Andreas Gritsch

Mein Opa aus Irland

 
 
 
Er war ein Spät-Heimkehrer / all die Jahre in der Gefangenschaft konnte er nur durchhalten, weil ihm seine Frau, bevor er nach dem ersten Urlaub erneut an die Ostfront befohlen wurde, die einzigen Worte sagte, welche ihn für einen kurzen Moment diese Zeit vergessen ließen:
-Mein lieber Schatz, ich bin in froher Hoffnung-
 
Doch Opa erlebte weder die Geburt, noch die ersten neun Lebensjahre seines Sohnes. Aber der Gedanke an seine geliebte Frau, und die Vorstellung von seinem Sohn, ließen ihn dieses Russland überstehen.
 
Ich selbst erlebte meinen Großvater nur bis zu meinem fünften Lebensjahr, denn nachdem er seine Pflicht auch als Arbeiter an seinem Vaterland geleistet hatte, wollte er einfach nur weg.
Einen Neuanfang für den Lebensabend wagen. Immer schon wollte Opa nach Irland und dort auch seine Ruhe. Ein Kontakt, wie er in einem Brief wissen ließ, kommt nur durch ihn zustande.
 
Mein Vater hat mir nie etwas von Opa, oder seiner eigenen Kindheit erzählt. Ich habe mich auch nur selten getraut nachzufragen, denn ihre Zeit, ihre Erlebnisse, konnte ich mir aus den Geschichtsbüchern zusammenstellen.
Doch mit der Theorie war schluß, als wir die Nachricht erhielten, Opa wolle ein letztes mal seine Familie in Deutschland besuchen. In diesem Moment begannen die Erinnerungen an meinen Großvater wieder lebendig zu werden. Sein rauchiges, tiefes Lachen, als ich auf seinem Schoß sitzend nicht aufhören wollte, an seinem Bart zu ziehen. Ich hatte auch wieder den Duft seiner Pfeiffe in der Nase, die er sich ansteckte, nachdem er mehr als jeder andere am Tisch gegessen hatte.
Er setzte sich dann auf die Bank im Garten, wollte einfach nur Rauchen und nichts sagen müssen. Als kleiner Junge durfte ich mit ihm auf dieser Bank sitzen. Schweigend sah ich ihn dann an und fühlte mich geborgen.
 
Diese Erinnerung wollte ich nun, nach zwanzig Jahren, wieder als etwas Schönes in dieser Gegenwart erfahren, wieder dieses Kind sein, das neben seinem Opa auf der Bank im Garten sitzt.
Die ganze Sippschaft traf sich im Haus meiner Oma, die ich nicht kennenlernen durfte. Dieses Haus wird aber gehegt und gepflegt von einer Cousine, die auch alles so erhält, wie es früher einmal war.
 
An diesem Abend, es war ein großes Fest, wollte ich natürlich zu meinem Opa - Bei ihm sein und mit ihm in Vertautheit schweigen. Aber die Familie ist groß, und die meißten reden lieber, als einfach Ruhe zu geben.
Doch am Ende kam ich auch noch dran, ich stand nach zwanzig Jahren endlich wieder vor meinem Opa und reichte ihm die Hand. Da sah er mich mit seinen strahlend blauen Augen an und sagte :
 
- Mein Sohn ist nichts wert, kein Wunder, daß er so etwas wie dich in die Welt gesetzt hat -
 
 
 
 
 
 
 
 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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