Thomas Backus

Weihnachten in China

„Was wünscht du dir zu weihnachten?“, fragte eine tiefe, sympathische Stimme. Trotzdem zuckte das kleine Mädchen mit den schwarzen Zöpfen zusammen. In ihrer Angst ließ sie eine wunderbar glänzende rote Weihnachtsbaumkugel fallen. Die zersprang, genauso wie das Herz des Kindes, in tausend Stücke.
Der dicke Mann mit dem watteweißen Bart blickte ganz verstört. Normalerweise reagierten die Kinder auf seine freundliche Frage ganz anders. Wer weinte schon, wenn er nach seinen Wünschen gefragt wird.
„Du kannst es mir ruhig sagen, ich bin der Weihnachtsmann!“, sagte er versöhnlich.
Aber das Kind weinte weiter. Es blickte verschämt auf die Scherben zu seinen Füßen, als müsse es die zersprungene Kugel bezahlen.
„Ich wünsche mir Tariflohn!“, sagte das Kind. „Zehn Stunden am Tag muss ich Weihnachtskugeln bemalen, dafür bekomme ich 50 Cent die Stunde. Ich arbeite, meine Eltern arbeiten und meine fünf Geschwister ebenfalls. Wir bemalen Kugeln, damit die Weihnachtsbäume in Deutschland schön geschmückt sind, wenn du kommst. Trotzdem leben wir auf der Straße, weil wir uns keine Wohnung leisten können. Ich wünsche mir den Tariflohn!“
Der Weihnachtsmann schluckte. Er bemerkte die giftigen Quecksilberdämpfe, die in der Luft lagen und wünschte sich die Macht, den Wunsch des Mädchens erfüllen zu können. Aber alles, was er zu verschenken hatte, war Spielzeug.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.12.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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