Sabrina Dietrich

Chatten - oder - Märchenprinzen gibt es nicht

Es war mal wieder Abend geworden über den Dächern der lauten Großstadt. Wie jeden Abend saß sie vor ihrem Computer und chattete mit irgendwelchen Fremden um nicht ganz allein zu sein.

 

Wie geht es dir?

 

-         Die typische Frage um ein unverbindliches Gespräch anzufangen, dass eh nur wieder auf das eine Thema hinauslaufen würde.

 

Geht so.

 

 

-         Das war ihre typische Antwort. Wie soll es einem schon gehen, so allein und ungewollt. Nicht, dass sie nichts zu tun hätte. Im Gegenteil – ihr Tag war sehr ausgelastet. Lernen, Hausarbeit, Sozialkontakte, Uni, Arbeit. Nur füllte sie das nicht aus. Sie funktionierte nur, seit… ja seit jenem Tag vor zwei Jahren.

 

Na, mal wieder zu wenig Mann?

 

-         Da war es wieder. Das leidige Thema. Männer und Sex. Nicht das Sex nichts Schönes sein kann, aber eben nur wirklich wunderbar mit diesem EINEN. Gibt es ihn wirklich? Den Märchenprinzen? Oder ist es nur eine bloße Fiktion, eine Hoffnung, die ewig besteht, sich aber niemals erfüllt? Hatte sie es nicht schon gehabt und auf immer verloren? Oder rannte sie nur einem Traum nach, aus Angst, nie wirklich glücklich sein zu können mit einem – ihren – Partner?

 

Momentan kein Bedarf!

 

 

-         War wie immer nur die halbe Wahrheit. Sie wollte nicht ehrlich sein. Nicht zu einem Wildfremden. Der kann sowieso nichts mit meinen Gefühlen anfangen. Wieso auch? Ich bin doch nur irgendwer. In Wahrheit sehnte sie sich aber nach ihm. Wenn sie geschafft nach Hause kam und ihre leere Wohnung betrat, wünschte sie sich, er stände da. ’Na, Schatz, hattest du einen schönen Tag? Komm setz dich erst mal. Das Essen ist gleich fertig.’ Nicht das sie jemanden bräuchte, der ihr hinterher räumte, sie bekochte und den Haushalt schmiss, nein! Es sollte sie einfach jemand erwarten und sich auf sie freuen. Die Leere ihrer Wohnung und ihres Herzens füllen.

 

Wieso denn nicht?

 

-         Tja, gute Frage! Wieso denn nicht?

 

Habe momentan viel um die Ohren. Da habe ich keinen Nerv für einen Typen.

 

 

-         Wie das klingt. Stress hatte sie. Soweit stimmt es. Aber machte sie sich den nicht selbst um nicht nachzudenken, um doch noch etwas zu finden, was sie halbwegs ausfüllte, indem sie gut ist? Zudem könnte man meinen, eine Beziehung sei für sie die reinste Schwerstarbeit. Gut, es gibt auch schwere Tage, aber alles in allem wäre es doch… Nein, verscheuche den dummen Gedanken! So etwas passiert nicht. Nicht noch einmal und nicht nachdem… ja, nach eben diesem Vorfall.

 

Komm schon. Du willst es doch eigentlich. Gib es zu!

 

-         Stimmt das? Wollte sie? Hmm, jain. Ein Teil sicherlich. Aber der andere Teil, der, für den die Gleichung ‚Nähe ist gleich Gefahr’ besteht, dominiert. Nicht nur momentan, sondern seit eben diesem Tag. Der Tag an dem ihr bewusst wurde, dass es die Hölle wirklich geben musste. Die Hölle, in der dich Gefühle endlos quälen und du sie nie loswirst. Körperliche Schmerzen sind dagegen der reinste Spaziergang (oder das einzige Mittel um sich lebendig zu fühlen)

 

Nein, danke. Keine Zeit!

 

 

-         Zeit – oder eben keine Zeit – ist in unserer schnelllebigen, leistungsorientierten und inhumanen Gesellschaft doch immer die beste Ausrede. Immer wahr und doch immer wieder gut.

 

Blödsinn.

 

-         Mag sein. Dann kann man dir eben nichts vormachen. Oder du leidest so unter SÜD, dass kein Argument dagegen zählt?

 

(keine Antwort)

 

 

Komm schon. Du bist doch eine Schöne. Und ich kann dich glücklich machen. Du wirst es sehen.

 

-         Ja, ja, da sind sie wieder. Die alten Schmeicheleien. Schön ist doch alles, was man ins Bett zerren kann. Eine Nummer in einer Reihe von weiblichen Gespielinnen. Willig, brav, anspruchslos und austauschbar. Zwischenspiele in einem Bühnenstück. Wie kommt es nur, dass sie das nicht anturnt?

 

Du musst dich nur darauf einlassen!

 

-         Oh ja, das heißt dann übersetzt ‚Komm schon, Babe. Lass mich nicht betteln. Ich will dich nageln’ Immer dieselbe Leiher. Das ödet an. Nichts Neues, nichts Einfallsreiches. Oh man, stillos geht die (Männer-)welt zugrunde.

 

Ich beweis es dir.

 

-         Himmel, ist der von sich überzeugt. Klar, er kennt mich und weiß was ich will. So ein Blödsinn. Der muss nur mal wieder sein Ego aufpolieren.

 

Danke, nein.

 

 

-         Soviel Selbstschutz darf noch sein. Schließlich ist sie keine billige Bordsteinschwalbe, die man mal kurz verknuspern kann.

 

Stell dich nicht so an. Oder bist du frigide?

 

-         Aha, Monsieur ist gekränkt. Und versucht sie an der Ehre zu packen, getreu dem Motto: Dir werde ich es zeigen. Also manche Typen sind echt einfach gestrickt. Für sie gibt es nur zwei Sorten von Frauen. Die willig-billigen und die frigide-vertrockneten.

 

Toller Witz!

 

 

-         Ironie lässt grüßen. So einfach kriegst du mich nicht klein, mein Lieber. Typen wie dich, verspeis ich zum Frühstück.

 

Also doch frigide!

 

-         Wirklich ein simples Denkmuster. Wie gehabt. Wo sind nur die intelligenten, intellektuellen Männer hin, die auch noch Mitten im Leben stehen? Die gab es doch mal?! War diese ‚Rasse’ vom Aussterben bedroht? Anscheinend. Den Märchenprinzen gibt es nicht. Nicht in der Realität. Hilfsweise wäre auch mal ein Mann mit Charakter akzeptabel.

 

Wenn du meinst. Schönen Abend noch!

 

 

-         Ein Klick und weg ist er. Gleich mal aus der Liste löschen. Leider kann man nicht all diese Typen mal so löschen. Wäre auch zu einfach. Was ist nur passiert, dass sie glauben machen konnte, dass Frauen so etwas wollen? Was verändert sie? Oder – auf den Punkt gebracht – was hat ihren Ex dazu gebracht sich so zu wandeln? Wie kann Mann nach einem perfekten Tag mit ‚Nachtisch’, aufstehen, sich anziehen und im Gehen sagen: ‚Übrigens, es ist Schluss!’? Jener Tag, jener Vorfall hatte alles zerstört. Ihr Vertrauen, ihren Glauben an das ‚Gute im Mann’, einfach alles. Jener Tag katapultierte sie in die Hölle der Gefühle, die niemand fühlen will. Jener Tag brachte etwas in ihr zum Ersterben. Den Glauben an ein gemeinsames Glück, eine gemeinsame Zukunft, ein gemeinsames Leben. Jener Tag hinterließ eine Leere in ihr, in der nur eine Erkenntnis Platz hat: Sie ist es nicht wert. Sie ist ein Nichts. Nicht wert, um sie zu wollen, um sie zu kämpfen. Zum Ficken gut genug  - zum Leben: äh, igitt. Schön genug fürs Bett, klug genug um benutzt zu werden aber nicht begehrt, geliebt, gewollt.

Naja, immerhin reicht es für die Kiste. Wenn man sonst nichts kann, kann man immer noch als Matratze dienen. Der Traum einer jeden Frau.

 

 

© 17.01.2007

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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