Sandra Berner

Machos sind die besseren Männer

Seit nunmehr elf Jahren bin ich ohne feste Beziehung. Natürlich gibt es ab und an eine kleine Affaire, eine Verliebtheit, eine Schwärmerei, die mir so manche Tage versüßt, doch einen festen Platz in meinem Leben möchte ich einem Mann nicht einräumen. Zumindest dachte ich das bis vor kurzem. Dann starb mein Vater, kurz darauf meine liebe Oma und so entdeckte ich das Bedürfnis, mich anzulehnen neu.
In Zeiten der modernen Kommunikation stehen einem ja nun alle Wege offen und so versuche ich - wohlgemerkt mit einer gesunden Portion Skepsis - über eine Internet-Partnerbörse den Mann meiner Träume zu finden.
Durch die lange Zeit des alleine lebens habe ich einige Single-Eigenheiten entwickelt. Dazu gehören unter anderem frühes Aufstehen (nach sechs Uhr Morgens aus den Federn zu kommen ist mir bereits zu spät), ausgiebiges Frühstücken, Onanieren zu Sylvester Stallone Filmen und Baden nach Mitternacht. Ich rede gerne und viel und philosophiere über das Leben und den Sinn und Zweck des menschlichen Daseins als sei ich einer Reich-Ranicki Kritik entsprungen. Meistens halte ich mich für besonders klug, weil ich so weise und erwachsene Ratschläge an Freundinnen verteilen kann, die mit ihren Liebsangelegenheiten allesamt an meiner Türe kratzen. Meine Couch beherbegt fast wöchentlich eine arme Seele, die betrogen und belogen und somit geschändet wurde. Milde lächelnd mache ich mich dann auf, um die Situation des verstrittenen Paares zu analysieren, das Für und Wider einer Reunion abzuwägen und ende meist mit der verblüffenden Erkenntnis, das Männer rücksichtslose Macho-Schweine sind und Frauen durch die Emanzipation die wunderbare Möglichkeit des Single-Daseins haben und nutzen sollten. In der Regel kehren die Gebeutelten aber doch zu ihrem Henker zurück und leben dann mehr oder weniger glücklich an seiner Seite weiter.
Soweit so gut, ich werde mich diesem Schicksal also nicht bloß freiwillig in die Arme werfen, ich werde es herausforden und alles dafür tun, um auch auf der Couch einer Freundin zu enden, die mir milde lächelnd weise Ratschläge gibt, die ich ohnehin nicht befolgen werde. Ich bin ja dann so schrecklich verliebt.
Nein, denke ich, das ist keine gute Idee. So mache ich mich auf und erstelle ein Profil von meinem Traummann, dass dies eben beschriebene Szenario gleich im Keim ersticken wird.
So soll er sein: männlich, zwischen 35-45, treu, ehrlich, intelligent, emotional, kulturell interessiert und humorvoll. Er sollte mindestens einen Meter Achtzig groß sein, wenn möglich blond und blaue oder grüne Augen wären schön. Auf jeden ein natürlicher Typ, uneitel und aufs Wichtige fokussiert: den Charakter. Er darf ruhig ein paar Pfunde zuviel haben und Haare auf dem Kopf sind kein Muss - aber von Vorteil. Sex sollte ihm wichtig sein, aber nicht das Wichtigste.
Ich betrachte mein Anforderungsprofil und bin guter Hoffnung, dass sich so ein Durchschnittsmann nicht allzu schwer finden lassen sollte.
Einige Tage später ist meine In-box voll. Sie quillt über von Antworten auf meine Anzeige. Ich lese eine nach der anderen durch, sortiere die Sexsüchtigen und Heiratswilden aus und lande schließlich bei zwölf Kandidaten, die ich für passend erachte. Da ich auf keinen Fall einen Macho haben will, der den ganzen Tag vor der Glotze sitzt und Fussball guckt, unsere Jahrestage vergisst und zur Kommunikation nur dann fähig ist, wenn es um seinen Lieblingsverein geht, habe ich gezielt Männer ausgeählt, die sich selbst als sensibel und / oder verständnissvoll bezeichnen.
Mark ist der erste auf meiner Liste. Groß, schlank, blond und behaart - zumindest auf dem Kopf. Wir treffen uns in der Stadt auf eine erste Schnupperstunde. Die ist allerdings nach zehn Minuten vorbei, denn Mark kommt nicht pünktlich und das kann ich gar nicht leiden. Ich fnde, dass Unpünktlichkeit von großer Respektlosigkeit dem Wartenden gegenüber zeugt. Meine Freunde rufen mich mittlerweile bereits zwei Minuten, um die sie sich vorraussichtlich verspäten werden, an und erfinden die tollsten Geschichten, um mich zu besänftigen. In sofern ist Mark natürlich von vornherein erledigt. Haken dran und auf zum nächsten!
Ralf passt ohnehin viel besser zu mir. Groß, schlank, dunkelblond und ebenfalls mit einem prächtigen Haarschopf gesegnet. Ralf beginnt allerdings jeden Satz mit "Also ich bin ein Mensch..." und danach folgen endlose Litaneien darüber wie gut dieser Mensch Ralf ist. Ein typisches "Ich erzähl Dir beim ersten Date alles was ich mag und nicht mag"-Gespräch, damit ich nachher auch ja nicht aus dem Profil rausfalle. Nach drei Stunden kenne ich alle Meilensteine von Ralfs Leben wo hingegen er sich nicht einmal meinen Vornamen merken kann. Haken dran und auf zum nächsten!
Michael ist ein ganz stiller Vertreter. Das ist ja für den Anfang recht sympatisch. Allerdings stellt sich recht schnell heraus, dass der Gute so schüchtern ist, dass er nicht einmal für nur eine Sekunde Augenkontakt halten kann. Ich male mir aus, wie er in zehn Jahren überrascht feststellen wird, welche Augenfarbe ich habe. Außerdem sieht Michael aus, als hätte seine Mutter ihn angezogen. Als ich ihn frage, ob es nicht ungewöhnlich ist, an einem Sonntag Nachmittag mit Anzug und Kravatte herumzulaufen, reißt er sich gleich zustimmend den Schlips vom Hals und fragt mich, ob ich an seiner Stelle den ersten Knopf seines Hemdes aufmachen würde. Haken dran und auf zum nächsten!
Thorsten fährt einen Audi TT und ist so verliebt in sein Auto, dass ich bereits nach wenigen Stunden die Vor- und Nachteile der Nimbus-Grau-Lackierung auswendig gelernt habe. Das ist völlig indiskutabel, denn ein Auto soll mich bitte gefälligst sicher von A nach B bringen und mehr auch nicht. Haken dran und auf zum nächsten!
So, endlich bin ich bei Jens angekommen. Jens ist nicht nur vom Aussehen her ein super Typ, er ist charmant, hört mir zu, erzählt lustige Geschichten und scheint sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Er weiß sehr viel und kann gut verbergen, wie er mir ab und an in den Ausschnitt guckt. Wir unterhalten uns vier Stunden und als wir gehen wollen, sagt er der Kellnerin, sie möge bitte zwei Rechnungen fertig machen, wir würden getrennt bezahlen. Hier betreten wir wackligen Boden. Natürlich sind Männer verunsichert, da wir Frauen ja durchaus als emanzipiert zu bezeichnen sind und deswegen für unsere Nahrung selbst aufkommen können. Allerdings mögen wir es auch sehr gerne, wenn wir einen Gentleman vor uns haben, der uns ein wenig den Hof macht. Beim ersten Date ist es daher ein absoluter Fehltritt, die Frau ihre Speisen selbst zahlen zu lassen. Das wird bei Jens vor allem dadurch bekräftigt, dass er, den Hunderter zückend und zur Kellnerin gewandt sagt: "Ihr wollt doch immer so selbständig sein, oder?" Die Kellnerin und ich sind uns einig: Haken dran und auf zum nächsten!
Dass ich bei diesem Date beinah gar keine Erwartungen mehr habe, kann ich mir selbst nicht verübeln. Eigentlich finde ich das auch ganz gut, denn schließlich ist die Enttäuschung dann hinterher nicht so groß. Aber vielleicht klappt es ja diesmal, denn Markus ist immerhin pünktlich, beginnt seinen ersten Satz nach dem Hallo mit "Wozu darf ich Dich einladen?" und sieht aus, als hätte er seine Kleidung heute Morgen selbst gewählt.
Markus und ich schlendern nach einem gelungenen Abendessen an der Rheinpromenade entlang und er ergreift ein wenig unsicher meine Hand. Das finde ich sehr charmant und ich verspüre leichte Flügelschläge von winzigen Schmetterlingen im Bauch. Er lädt mich auf einen Cocktail in seiner Stammbar ein und ich freue mich auf weitere unterhaltsame Konversation. Bereits beim Eintritt in die Lokalität werden wir vom Eigentümer mit Handschlag begrüsst. Als wir uns an die Bar setzen dauert es bloß wenige Minuten, bis die erste blonde Schönheit entzückt "Der Markus ist da!" quiekt und von da an ist an Konversation nicht mehr zu denken. Zumindest nicht zwischen Markus und mir. Nach einer Stunde, in der ich teilnahmslos und von unzähligen Frauen zur Seite gedrängt und verachtend ingnoriert wurde, verziehe ich mich unauffällig. Ich glaube nicht, dass Markus meinen Weggang nicht großartig bemerkt hat. Haken dran - es gibt keinen Nächsten!
 
Als ich zwei Tage später mit einer Freundin in einer Bar verabredet bin und bereits an der Theke sitze, gesellt sich ein Bilderbuch-Macho zu mir. Ausgewaschene Jeans, braune taillierte Lederjacke, weißes BOss T-Shirt, sonnengebleichte, gegeelte Haare, sonnenbankgebräunte Haut und der viel zu aufdringliche Duft seines After Shaves bringen mich dazu, ihm demonstrativ den Rücken zuzuwenden. Lässig schnippt er nach dem Barkeeper, der leicht genervt die Augen verdreht - ich kann das im Spiegel sehen - und bestellt irgendeinen trendigen, männlichen Cocktail. Ich verfluche meine Freundin, die sich bereits um drei Minuten verspätet und nicht einmal die typische Ich-steh-im-Stau-SMS geschrieben hat.
Ein Tippen auf meiner linken Schulter. "Alleine hier?" kommt die wenig intelligente Frage von Don Testosteron.
"Ernsthaft?" gebe ich ungläubig zurück.
"Mir fiel nichts besseres ein." Er nippt an seinem Drink. "Ich bin übrigens Jo." Dscho, na klar. Vermutlich Johannes oder Jonatan - aber das wäre ja nicht cool genug.
"Und ich bin absolut nicht interessiert. Ab-so-lut nicht!" Ich drehe mich wieder weg.
"Doch, bist du. Du weisst es nur noch nicht."
Ich ignoriere ihn so gut es geht. Minuten, die mir wie Stunden vorkommen, vergehen bis ich ein erneutes Tippen wahrnehme.
"Haste deine Tage?" kommt die Frage von hinten.
"Bitte?" Ich drehe mich entrüstet um und bin bereit, diesem Hirni eine zu scheuern. Vorher überlege ich jedoch kurz, ob ich tatsächlich meine Tage habe.
"Bringt dich doch nicht um, mit mir was zu trinken."
"Da bin ich aber anderer Ansicht. Konzentrier dich doch mal auf die zwei Häschen da drüben, die scheinen sich für sowas wie dich brennend zu interessieren. Viel Spaß!" Das dürfte ja wohl reichen, um diesen Typen loszuwerden.
"Ich finde dich aber viel aufregender als die Puppen da hinten."
"Tja, hier wäre eine gute Vorraussetzung, wenn dies auf Gegenseitigkeit beruhen würde. Tut es aber nicht!"
"Schade."
"Finde ich nicht. War´s das jetzt endlich?"
"Glaub´ nicht."
"Okay, was muss ich machen, um dich loszuwerden?"
"Geh doch einfach, wenn du mich nicht ertragen kannst."
"Geh du doch."
"Wieso ich? Ich will dich doch etragen."
"Du bist ein Idiot!" Ich stehe auf und krame nach meinem Geldbeutel.
"Und du bist ´ne Zicke."
"Wie du meinst."
"Willst du schon gehen?"
"Du lässt mir ja keine andere Wahl."
"Dann geh ich auch."
"Was?" gebe ich erschrocken zurück.
"Ich komm mit dir."
"Auf keinen Fall!"
"Dann bleib hier und trink was mit mir."
"Das tue ich nicht."
"Warum denn nicht?"
"Weil du ein androgenes Brunftschwein bist. Weil du entweder was zum Vögeln suchst oder einfach nur eine Wette mit deinen Freunden abgeschlossen hast, dass sogar die blödeste Anmache bei einem super Typen wie dir funktioniert. Oder auch einfach weil ich dich zum kotzen finde."
"Tust du nicht."
"Doch, das tue ich sehr wohl."
"Was willst du trinken?"
Ich schüttele den Kopf und lege fünf Euro auf den Tresen. Der Barkeeper nickt mir zu und ich drehe mich um und gehe. Noch nicht ganz aus der Türe raus höre ich schnelle Schritte hinter mir.
"Also," kommt mir Jo hinterher, "wohin gehen wir jetzt?"
"Wir gehen zu mir nach Haus, vögeln dort und dann machst du dass du wegkommst bevor der Morgen graut. Anders werde ich dich ja wohl nicht los."
"Stimmt."
Aber Jo vögelt mich nicht. Wir reden die ganze Nacht. Darüber, wie er mit seinen Freunden gewettet hat, dass ein super Typ wie er selbst mit der billigsten Anmache eine Frau abschleppen kann. Darüber dass er leidenschaftlich gerne Fussball guckt und ungerne über seine Gefühle spricht. Darüber, dass er morgens nie vor zwölf Uhr aus den Federn kommt und darüber dass wir überhaupt nicht zusammen passen.
 
Heute, acht Jahre nach unserem ersten Treffen reden wir immer noch nicht über seine Gefühle. Zumindest nicht sehr oft. Samstags bei der Sportschau habe ich absolutes Redeverbot, dafür steht er mit mir sogar Sonntags um sechs Uhr auf. Er kauft keine Tampons und ich kaufe kein Bier. Er darf seinen Freunden erzählen wie wild wir es auf dem Küchenboden treiben und ich genieße unsere Kuschelstunden vor dem Fernseher, in dem wir uns alte Doris Day-Filme angucken. Ich verrate niemandem, dass er in Wirklichkeit Johann-Friedrich heisst und er nennt mich niemals Baby oder Puppe. Er findet es okay, dass ich mehr verdiene als er und ich gebe zu, dass ich kein IKEA Regal zusammen bauen kann. Manchmal sitze ich bei meiner Freundin auf der Couch und beschwere mich darüber, dass Jo schon wieder unseren Jahrestag vergessen hat. Manchmal überrascht er mich mit Geschenken und Aufmerksamkeiten, die mich zu Tränen rühren.
Ich liebe ihn und dafür liebt er mich. Oder umgekehrt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.12.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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