David Förster

physik im weltraum


Bitte die Fußnoten beim Lesen beachten!
 
Ich lasse meinen Blick mal eben durch die Kraterlandschaft meines Zimmers schweifen und entdecke, versteckt unter zwei Büchern und einem halbherzig abgeleckten Löffel, einen über und über versifften Zettel (ich lasse "versifft" mal als einen recht weitgreifenden Begriff hier stehen, da ich denke, wenn ich "voller kaffeeflecken"geschrieben hätte,wäre es einfach zu...stereotypisch ... (hab' ich diesen literarischen Kunstgriff grad’ übereifrig zunichte gemacht?)) auf dem ich eines Tages eine kleine Geschichte verfasst habe, um meiner Verzweiflung während der Physik-Klausur Ausdruck zu verleihen. Ich habe sie während der klausur verfasst. nein, nicht parallel dazu....
 
Ich gebe sie so wieder, wie sie auf meinem Papier steht (führt euch vor Augen, dass ich in perfekter Planlosigkeit vor einer Physik-Klausur sitze, sie zur Seite lege, und denke, ich sollte der Nachwelt doch mal an meiner Situation teilhaben lassen)



"Hallo

Ich sitze momentan in der Hölle. Weniger der Ort regiert vom Teufel, als der, mit dem Billardtisch. Irgendeine Spaßnase von Lehrer hat sich diesen Namen für einen Raum ausgedacht, welcher sich im Untergrund der Schule befindet und jedesmal, wenn eine Klasse sich einem erneuten Test zur Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung unterziehen muss, wird sie hier herein geführt... ironischerweise ist es hier schweinekalt, immer. Aber das ist noch nicht das Erniedrigende an diesem Raum, denn um die Wunde der Tragödien, die hier durchlebt werden, noch tiefer zu reißen steht am Ende des Raums, keusch verdeckt mit einem verstaubten tuch, ein Billardtisch!
Wieviel Unmenschlichkeit und perverses Gedankengut muss sich da im Gehirn des Raumgestalters befunden haben, dass es nach jahrelanger Unterdrückung ausbrach um sich mit all seiner Abartigkeit in der Gestaltung eben dieses Raums zu manifestieren? Ich bin zwar kein Psychoanalytiker, aber ich tippe auf Heimkind. Eingeliefert nachdem er sich geweigert hatte, sich weiter von den geistesgestörten Dackeln seiner Eltern sexuell belästigen zu lassen.
Doch selbst im heim hatte er dieses Trauma nie richtig verarbeiten können, denn Heimvater Jahn hatte zwei gut trainierte Frettchen,...(die konnten einiges, auch ohne Kondom und Gleitgel)
Wären es nicht mitunter Minderjährige, die diesem vor schwarzem chi platzenden Raum ausgesetzt werden, würde ich glatt Mitleid für diese tragische Gestalt empfinden, aber es ist einfach unverzeihlich. Da gilt auch Nager-im-Darm nicht als Entschuldigung.

Aber ich schweife ab,... um genau zu sein fühle ich mich auch nicht unwohl momentan, eher gelangweilt. die Physik-Klausur liegt leicht versetzt vor mir auf dem Tisch und ich fühle mich ihr gegenüber, als stünde ich vor einem Schaltpult mit grob geschätzt halb so vielen Knöpfen, wie es Plankton im Pazifik gibt.* Ich bin sozusagen der Held, der das fremde Raumschiff betreten und soweit auch schon alles wichtige erledigt hat (alles gnadenlos niedergemetzelt, was mehr als zwei Augen hat -check!, letzte noch lebende, und obendrein attraktive, Frau der Erde abgeschleppt - plop!, -check ,... und solche Sachen halt) Jedoch nun vor dem dicken Problem steht, den Knopf zu finden, der den Countdown stoppt. (wäre sonst ja langweilig)
Da steht er nun, eingesaut mit einer Farbe, die nur Alienblut haben kann und einer leicht blutenden Wunde an der rechten Schläfe. Nach dem obligatorischen Kratzen am Heldenbart keimt in ihm die Gewissheit, dass zehn Sekunden definitiv nicht ausreichen, grob gepeilt 64 billionen Knöpfe auszuprobieren.

Er dreht sich noch ein letztesmal um und nähert sich dem überdimensionalen Plasmabildschirm, auf dem die Erde zu sehen ist. Trauer macht sich auf den Weg, seine momentane Gefühlslage zu überwältigen, wenn nötig mit Gewalt. Doch als er an den Bildschirm treten will, um in einem dramatischen moment die Abbildung seines Heimatplanetens noch ein letztes mal berühren zu können, stolpert er über eine Popcorntüte. Unschlüssig hebt er sie auf und lässt dabei er seinen blick flüchtig über den raum schweifen. Eigentlich nur um sicherzustellen, dass keine popcornvernarrte Alienbrut mehr am leben ist. Doch entgegen aller erwartungen, und er war auf alles gefasst gewesen, sieht er plötzlich dutzende, in Hast achtlos auf den Boden geworfene Popcorntüten zwischen einigen Stuhlreihen. Tacitos mit Salsa-Sauce fehlen natürlich nicht und unschönerweise liegen diverse offene Dip-Saucen auf dem Teppich verstreut.
Innerlich erleichtert, in eine Popcorntüte getreten zu sein und nicht in eine für seine neuen Venice-Turnschuhe verheerende Chili-Sauce, sucht sich unser Held einen der vorderen Plätze aus, von den hinteren hatte man zwar eine bessere Sicht, er wollte jedoch nicht das Risiko eingehen, sich auf einen Logenplatz zu setzen. Er hatte schon öfter die Unannehmlichkeit auf sich nehmen müssen, den Platz für den rechtmäßigen Pächter verlassen zu müssen, nachdem er sich nach dem Erwerb einer Parkett-Karte heimlich auf die 1,50 $ teureren Logenplätze gesetzt hatte. Ein Spiel mit dem Feuer, aber wenigstens blieb dann noch etwas vom Taschengeld für Popcorn über.
Derartige Peinlichkeiten wollte er diesmal tunlichst vermeiden. also lehnte er sich zurück und freute sich auf die nun folgende Show. das mag vielleicht zynisch klingen, aber Helden müssen so sein. Nachdem der Countdown zum Ende gekommen war, wurde es kurz dunkel im Raumschiff, was auf den enormen Energiebedarf eines Plasmabilschirms zurückzuführen ist, der auf Breitbild umgestellt wird.
Der Zentralcomputer entschuldigte sich noch knapp, und etwas sehr formal, wie unser Protagonist empfand, für die Verzögerung und löste die Planetenzerstörende Bordkanone aus. Mit einem Anflug von Wehmut dippte der Held ein erstes** und letztes mal einen Popcorn in Salsa-Sauce und schaute zu, wie die Erde sich erstaunlich verhalten in Staub auflöste. Feuer ging ja nicht, ist ja im weltraum, kann ja nix brennen. Soviel hatte er gelernt. Aber etwas mehr hatte er schon erwartet, wofür war sonst ein so großer Bildschirm und all das Popcorn angeschafft worden? Und wofür hatte er überhaupt gekämpft?

Als die enorme, wenn auch unspektakuläre Druckwelle das Schiff erreichte und es mitsamt Held in seine Einzelteile zerlegte, nahm diese Geschichte ein ebenso unspektakuläres Ende. Was im Prinzip auch relativ egal ist, lebt ja doch niemand mehr, der dieses ende "nicht" kennt. Eine tragische Geschichte...

FIN



*  Mehr hätte unecht gewirkt, selbst als Hyperbel
 
** Er hatte sich vorher nie die, mit 2,50$ hoffnungslos überteuerte, Salsa kaufen können 




... so ungefähr ging es mir bei meiner Physik- Klausur. Nur das mit dem Popcorn war gelogen. Ich hatte keins. "

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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