Melanie Jäger

Die Verrückte aus Zelle 302


Ein Taschentuch landete auf dem Boden, eine im künstlichen Licht der Lampe funkelnde Träne verließ die Augenhöhlen und rann sanft ihre Wange hinunter. Sie zog ein Papiertuch aus einer Schachtel, stoppte den Lauf der Träne und lies dann das nun feuchte Tuch zu Boden sinken, zu den anderen Taschentüchern.
Sie stand auf vom ihrem Stuhl auf, lief zielbewusst durch das Zimmer, jedoch ohne auf die Papiertücher auf dem Boden zu achten, die dann an den schweißnassen Füßen kleben blieben.
Dann kam sie zum stehen. Vor dem Waschbecken über dem ein Spiegel hing. Sie blickte hinein und sah grauenvolles- sich selbst. Tief lagen ihre Augen in den Höhlen, fast verschwunden und rund herum stark gerötet. Dünne, vom weinen durchnässte Haarsträhnen pappten an ihren stark eingefallenen Wangen und umrahmten die aufgesprungenen Lippen, die in den vorangegangenen Tagen nur zum Schluchzen geöffnet wurden.
Etwas hinter ihr im Spiegelbild erregte schlagartig ihre Aufmerksamkeit. Sie drehte sich um.
„David“ , gaben die aufgesprungenen Lippen von sich.
Sehr leise und unverständlich, doch er schien es gehört zu haben, er lächelte und nickte.
Innerhalb weniger Sekunden lag sie in seinen Armen, die sie so vermisst hatte. Sie hielt es nicht aus und begann von neuem zu weinen.
Er fuhr durch ihre Haare und schob Strähnen aus ihrem Gesicht.
„Du hast mir so gefehlt!“, brachte sie nun nach längerem schweigen heraus.
Er, sagte nichts.
„Warum hast du mich verlassen?“, fuhr sie nach einer Weile fort.
Wieder blieb er stumm.
Und wieder durchbrach ihre Stimme das Schweigen:„ Ich hatte solche Angst, habe geweint, nicht geschlafen, nichts gegessen, nur an dich gedacht. Es war die reinste Hölle für mich. Aber nun bist du wieder hier, hier bei mir! Versprich mir, dass du mich nie mehr verlässt!“
Sie sah auf, sah aber nur einen sanft nach oben gebogenen Mund, der von der einen Sekunde auf die andere verschwand. Mit ihm das ganze dazu gehörende Gesicht und der Körper.
Ihre Arme waren nun leer. Langsam ließ sie sie sinken, konnte nicht glauben was er ihr angetan hatte, dass er sie nun schon wieder velassen hatte. Sie brach zu Boden, mit einem lauten Schluchzen.
Es war alles zu viel für sie.
 
 
Schnelle Schritte waren vom Ende des langen Flures zu hören. Vor einem quietschenden Medikamenten Wägelchen und einer weiteren Person dahinter, machten die hektischen Schritte halt.
„Ich habe schreie gehört“ , sagte der eine „ deshalb bin ich sofort hierher. Ist etwas passiert?“
„Nein, es war nur die Verrückte aus Zelle 302, die im Drogenrausch aus unerfindlichen Gründen ihren Freund umgebracht hat und dann sich selbst umbringen wollte. Sie leidet wahrscheinlich wieder an Halluzinationen“ , sagte der Mann mit dem Wägelchen. Er schnaufte kurz, dann meinte er:„ Ich glaube, ich verabreiche ihr besser mal eine Beruhigungsspritze.“
Er zog eine Schublade de Wägelchens auf und nahm eine kleine Spritze hervor, die er mit einer klaren Flüssigkeit füllte.
Der andere nickte nur noch und lief wieder in Richtung Ende des Flures.
Der mit der Spritze in der Hand öffnete die Tür von Zelle 302. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.11.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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