Peter, Nr. 33
Peter und Antje sind
zufrieden, ihre Eltern haben es gut aufgenommen und Antjes Vater ist sehr gut
gelaunt. Sie stoßen mit einen guten Rotwein an, den er extra aus seinem
Weinkeller geholt hat. Peter, der sich so langsam auch bei Antjes Eltern zu
Hause fühlt, erzählt von der Umschulung und überhaupt von seinem Werdegang nach
der Wende. Niemand unterbricht ihn und so redet er fast eine halbe Stunde.
Auch, dass er mit Antje gern ein oder zwei Kinder haben möchte. Aber noch
warten möchte, bis er wieder in seiner Heimatstadt einen annehmbaren, vor allem
sicheren Job gefunden hat. Antjes Mutter
nimmt seine Hand und sagt, dass sie beide ihn gern haben und froh sind, dass
ihre Tochter endlich einen jungen Mann gefunden hat, der sie auch versteht.
Antjes Vater sagt dann, dass man ja nicht alles so verbissen sehen muss und
erst mal mit kleinen Schritten etwas Schönes aufbauen könnte. Nachdem sie eine
Weile sich noch unterhalten haben über mögliche Zukunftsvarianten der Kinder,
erhebt sich Peter und bittet darum, seine Mutter anzurufen. Sie ist erfreut,
als Peter ihr mitteilt, dass er mit Antje zum Kaffeetrinken kommen würde.
Unterwegs kaufen sie in der Friedhofsgärtnerei einen Blumenstrauß, der nach
Biedermeierart gebunden ist. Sie laufen etwas eine halbe Stunde und unterwegs
erzählt Peter seiner Antje das ganze Dilemma mit Elvira und ihren Eltern. Nur
dass er seinen persönlichen Reibach aus der Geschichte gemacht hat und dass er
noch einen kleinen Nebenverdienst hat, verschweigt er ihr. So nach und nach,
setzt sich bei ihm der Gedanke fest, dass er eigentlich weitermachen könnte,
mit Ellen und Marion. Er wird ihnen aber die Wahrheit sagen und wenn sie den
Kontakt abbrechen, ist es eben auch nicht zu ändern. Sie sind am Wohnhaus von
Peters Eltern angekommen und Peters Mutter winkt vom Fenster herunter. Oben erwartet sie der gedeckte Kaffeetisch,
Mutter hat extra ihre wertvollen Sammeltassen herausgenommen und eine herrlich
duftende Quarktorte, ohne Boden gebacken, steht auf dem Tisch. Der schöne Blumenstrauß
! ruft Mutter und Vater holt eine Kristallvase und füllt sie mit Wasser. Der
Blumenstrauß verleiht den Tisch nun einen festlichen Charakter. Schweigend setzen sich die beiden jungen
Leute und die Mutter schenkt Kaffee ein. Peters Vater schaut seinen Sohn
fragend an. Peter wird es unbehaglich und er rutscht hin und her. Da nimmt
Antje seine Hand und schaut ihn liebevoll an und nickt zustimmend. Peter sagt
zu seinen Eltern, dass sie heiraten wollen und gern zusammen leben wollen. Der
Vater bekommt Tränen in die Augen und ungeschickt, wischt er diese aus den
Augenwinkeln weg. Die Mutter schaut Antje liebevoll an und sagt mit ganz
weicher Stimme, dass sie es sofort gewusst hätte, als Peter das erste Mal mit
ihr zu ihnen kam. Sie freue sich sehr und das Peter ganz großes Glück nun endlich
gefunden habe. Der Vater fragt, wie man sich denn das nun vorstelle. Nach dem
Praktikum und der Ausbildereignung werde er ja den 3 Jahres Vertrag als
Lehrkraft in der weit entfernten Stadt antreten. Antje meinte dazu ganz
trocken, dass sie ja erst mal eine Art Wochenendehe führen könne und wenn Peter
erst mal am Lehrberuf Freude und Anklang gefunden habe. Da kann er ja auch hier als Lehrer
tätig sein. Mit Kindern möchte man erst mal warten. Sie sprach alles so
unbekümmert aus, dass Peter sie ganz spontan vor seinen Eltern in die Arme nahm
und sie küsste. Die Eltern sahen sich dabei an und seufzten beide. Ihr Junge hatte
eine liebe Frau gefunden und sie waren beide sehr froh. Nach dem Kaffeetrinken
packte Peter wieder seine Koffer für das Praktikum, dort wollte er Eindruck
schinden. Die Mutter hatte für jeden Tag ein Hemd mit passendem Schlips
vorbereitet. Peter sah zu Antje hin, die auf einen Stuhl am Fenster saß. Sie
sah stumm zu und fragte, ob er denn gern Hemden anziehe und Schlipse dazu umbinde
? Peter bejahte und fragte gleichzeitig, das mit dem Bügeln könne er ja
übernehmen. Sie schüttelte dem Kopf, dass ihre Haare wild umherflogen. Nein,
sie mache das schon gern für ihren Schatz. Die Mutter lachte nun auch und sagte,
dass sie ja auch noch da sei und wenn beide jungen Leute auf Arbeit gehen, habe
man sehr wenig Freizeit, diese müsse man nutzen. Der Vater, der in der Tür
stand, meinte dass seine Schwiegermutter damals sehr viel geholfen habe. Peter
sei damals viel von ihr verwöhnt worden und sie habe ihnen viel abgenommen.
Leider starb sie viel zu früh und Peters Mutter ging zu ihren Mann. Umarmte ihn
und sagte, besonders um ihn sei sie bemüht gewesen. Jedes Mal wenn er so spät
zum Wochenende Freitagabend von der Uni kam, standen für ihn immer
Bratkartoffeln bereit und da sie ja noch am Samstag arbeiten musste, hat sie
viel im Haushalt der Tochter geholfen. Ja, sie sei eine stille Frau gewesen,
der Vater als einer der ersten im zweiten Weltkrieg gefallen und mit 5 Kindern
alleine. Aus jedem ihrer Kinder sei etwas geworden. Sie hat sich alles vom
Munde abgespart und ist dann genau so, still und bescheiden gestorben. Ihre
letzten Worte seien gewesen, dass die junge Mutter ja auf ihr Kind aufpassen
solle, er habe es doch so leicht an den Bronchien. Peter schaute hoch und
fragte seinen Vater, ob er denn Eltern und Geschwister habe. Die 4 Brüder der
Mutter und deren Familien kannte Peter
alle sehr gut . Sie wohnten um die Bergarbeiterstadt, die für ihre weihnachtliche
Bergmannsparade bekannt war, verstreut auf den Dörfern. Hatten alle im Bergbau
gearbeitet und jetzt kleine Wirtschaften, mit Viehzeug und einem kleinen Stück
Land. Da sie alle älter waren, als Peters Mutter, waren sie alle schon längere
Zeit in Rente. Peter erinnerte sich sehr gut, dass er als Junge viel mit dem
Rad durch die Umgebung gefahren war und viel Spaß mit den zahlreichen Cousinen
und Cousins in den Schulferien hatte. Ach, ja, denkt dran sagte der Vater, wird
eine etwas größere Hochzeit werden. Und wie ist das mit Deiner Verwandtschaft
?, fragte Peter seinen Vater. Da wurde das Gesicht des Vaters hart und
versteinerte sich. Ich möchte nicht, dass da jemand kommt und ging aus dem Zimmer.
Man hörte die Wohnungstür klappen. Stumm drehte sich Peter zu seiner Mutter um.
Sie seufzte und setzte sich aufs Bett und fing an zu erzählen. Peters Vater
entstammte aus einer Geschäftsleutefamilie aus Dresden. Seine Eltern hatten
eine gut gehende Bäckerei am Fuße des weißen Hirschs. Der Vater kam aus dem
Krieg, als dieser schon 4 Jahre zu Ende war und gründete die DDR mit. Als
erstes ging er als Meister in den Backbetrieb , der dann für seinen Dresdener
Stollen berühmt wurde. Man wohnte weiterhin in dem großen Haus und Peters Vater
studierte in Dresden Lehrer, seine Schwester Inge angelte sich nach der
Verkäuferinnenlehre einen angehenden NVA-Offizier der Dresdener
Militärakademie. Dieser wurde dann nach Eggesin
versetzt und Inge ging mit. Bekam dann zwei Kinder, die man sozialistisch
erzog. Peters Vater gründete dann in Peters Heimatstadt, welche für ihre
weihnachtlichen Bergmannsparaden berühmt war, eine Familie. Die Geschwister
verstanden sich nie, während Peters Vater immer im Haushalt helfen musste,
verzog man Inge zu einer feinen Lebedame. Die Heirat mit dem jungen NVA –
Leutnant war der Beginn einer reinen Zweckehe. Der richtige Streit begann, als
die Mutter starb und der Vater sich eine neue Frau nahm. Inge versuchte von
Anfang an gegen diese Verbindung anzugehen und intrigierte, welches sie schon
immer meisterhaft verstand, innerhalb der Familie. Doch irgendwie kam alles
raus und der Vater verstieß seine Tochter. Nach seinem Tod, bekam die zweite
Frau das Haus und diese gründete darin das erste privat geführte Seniorenheim
in der damaligen DDR. Inge zog dann wieder mit ihrem Mann in den Süden der DDR.
Versuchte dann zu ihrem Bruder Kontakt aufzunehmen, da er ja auch vom Vater nicht
mehr beachtet wurde. Peters Vater ist aber ein echter „Sturnischel“ , wie seine Frau liebevoll
sagte, wenn Du es bei ihm einmal verspielt hast, ist die Tür zu ! Inges Mann
starb dann an Lungenkrebs, die Kinder waren aus dem Haus, hatten eigene
Familien. Inge übernahm dann eine Kantine in einer Thüringer Großstadt und ist noch
heute sehr rüstig. Nach der Wende hat sie versucht, bei der neuen Frau ihres
verstorbenen Vaters Geld einzufordern.
Von wegen Pflichterbe und so. Diese wandte sich nun wieder hilfesuchend an den
Sohn ihres verstorbenen Mannes. Dieser richtete an seine Schwester eine sehr
ernst Warnung, es doch mal zu versuchen mit ehrlichen Mitteln zu Geld zu
kommen. Ja, Peters Vater sei ein guter Mensch – Antje werde es mal nicht
bereuen, denn Peter ist wie sein Vater geraten. Die Mutter stand auf und ging
zu Antje, komm sagte sie, ich habe eine Überraschung für Dich ! Sie ging mit
Peter und Antje ins Wohnzimmer, öffnete ein Fach der neuen Schrankwand und nahm
eine Kassette heraus. Meine Mutter, Peters Großmutter, hatte von ihrer Mutter
zur Hochzeit eine Kette mit einem Anhänger bekommen. Diese ist von ihrer Mutter
und die hat es wiederum von ihrer. Also ein alte, ja ein uraltes Familienerbstück
! Es bringt Glück und Gesundheit, beschützt Dich vor bösen Menschen. Sie nahm
eine kleine zerschlissene Pappschachtel heraus. Auf dem Deckel stand
Hofjuwelier Gustav Ruhmert , Wien. Mein Ur, Urgroßvater war ein Österreicher
und ist 1870 in Berlin zum Bau der vielen neuen Bürgerhäuser
nach Deutschland gekommen. Im ersten Weltkrieg ist er hochbetagt an Hunger
verstorben. Sie öffnete das Schloss der dünnen, goldenen Kette und legte sie
der jungen Frau um den Hals. Der Anhänger war eine Goldmünze, die in der Mitte
ein Loch hatte. Antje nahm die Kleine Münze in die Hand und sprach, dass sie
diese in Ehren halten werde. Sie drückte Peters Mutter. Diese machte sich frei
und fragte Antje, wie man denn nun zu einander sage ? Na, Mutti und Vati und vor
allem Du ! Sie hörten die Tür klappen und Peters Vater kam herein. Hab noch
schnell am Bahnhofskiosk zwei Flasche Rotkäppchen geholt und wir wollen darauf anstoßen.
Er sah jetzt den Anhänger auf Antjes Brust schaukeln und lächelte. Aha,
Generationswechsel vollzogen ? Er nahm Antje in den Arm, drückte ihr einen Kuß
auf beide Wangen und sagte, Willkommen bei uns !. Was sagen denn Deine Eltern dazu
? Antje lächelte, eigentlich könnte ich sie ja herholen ? Na klar, freute sich Peters Vater, reichte
Antje das Telefon. Sie brauchte am Telefon nicht viel zu sagen. Ihr war, als ob
ihre Eltern darauf gewartet hatten. Die Mutter und Antje machten schnell in der
Küche Schnittchen zurecht und Peter stellte mit seinem Vater im Wohnzimmer eine
behagliche Sitzmöglichkeit für sechs Personen her. Der ganze Vorrat an Wurst,
Schinken und Käse, den eigentlich Peter für die Kommende Woche mitnehmen
sollte, ging nun für belegte Schnittchen drauf. Nach einer halben Stunde hielt
unten ein Taxi und Antjes Eltern kamen mit einem Blumenstrauß und mehreren
Flaschen Rotkäppchen die Treppe herauf. Antjes Vater im dunklen Anzug und die
Mutter, die ihrer Tochter sehr ähnlich in Figur und Gang war, im Kostüm. Man
einigte sich sehr schnell auf den umgangssprachlichen Vornamen, weil Peters
Vater Antjes Vater sofort mit Herrn Medizinalrat ansprach. Der Abend verging
sehr schnell und man war sich schnell einig, dass die Kinder ihren Weg selbst
gehen sollten. Wenn Peter in seine Heimatstadt zurückgehen wollte, wollte der
Arzt eine Eigentumswohnung, die er schon vor Jahren für die Tochter gekauft im
modernisierten Stadtkern hatte, dann selbst nutzen und Eigenbedarf bei den
jetzigen Mietern anmelden. Aber er war sich sicher, dass er das nicht mal
machen musste. Die Mieter waren zwei alte Patienten von ihm und hatten sowieso
vor, in zwei oder drei Jahren zur Tochter ins alte Bundesgebiet an den Bodensee
zu ziehen. Es war eine kleine 4 – Zimmerwohnung mit kleinen Garten und
Tiefgarage dran. Sehr schön gelegen. Gedanken mache er sich mehr um Peter,
sagte er und sprach von einem Fernstudium zum Berufsschullehrer. In 2-3 Jahren
werden viele von denen in Pension gehen, dann braucht man händeringend welche.
Der Mann einer Studienfreundin ist Rektor
der Uni in Leipzig, da könne man was machen., denn Du bist ja dann ein
Neueinsteiger. Peters Vater lächelte bei
diesem Gedanken, sein Sohn auch ein Lehrer ! Wie er, das wäre doch was und noch
dazu in der Heimatstadt. Peters Eltern waren auf ihren Sohn sehr stolz. Dieser lächelte
seine künftige Frau an. Da Peter am anderen Morgen wieder von dem BKA-Auto abgeholt
wurde und zu seinem Schulort gefahren wurde und Antje auch zum Frühdienst musste
verabschiedeten sich am späten Abend beide Familien. Man wünschte sich noch einmal
gegenseitig alles gute und die neue Woche konnte für beide junge Menschen beginnen.