Liebe Susi…
Susanne saß auf der Couch.
Sah fern.
Günter Jauch grinste einen Kandidaten an.
Führte er ihn nun in die Irre?
Oder wollte er dem armen Kerl helfen?
Der da saß.
Schwitzte.
Und überlegte.
Joker konnte er keinen mehr einsetzen…
Geschepper aus der Küche ließ sie aufhorchen.
Susanne grinste verhalten.
Das war Dieter, ihr Freund.
Er räumte den Geschirrspülapparat aus…
Susanne seufzte plötzlich.
Ihre Gedanken schweiften ab.
In die Firma zurück.
Sie sah sich beim Kopiergerät stehen.
Heute Nachmittag.
Kurz vor Dienstschluss.
Und plötzlich war ihr Chef neben ihr gestanden.
Ein netter, älterer Herr.
Er hatte sie freundlich angelächelt.
Und eine lustige Geschichte erzählt.
Belangloses.
Dann hatte er aber plötzlich die Stirne in Falten gelegt.
Ich brauche Sie
heute noch.
Dringend.
Mit einmal hatte
er sein freundlichstes Lächeln aufgesetzt.
Liebe Susanne…
Könnten Sie heute eine Stunde länger bleiben?
Susanne seufzte wieder.
Ja, ihr Chef.
Und sein unglaublicher Charme.
Nicht dass sie in ihn verliebt war.
Gott bewahre!
Er war alt genug um ihr Vater zu sein…
Aber er wusste genau, wie er sie anpacken musste.
Wie er ihren Widerstand brach.
Bevor sie ihn überhaupt äußern konnte.
Dieter lachte immer, wenn sie ihm das erzählte.
Oder Ähnliches.
Du denkst zu viel
nach, Susi.
So sind Chefs nun mal.
In erster Linie bist du Arbeitskraft.
Nicht mehr und nicht weniger.
Und klar dass er freundlich ist.
Wenn er was braucht von dir.
Wenn du Überstunden machen sollst.
Wenn du am Wochenende kurz reinkommen sollst.
Was auch immer.
Dann küsste Dieter
sie immer zärtlich.
Legte denn Arm um sie.
Begann mit ihren Locken zu spielen.
Denk nicht drüber
nach, Susi.
Dein Chef ist schon okay.
Der merkt das nicht einmal.
Dass er oberflächlich ist.
Und ein wenig berechnend auf dich wirkt.
Sollte er unfreundlich sein, wenn er dich braucht?
Nein.
Er ist freundlich.
Weil es sich gehört…
Der Kandidat bei Günther
Jauch war ausgeschieden.
Er war vom Quizmaster in die Irre geführt worden.
Kalt lächelnd…
Ein paar tausend Euro versüßten dem Mann sein Scheitern…
Dieter ließ einen Teller fallen.
Mist!
Der war noch so heiß…!
Dieters Stimme
klang leicht verärgert.
Obwohl sie gedämpft aus der Küche tönte.
Susanne hörte nicht richtig hin.
Liebe Susi…
Liebe Susanne…
Immer dasselbe.
Mochte schon sein, dass Dieter Recht hatte.
Er arbeitete auf einem Amt.
Immer fixe Arbeitszeiten.
Er hatte leicht lachen…
Vielleicht war es auch harmlos.
Worüber sie immer nachdachte.
Und nächtens bisweilen grübelte…
Es ging ihr auch nicht um die Überstunden.
So viele waren es gar nicht.
Es ging ihr um die Art und Weise…
Ihr Chef war schon ein charmanter älterer Herr.
Keine Frage.
Aber musste er immer so überfreundlich sein?
Überfreundlich, wenn es um eine harmlose Bitte ging?
Konnte er es nicht ganz normal sagen?
In einem normalen Tonfall?
Ohne übertriebene Schmeicheleien?
Susanne kniff die Lippen zusammen.
Wenn sie ehrlich war…
Sie konnte es nicht mehr hören.
Liebe Susanne…
Liebe Susi…
Ihr wurde jedes
Mal ein wenig schlecht dabei.
Und ihr Kopf reagierte aufgebracht.
Fast schon aggressiv.
Was will er jetzt
schon wieder?
Was braucht er denn diesmal?
Sie fühlte sich nicht Ernst
genommen.
Ihr Körper rebellierte dagegen.
Sie wusste es genau.
Sie war nicht dumm.
Nein.
Nur leicht zu verunsichern.
Aber dumm war sie nicht…
Und es tat ihr weh.
In gewisser Weise ließ es sich nicht verhehlen:
Freundlich war man nur, wenn man etwas brauchte.
Von ihr.
Oder einen bestimmten Zweck damit verfolgte.
Aber es hatte nichts mit warmen Gefühlen zu tun.
Oder echter Sympathie.
Diese betonte Überfreundlichkeit.
Sie war nur Teil einer Kosten-Nutzen-Rechnung.
Nicht böse gemeint.
Das sicher nicht.
Aber berechnend.
Nichts anderes als das.
Liebe Susi…
Damit wollte man
sie gewogen machen.
Quasi überreden.
Mit Erdbeeren und Sahne…
Dabei hätte es das oft gar nicht gebraucht.
Sie machte ja ohnedies alles worum man sie bat.
Normalerweise.
Aber sie fühlte sich als Mensch ignoriert.
Konnte jemand ernsthaft glauben sie durchschaute das alles nicht?
Sie war doch nicht blöd!
Und es ärgerte sie.
Immer öfter.
Sie konnte nicht erklären warum.
Und mit niemandem darüber reden.
Niemand verstand sie.
Nicht einmal Dieter.
Der meinte immer nur, sie nehme alles zu Ernst….
Mit einem verständnisvollen Lächeln.
Manchmal dachte sie das selber auch schon!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.01.2007.
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