• 22.01.2007
  • Kategorie "Glossen" (Kurzgeschichten)
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Joana Angelides

Vor-Urteile

 
Hält der Ruf (guter oder schlechter) immer, was er auch verspricht?
Nicht immer!
 
Soll man zugeben, dass der toll aussehende, begehrte Junggeselle vom Yachtclub eigentlich ein fader Gesellschafter ist und sich lieber im Spiegel hinter einem narzistisch betrachtet, den Kopf hin und her dreht und sich dauernd über die Haare streicht, als einem in die Augen zu schauen?
 
Man kämpft da schon sehr mit sich! Denn den Freundinnen gegenüber zuzugeben, dass man sich am Vorabend nicht gut unterhalten, ja sogar geärgert hat, bedarf schon einer gewissen Überwindung. Außerdem ist es für das eigene Ego auch nicht gerade förderlich.
Außerdem, sollen sich doch auch andere die Finger verbrennen.
 
Wer möchte nicht gerne beneidet werden, wenn er mit dem strahlendsten Junggesellen des Freundeskreises ausgehen „darf“, ja von ihm „auserwählt“ wurde, ihm zu Füßen zu liegen? Und das soll man leichtfertig verspielen? Vielleicht ist man selbst eben doch nicht so begehrenswert, wie man denkt? Also nein, undenkbar.
 
Oder soll man unter vorgehaltener Hand der besten Freundin erzählen, dass der schüchterne, ehemalige Lehrer des Sohnes in Wirklichkeit ein einfühlsamer, toller Liebhaber ist?
Dass es ein interessanter Abend war, man einfach seinem Charme und seinem Intellekt erlegen ist und es sicher nicht der einzige derartige Abend mit ihm gewesen sein wird?
 
Sie beneidet uns vielleicht, doch der Rest würde es nicht glauben.
 
Immerhin haben sie sich ja die Ikone selbst geschaffen, die sie nun auch behalten wollen.
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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