und Wasserau. Gomfour und seine Zwerge, Bauer Maggot und seine Knechte und Söhne und alle Hobbits lehnten sich zurück oder machten es sich vor dem „Grünen Drachen“ gemütlich. Irgendwie gelang es dem Wirt und seinen Helferinnen, alle mit Bier zu versorgen und es wurde bald mucksmäuschenstill. Gemeinsam hörten sie bis zum Morgengrauen die Geschichte der drei Hobbits, die nicht nach Bree kamen.
 
 
 
                                                                        Ende
 
 
 
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