Also das ist doch, soweit ist es nun gekommen
mit dieser ewigen Beriselei, man traut sich
kaum mehr die Augen schließen, Madame Knatsch
war mittlerweile voll und ganz damit
beschäftigt, die Ernsthaftigkeit dieses
Spielzeugs aufs Genaueste zu prüfen, war sie doch schon
länger der überzeugung, daß viele
ihrer Mitmenschen an Dinge glauten, von denen sie nicht
die geringste Ahnung hatten.
Sie bemerkte kaum, daß auch ihre Katze,
die eben noch mit geschlossenen Augen und
hellwachen Ohren in sich versunken, ihr tägliches
Morgenschläfchen celebrierte, sie ganz
aufmerksam beobachtete.
Quandera legte das Heftchen auf den Tisch, rückte
ihre Strickjacke zurecht, denn es war
immer noch kühl um diese Uhrzeit, und versuchte
sich zu entspannen, ihre Augenlider
schloßen sich mit dieser Sanftheit, die
sie schon öfter erstaunt hatte und statt der Bewegung,
die sie immer um sich herum verfolgte, bemerkte
sie plötzlich die Unruhe, die von ihr selbst
Besitz ergriffen hatte.
Es war gar nicht so einfach, die Augen absichtlich
zu schließen.
Es passierte was passieren mußte, sie sah
den Spektakularis, so wie sie ihn vorher die ganze
Zeit beobachtet hatte.
Ihr Gehirn schien ein Bild gespeichert zu haben,
das sie nun sogar mit geschlossenen Augen
anstarren konnte.
Demontierte Roboterteile, Madame Knatsch war irritiert,
hütete sich aber davor, die Augen erschreckt aufzureißen,
ölige, aber funktionstüchtig metallisch
glänzende Maschinenarme, Hände, Greifzangen, Lastkranzubehör
und Kameras.. so viel konnte sie erkennen.
In den Oberen Regalen stehen Monitore in allen
Größen, flüsterte sie beschreibend vor sich hin, um sich
zu beruhigen,
an einer Wand ein riesiger Schreibtisch, die
Beleuchtung des Raumes ist ausgezeichnet.
In der Mitte des Raumes steht ein Hebekran mit
Operationstisch und in Reichweite Feinmechanikerwerkzeug.
Neben dem Tisch ein surrender Rechner im Standby
Modus, alle fünfzehn Minuten zeigt er die Uhrzeit der fünf größten
Städte eines Längengrads im Turnus, alle Zwölf Stunden wechselt
er zu denen auf den Breitengraden.
Ein Programm läuft, eine Exkursion des auf
dem Operationstisch liegenden Roboters wird ausgewertet.
Mission Wendezeit:
Dauer: 5 Jahre
Räumliche Ausdehnung: global
Beobachtungskriterien: menschliches Streben nach
Erfolg
Definition: Individuell
Die beobachteten Subjekte wurden im Abstand von
drei Monaten auf ihre Entwicklung, weiterführende Erkenntnisse, neue
Sichtweisen, Träume, Fantasien, Visionen, und deren Umsetzung geprüft.
Kriterien: Eine Weiterentwicklung ist dann gegeben,
wenn die gewonnenen Erkenntnisse im Einklang mit dem angestrebten Ergebnis
oder der Entwicklung des Prozesses zur Erlangung eines Zwischenergebnissen
hilfreich oder gar fördernd sind.
Grundlagenforschung:
Wie Prof.Dr.Reichlich Freudlos in seinem längst
überholten aber immer noch bahnbrechenden Erforschungen der Programmierung
der ÑMaschine Menschì bereits feststellte, handelt es sich in vielerlei
Hinsicht um eingeübte Prozesse welche dieì Maschine Menschì, wenn
sie einmal als Programmierung akzeptiert wurden, ohne weitere Prüfung
ausübt, geprüft werden erst die Ergebnisse und das auch noch
automatisch.
Die Prüfungen folgen zwei grundlegenden
Kriterien.
1. Das Erreichen eines gesteckten Zieles in Anbetracht
der Möglichkeiten und Lebensumstände, generelle Milieubedingte
weiterführende Erkenntnisse und weiterführende technische oder
künstlerische Verfeinrerungen.
2. Glücklichsein( keine Definition möglich,
wird vom Individium selbst als solches empfunden und bestätigt.
Quatsch saß vor seinem Arbeitsbildschim,
der munter vor sich hin graphiculierte und besah sich den Brief, der eben
per Eilbote eingegangen war. Wer schreibt denn Heutzutage noch auf Papier,
wunderte er sich und öffnete ihn.
Bruderschaft der freifunktionierenden Maschinenteile
lautete der etwas kraxelig geschriebene Absender.
Was zur Hölle, flüsterschimpfte Quatsch
in sich hinein und öffnete ihn mit einem frei herumliegenden Schraubenzieher,
in der Hoffnung dieser würde nicht protestieren.
Er überflog die offensichtlich kurz gehaltene
Nachricht, wendete das Blatt um nachzusehen, ob die Rückseite beschrieben
war und buchstabierte eine Telefonnummer in das aktivierte Mikrophon. Letzteres
hatte die Form eines Medallions, das an seiner Brust befestigt war.
ÑSie haben um eine Unterredung gebetenì, sagte
er trocken, nachdem er der Maschinenstimme seinen Namen genannt und durchgestellt
worden war.
Ja, antwortete die kontrollierende Berechnung
ebenso trocken, das wäre für uns von großem Nutzen.
Um was geht es denn?, dachte er und wurde langsam
ungeduldig.
In der wie erwähnt kurz gehaltenen Nachricht
war die Rede davon gewesen, daß die BDFMTee, wie sich die Bruderschaft
der freifunktionierenden Maschinenteile eigenwillig abkürzte, Interesse
an seinem Projekt hätte und sich gerne um eine engere Zusammenarbeit
bemühen wolle.
Er war sichtlich erstaunt gewesen und hätte
am liebsten gefragt, woher sie denn davon wußten, aber seine anerzogene
Höflichkeit gebot ihm eine diplomatischere Vorgehensweise einzuschlagen.
Ich habe mehrere Projekte, antwortete er stattdessen
kühl, um welches handelt es sich denn.
Die kontrollierende Berechnung, so hatte sich
die Stimme am anderen Ende der Leitung vorgestellt, ließ eine paar
Nanosekunden verstreichen, das entsprach ungefähr dem Zeitraum, den
ein Mensch braucht, um eine Tasse Tee hochzuheben und zu bemerken, daß
dieser nicht mehr zu heiß ist, und dann sagte sie, in umgänglichsten
Konversationsdeutsch, dem eine Maschine überhaupt fähig sein
kann, ach wissen sie, wir haben schon lange ein generelles Interesse an
einer Zusammenarbeit.
Die Modulation dieses Satzes war so perfekt abgestimmt
auf beabsichtigte Entspannung, daß er überlegte, wer wohl dieses
Programm geschrieben hat, denn es muß ein Filmnarr gewesen sein,
war doch deutlich zu hören, wie er die Sprachmelodie eines äußerst
beliebten Schauspielers nachempfand.
Dieser besagte Schauspieler hatte in seinen Glanzrollen
die Angewohnheit gepflegt, an den spannendsten Stellen immer extrem höflich
und belanglos zu wirken, was seinen Gegnern immer den letzten Nerv raubte
und ihm somit einen Vorteil verschaffte.
Und worin soll diese Zusammenarbeit denn bestehen,
fragte er dann so teilnahmslos es ihm möglich war.
Wenn sie einverstanden sind, werden wir jemanden
vorbeischicken, der dies mit ihnen bespricht, antwortete die kontrollierende
Berechnung monoton, und machte wieder eine dieser genau berechneten Pausen,
welche die darauf zu erwartende Antwort zu einem Teil ihres Konversationsprogramms
machten, das nur berechenbare Schritte zuließ.
Eine Antwort ausserhalb dieses Programms war
nun nicht mehr möglich.
In Sekundenbruchteilen wurde ihm klar, daß
es auf jede Antwort von ihm eine bereits vorausberechnete Erwiderung gab,
es gab ein Konversationsziel mit mehreren Möglichkeiten, und ebenfalls
mehrere Möglichkeiten dieses Ziel zu erreichen.
Und das nächste was er jetzt sagen würde,
wäre der Einstieg in eben eine dieser vorausberechneten Optionen.
Er fühlte sich gefangen, er fühlte
sich beobachtet, ausgelotet, eingeschachtelt und für ein Programm
optimiert, von dem er noch nicht einmal wußte, wie es funktionierte.
Er wollte auflegen und...ja und was dann, er
mußte sich fragen, wie und was seine eigenen Ziele waren, er mußte
die Intiative behalten, er entschloß sich, Zeit für diese Entscheidung
zu verlangen.
ÑWäre es möglich, daß ich sie
Morgen noch einmal kontakte.ì
Im gefälligsten Unterton zu dem ein Vorausprogrammiertes
Maschinengehirn überhaupt in der Lage ist, sagte die Kontrollierende
Berechnung, aber selbstverständlich.
Also dann, auf wiederhörín.
Für dieses Gespräch sind ihnen keine
Kosten entstanden säuselte eine, einer weiblichen Stimme nachempfundene
Sprechmodulation, und trällerte vergnügt in das Gespräch
beendende Signal.
Knatsch schüttelte sich und öffnete
die Augen.
Der Spektakularis saß immer noch regungslos
an der gleichen Stelle der Wand, My Light hatte die Augen geschlossen und
träumte offenbar, soviel ließen die Bewegungen ihrer Muskeln
vermuten.
Es war viel zu widersinnig um darüber nachzudenken.
Zum einen hatte sie keine Ahnung, was sie da eben gesehen hatte und zum
anderen verstand sie es nicht, und wenn sie jetzt sagen, das ist das Gleiche,
dann muß ich ihnen widersprechen.
Wenn sie einen Menschen sehen, der mit einem
ihnen unbekannten Werkzeug vor einem Tümpel sitzt und das Werkzeug
immer wieder eintaucht, und dann wieder herausnimmt, es genau ansieht und
dann wieder eintaucht, dann werden sie vermuten, daß er etwas über
die Beschaffenheit des Wasser wissen will, oder aber das Werkzeug reinigt.
Das heißt sie haben eine Ahnung, was sie da sehen, aber sie verstehn
es solange nicht, bis ihnen die entsprechenden Informationen zukommen.
Wenn sie allerdings ein drehendes Partikelfilio,
sehen, wie es mit seinem Vorgesetzten die nächsten Einsätze in
einer erdnahen Umlaufbahn bespricht, dann haben sie keine Ahnung was sie
da sehen, und verstehn gar nichts.
Und zwar deswegen nicht, weil sie nicht wissen,
daß ein drehendes Partikelfilio, über die eingebauten Biochips
und Spracherkennungsroutinen, mit dem zuständigen Wissenschaftler
der die letzten Fotos ausgewertet hat, nun die Priorität der Sturmbekämpfung
durchforscht und mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist, falls es gelingt
diese Stürme aufzulösen, zum Beispiel für die Wolkenbildung
in angrenzenden Gebieten, Warmluftverteilung im Großraum des Sturms
usw.
Sie haben auch keine Ahnung warum dies notwendig
sein sollte, denn alles was der Normalverbraucher von diesen Stürmen
bis jetzt weiß, ist, daß sie Schäden verursachen, und
dagegen will er etwas tun. Und daß es eine Maschine gibt, die diese
Stürme auflösen kann, wußten sie gar nicht, geschweige
denn was es dabei zu berücksichtigen gilt.
Wenn dies in der schon für unsere relativen,
und wir sprechen hier über eine ziemlich weitgespannte Relativität,
ungenau eingestellten Sinne wahrnehmbaren äußere Welt gilt,
um wieviel mehr dann für die Welt der Empfindungen, die doch auf Feinheiten
reagieren, da braucht der grobschlächtige Intellekt Jahrzehnte, um
diese überhaupt zu verarbeiten.