Gaby Schumacher

Reparatur aus Liebe!



In meiner Geschichte geht es um ein junges Liebespaar, genauer gesagt, um ein extra junges Liebespärchen. Gerade mal den Kinderschuhen entflohen, Manuela sechzehn und Jürgen fünfzehn Jahre alt.

Beide gingen sie noch zur Schule. Sie lernten sich auf einer Klassenfete kennen. Erinnerte sich Manuela später nach vielen Jahren, als sie beide längst getrennte Lebenswege beschritten, an ihren ersten Blick in Jürgens grüne Augen, lächelte sie immer noch verschmitzt vor sich hin.

"Was war ich aufgeregt und mit welch rotem Kopf habe ich da gestanden, als er mich zum Tanzen nach der doch unsäglich schönen Schmalzmusik aufgefordert hat!", erinnerte sie sich. An Unterhaltung war überhaupt nicht zu denken gewesen. Manuela und Jürgen hatten beide kein einziges Wort raus gekriegt. Nicht nur deshalb, weil sie sich auf Anhieb mochten, sondern sie waren eifrigst damit beschäftigt, da unten ihre Füße zu sortieren:
"Ein Schritt vor, zwei zurück, dann ein Schritt nach links und wieder von vorne!"

Wehe, Manuela hatte sich verzählt, dann stolperte sie zuerst über ihre eigenen, dann über Jürgens Füße, der als Möchtegern-Kavalier verzweifelt seine Mimik unter Kontrolle hielt und sich den Spitze-Absätze-Schmerz heldenhaft verbiss. Gut, dass er sie festhielt, besser gesagt, sie sich aneinander festhielten, um denn nicht doch noch der Länge nach hinzufliegen und sich dabei unsäglich vor den Anderen zu blamieren.

Nach gemeinsamem Durchstehen dieser für ihr Halberwachsenen-Image so gefährlichen Situation mochten sie sich dann noch mehr. Sie mochten sich sogar so gerne, dass sie sich doch tatsächlich ineinander verguckten. Das wiederum blieb nicht nur für die Dauer jenes Klassenfestes so, sondern hatte Bestand für mehrere Monate.

Deshalb kam es dazu, dass Manuela voller Stolz Jürgen ihren Eltern vorstellte. Schließlich war ihr Freund ein sehr nett aussehender Junge, intelligent und charmant. Jurgen gab sich bei jenem Zusammentreffen so charmant wie noch nie, denn er wollte erstens Manuela und zweitens da besonders Manuelas Mutter imponieren (dem Vater natürlich auch!). Prompt war auch Manuelas Mutter von ihm begeistert und Töcherchen demzufolge im siebenten Himmel.

Leider gab es aber ein kleines Härchen in der Sympathiesuppe. Manuela selbst sah ja schon jünger aus als sie war. Jürgen jedoch zählte ja erst fünfzehn Lenze und sah dummerweise nooch jünger aus. Manueles Eltern fanden das peinlich:
"Ihr seht zusammen aus wie zwei Zehnjährige! Was sollen bloß die Leute denken?"

Manuelas älterer Bruder konnte es nicht lassen und frotzelte nach Kräften herum, immer wieder. Seine Schwester war deswegen sehr sauer und erzählte alles brühwarm ihrem Freund, der dann auch sauer wurde und wütend darüber grübelte, wie er sein Schon-fast-Erwachsensein beweisen und damit seine Ehre wieder herstellen könnte.

Das Schicksal meinte es gut mit ihm. Es war die Zeit der Schallplattenspieler. In fast jedem Haushalt fand man solch ein Ding, das dann den halben lieben Tag vor sich hin duddelte. Eines Tages bekam Jürgen mit, dass daheim in Manuelas Zuhause eben jener Schallplattenspieler kurz davor stand, seinen Geist aufzugeben. Dem Gerät war nur noch ein jämmerliches Jaulen zu entlocken.
"Das ist meine Chance!", sagte sich der technisch begeisterte, glühende Verehrer der Tochter des Hauses und bot seine fachkundige Hilfe an.

Beeindruckt standen Eltern plus natürlich seine Freundin um ihn herum, als er den Schallplattenkreisel aurf dessen Gesundheit untersuchte. Nach knapp einer halben Stunde erklärte er, sich in der Bewunderung der Umstehenden sonnend:
"So, der ist wieder in Ordnung!"

Nach dem, wie fachmännisch er gewerkelt hatte, zweifelten weder Manuelas Vater (die Mutter soundso nicht, weil sie von Technik keinerlei Ahnung hatte!) noch aus ja nooch weitaus verständlicherem, weil rosaroten Grunde Manuela sein Wissen an.

Die Drei bedankten sich bei Jürgen, Manuela strahlte noch mehr vor Stolz und schwebte bereits im achten Himmel. Dieses Gefühl durfte sie immerhin an die zwei Stunden genießen. Dann allerdings war damit Schluß.

Die Ernüchterungspille erschien in Gestalt des besagten älteren Bruders. Der erfuhr sofort von diesem wichtigen Ereignis, zeigte sich aber mitnichten tief beeindruckt, sondern marschierte seinem inneren Reifegrad Achtung erweisend, langsam würdevollen Schrittes ins Wohnzimmer auf den Schallplattenspieler zu, legte eine Platte auf und stellte das Gerät an.

Alles hielt den Atem an. Die Eltern starrten, ausnahmsweise wortlos, wie hypnotisierend auf das Gerät. Manuela ebenfalls, wobei ihr das Herz bis zum Halse klopfte. Gleich wäre ihr Triumpf vollkommen. Nicht etwa der hochnäsig drein schauende Bruder, sondern ihr Freund, ihr Jürgen hatte es geschafft, dieses Ding vor der Schrottpresse zu retten.

Die vier Menschen spitzten die Ohren, forschten nach einem Ton, den man als Musik hätte bezeichnen können. Aber leider war da nichts, was der Bezeichnung `Melodie`gerecht wurde. Der einzige Laut war ein noch viel schrecklicheres Kreischen als der vor der Reparatur aus Liebe.

Der Bruder feixte:
"Sagt mal, wer hat den denn kaputt repariert..?!"

Es brauchte mehrere Jahre, ehe Manuela ihrem Bruder diese Bemerkung verzieh.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.12.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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