Michael Lomako

Der Fluch der Vergangenheit

Kommissar Müller saß wieder allein zu Hause, als die holografischen Silvesterraketen den dunklen, nächtlichen Himmel stark erhellt haben. Die künstlich erzeugten Knaller haben sich mit der Stärke des Bulldozers in sein Gehirn reingebohrt. Müller hasste diese Nacht. Die Tradition war schon über ein Tausend Jahre alt. Er guckte auf die Uhr. Es war fünf nach Mitternacht. Das neue Jahr hat begonnen. Das Jahr 3007. Müller war Polizeibeamte. Er hat für die Regierung des Weltstaates gearbeitet. Der Staat hieß einfach Erde. Es war auch der einzige Staat auf dem ganzen Planeten. Alle Menschen lebten in vielen riesigen Städten, die auf dem ganzen Planeten verteilt waren. Alle sprachen die gleiche Sprache, und alle hatten eine und die gleiche Regierung. Die Erde war mit fünfzehn Milliarden Menschen besiedelt.

Die Menschen kannten keine Kriege, keine Verbrechen, keine Gewalt. Alle waren gleich. Das Geld gab es auch nicht mehr. Es war auch nicht nötig irgendetwas kaufen zu müssen. Alle Menschen des Staates Erde lebten im Überfluss. Es war das reine Paradies. Die Menschen haben in den letzten Jahrhunderten eine vollkommene Gesellschaft aufgebaut. Das Militär konnte schon vor Jahrhunderten abgeschafft werden. Die Polizei des Landes also auch des ganzen Planeten zählte nur noch  etwa einhundert Mitarbeiter. Auch die Aufgaben der Polizei haben sich geändert. Mehr oder weniger hatte die Polizei nur noch eine einzige Aufgabe. Die Beamten sollten ein altes Geheimnis bewahren. In einem unterirdischen Gebäude wurden Artefakte der Vorzeit der heutigen Zivilisation aufbewahrt. Wie die Legende sagte „die Dose der Pandora“ wurde dort weggeschlossen. Niemand wusste jedoch, was    „die Dose“ in der Wirklichkeit gewesen war. Die Gesellschaft kannte solche Wörter wie Soldat, Krieg, Gewalt, Verbrecher usw. nicht. Niemand hat die Menschen aus dem einunddreißigsten Jahrhundert aufgeklärt. Die Gesellschaft hat längst die Wurzeln der menschlichen Entwicklung vergessen. Alle Bürger der Erde dachten, dass der Wohlstand und die Vollkommenheit ewige Konstanten darstellen.

           In dieser „Suppe“ aus Überfluss und Perfektion lebte Müller. Um fünf Uhr morgens am ersten Januar 3007 hat ihn ein „Him“, eine Art des modernen Telefons aus dem Schlaf gerissen. Ein holografisches Abbild des Premierministers hat Müller mit einer sehr ernsten Mine angesehen.                                                                                        

>>Wir haben ein Problem!<<

>>Problem, Herr Minister? Was ist passiert?<<

>>Das werden Sie nicht glauben. Sie sind doch Leiter der                                                                                                                                          Polizeitruppe, die die alten Artefakte bewahrt. Die Artefakte sind nicht mehr da!<<   

>>Nicht mehr da, was soll das heißen?<<

>>Das soll heißen, dass sie nicht mehr da sind! Verschwunden, in der Luft aufgelöst, weg, einfach nicht mehr da!<<                                                        

>>Das ist doch nicht möglich! Das kann nicht sein!<<

 >>Doch, das ist leider die Wahrheit. Ich erwarte Sie in einer     

     Stunde bei mir im Büro zu einer Krisensitzung.<<

    >>Ja, natürlich Herr Minister, ich bin schon unterwegs.<<

 Kommissar Müller konnte sich immer noch nicht fangen. Er wahr total durcheinander.

Nachdem er sich schnell gewaschen und angezogen hatte, startete Müller in seinem fliegenden „Auto“ in aller Eile in die Richtung des Parlamentsgebäudes. Genau um sechs Uhr betrat er das Büro des Premierministers. Er blickte schnell auf die Personen, die schon im Zimmer saßen. Es war fast der ganze hohe Rat des Landes versammelt.

Die Situation musste wirklich sehr ernst gewesen sein. Der Premierminister begrüßte ihn kühl und zeigte einen freien Platz. Müller nickte mit dem Kopf,

und setzte sich hin.

 >>Meine Damen und Herren, fing der Minister ohne lange Vorrede an. Ich werde Ihnen erst die Situation schildern, und dann müssen wir uns überlegen, was wir unternehmen können. Wir sind die Einzigen auf dem ganzen Planeten, die die Wahrheit über die Artefakte kennen. Das dachte ich auf jeden Fall bis zu dem heutigen Tag. Der oder diejenigen aber, die sie mitnahmen, mussten auch von der Existenz         der Artefakte gewusst haben. Woher, frage ich mich? Ok, das versuchen wir später noch zu klären. Jetzt zurück zu den Tatsachen.

Wie wir alle wissen, sind die Artefakte uralte Medien, auf den die Geschichte der Menschheit aus dem zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert abgespeichert wurde. Das waren die Zeiten vor dem letzten großen Krieg, nach dem wie sie alle wissen, unsere Gesellschaft enorme Veränderungen machte. Sie wissen auch, dass aus dieser Zeit außer den Artefakten, keine anderen Überreste existieren. Unsere Gesellschaft weiß nichts von dieser Zeit und von dem letzten Krieg. Die ganzen wörtlichen Bezeichnungen für diese Ereignisse sind nur uns bekannt. Sie können sich bestimmt daran entsinnen, warum unsere Vorfahren vor ungefähr 750 Jahren die Entscheidung getroffen haben, die ganze Bevölkerung zu belügen. Die Geschichte der Menschheit wurde umgeschrieben, und alle Beweise, außer unseren entwendeten Informationsmedien wurden vernichtet. Wir wissen doch alle, warum unsere Zivilisation damals fast ausgerottet gewesen wäre. Warum wir uns selbst geschlachtet hätten. Die Menschen fingen an, erst im dritten Jahrtausend dazuzulernen. Vorher hat sich über die Jahrtausende nicht viel verändert. Die Technologie hat sich sehr schnell entwickelt, jedoch die Psyche unterlag keiner Evolution. Die Menschen führten Kriege und lernten nichts dazu. Das Böse in den Köpfen unserer Vorfahren hat sich immer wieder gezeigt. Angefangen von ganzen Nationen, durch alle Gesellschaftsschichten an einzelnen Menschen endend. Die Gewalt kannte keine Moral. Alle Menschen waren damals gefährdet. Wie wir aus dem alten Infomaterial wissen, musste man damals nicht so viel Pech haben, in der Zeit des Krieges zu leben, um richtige Hölle auf der Erde bekommen zu können. Es gab zum Beispiel unzählige Familien, überall in der Welt verteilt, wo Gewalt und Verbrechen zu Normalität gehörten. Frauen wurden von eigenen Ehemännern vergewaltigt und verachtet. Die Kinder oft geschlagen oder misshandelt. Der physische Terror wurde oft von psychischen Misshandlungen eingeleitet. Die „Krankheit“ Gewalt hat sich wie ein Lavafluss (Lavastrom) ausgebreitet. Zerstörerisch und unberechenbar. Die Menschen verloren alle moralischen Barrieren. Wenn man die Mitglieder eigener Familie nicht achtete, wie sollte man dann die anderen respektieren können. Die Maschinerie ist angelaufen.

Der kleine Funke, der in vielen Familien entfachte, reichte aus, um am Ende, einem Buschfeuer zu gleichen. Der letzte und schrecklichste aller Kriege war ausgebrochen. Das Paradoxe dabei war aber, dass wie nach einem richtigen Feuer, wo neue Pflanzen die ausgebrannte Erde besiedeln, auch unsere neue Gesellschaft, wie der Phönix, aus der Asche der Zerstörung aufgestanden ist. Ganz unerwartet gab uns der schrecklichste und blutigste Krieg in der Geschichte der Menschheit die Möglichkeit uns zu erneuern und zum ersten Mal anders, besser, anzufangen.

Etwa 250 Jahre später haben unsere Vorfahren Entscheidungen getroffen, die uns von den Wiederholungen der Ereignisse schützen sollten. Unter dem Motto „nie wieder Waffen über dem Gesetz“ wurde die Geschichte umgeschrieben. Die Generationen danach haben gelernt, mit der „neuen“ Vergangenheit zu leben. Die „alte“ geriet immer mehr in die Vergessenheit. Nach vierhundert Jahren wusste niemand mehr irgendetwas über die alte Zeit. Die einzigen Beweise wurden weggeschlossen und das Geheimnis nur einer sehr kleinen Gruppe Menschen, von Generation zu Generation weiter gegeben. Alles andere sind nur Legenden gewesen.

Bis heute!

Wir müssen die Artefakte wieder finden. Wir müssen sie finden, bevor die Öffentlichkeit Wind von der ganzen Sache bekommt.<<

 Der Minister seufze schwer und sagte noch:

 >>Ich sage Ihnen meine Damen und Herren, warum wir die Medien unbedingt finden müssen. Der Grund dafür ist sehr wichtig wenn auch simpel. Ich bin der gleichen Auffassung, wie unsere Vorfahren. Ich glaube, dass die Gewalt in der Gesellschaft der Menschen eine Krankheit ist. Eine sehr gefährliche und bösartige Krankheit. Wie Krebs breitet sie sich unkontrollierbar aus. Die einzige Möglichkeit sie loszuwerden ist der Schnitt. Man muss sie restlos entfernen. Das Problem ist aber, dass Gewalt sich nicht wie Krebs verhält. Das Herausschneiden reicht noch nicht aus. Man muss die Situation mehr mit einer Sucht vergleichen. Einen Alkoholkranken kann man nicht heilen. Die Krankheit bleibt immer präsent. In diesem Fall reicht ein kleiner Zünder, um die Krankheit mit doppelter Wucht ausbrechen zu lassen. Das Gleiche passiert mit der Gesellschaft. Die „Krankheit“ Gewalt wurde vor Jahrhunderten durch die Vergessenheit nur teilweise geheilt. Ein kleiner Zünder, also die Artefakte, zum Beispiel, würde eine bösartige Lawine auslösen. Wir wären nicht in der Lage die Wirkungen vorauszusehen, und einschätzen zu können. Die Katastrophe wäre perfekt.<<

In dem Moment ist ein Mann in das Zimmer reingekommen. Er hat den Premierminister mit einem Handzeichen nach draußen gebeten. Fünf Minuten später kam der Minister zurück.

Er war blas im Gesicht. Mit einer gebrochenen Stimme sagte er nur.

 >>Das Unmögliche ist möglich geworden. Alle Informationen aus den alten Medien sind in             das Cyber Space überspielt worden. Die Bevölkerung kennt jetzt die Wahrheit über unsere Vergangenheit. Was wird jetzt geschehen?<<

Müller, der die ganze Zeit in Ruhe saß, und zuhörte, hatte nach den letzten Informationen nur einen Gedanken.

>Das Leben sucht immer wieder nach neuen Wegen. Ich hoffe, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit etwas dazu gelernt haben. Ich hoffe auch, dass unsere Gesellschaft, gegen die Gewalt geimpft wurde. GOTT SEI MIT UNS.<

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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