Maria Peters

Vergangenheit (11. Kapitel )

 
11. Wer bist du?
 
Er führte sie in ein Haus, das von allen noch immer am besten wirkte. Zwar waren auch hier die Fenster zugenagelt, dennoch gab es eine Tür, die noch immer intakt war.
Er geleitete sie in ein Zimmer, das einem Wohnzimmer glich. Es waren ein Sofa vorhanden, ein Fernseher, ein Tisch und ein paar kleine Schränke.
„Setz dich!“, bat er sie und schaltete eine kleine Tischlampe ein, die auf einem der Schränke stand. „Fühl dich wie zu Haus.“
Sie lächelte dankend und ließ sich auf das Sofa nieder.
Sie beobachtete ihn weiter, wie er hinter einer Tür verschwand und kurz darauf mit zwei Gläsern wiederkam.
„Darf ich dir was anbieten?“, fragte er sie und begann langsam, sich den Mantel auszuziehen.
Er hing ihn an einen Hacken. Als er auch seinen Pullover auszog, an dem die Kapuze dran war, kamen seine sämtlichen Waffen zum Vorschein, die er mit sich trug.
Cassie staunte nicht schlecht.
„Fühlst du dich irgendwie bedroht?“, fragte sie den Mann, der nun mit seinem Rücken zu ihr stand und auch den Gurt ablegte, an dem die Waffen hingen.
Dann wandte er sich um und Cassie erschrak.
„Na ja, in dieser Gegend weiß man nie, wem man begegnet… siehe dich.“, antwortete er und merkte nicht, dass sie ihm schon längst nicht mehr zu hörte.
Sie sah ihn ununterbrochen an.
Er sieht ihm zum verwechseln ähnlich, schoss es ihr durch den Kopf. Er hat die gleichen Augen, die gleichen Gesichtszüge…
„Hey, alles klar?“, fragte er nun und holte eine Flasche Whiskey aus einem der Schränke und setzte sich neben sie. „Hat es dir die Sprache verschlagen?“
Noch immer blickte sie ihm ins Gesicht.
Seine Augen waren genauso tief braun, wie die von Aidan. Auch hatte er die gleiche Nase. Zwar wirkte sein Gesicht etwas älter und erfahrener, doch die Ähnlichkeit war verblüffend.
Seine Haare waren länger als die von Aidan, doch die Farbe unterschied sich in keiner weise.
„Wie ist eigentlich dein Name?“, fragte nun der Kerl und goss den Whiskey bis zu einem Viertel in ihr Glas und dann in seins.
Er nahm das Glas in die Hand, lehnte sich zurück und nahm einen ordentlichen Schluck.
Cassie schwieg noch wenige Sekunden, dann antwortete sie.
„Ich bin Cassie.“
Er reichte ihr das Glas, das er für sie hingestellt hatte und hielt seins dazu.
„Und ich bin Ashton!“, stellte er sich nun vor und stieß mir ihr an.
Ashton, ging es ihr durch den Kopf. Ist es jetzt Zufall, dass sie beide denselben Anfangsbuchstaben haben?
„Was starrst du mich eigentlich immer so an?“, fragte er sie plötzlich, nachdem beide getrunken hatten. „Gibt es da einen Grund?“
Cassie vergaß Aidan schnell und schüttelte den Kopf.
„Nein.“, gab sie von sich und trank den Rest aus.
Stille lag im Raum und das nicht nur kurz, bis Ashton sich irgendwann nach seinem dritten Glas erledigt zurücklehnte und starr geradeaus sah.
„Weißt du, dass du mich stark an jemanden erinnerst?“, begann er plötzlich. „Ist schon komisch, wie die Vergangenheit einen plötzlich einholt…“
Cassie sah ihn neugierig an. Sie wusste was er meinte. Sie kam sich schließlich auch nicht anders vor, in seiner Nähe.
„Du siehst einer gewissen Dame ähnlich… ich hab sie damals kennen gelernt.“, erklärte er ihr und goss ihr erneut ein. „Schade, dass wir uns nie richtig verabschiedet haben. Sie war sehr talentiert.“
Er schwelgte in Erinnerungen und trank dabei in kurzen Zügen erneut ein Glas leer.
Auch Cassie nippte an ihrem Glas.
„War sie damals auch in der Organisation?“, fragte sie.
„Ja. Sie war nicht gerade die Beste. Vielleicht ist sie es auch nie geworden. Ich weiß es nicht. Ich war lediglich ein Jahr dabei. Wir sind uns gleich zum Anfang über den Weg gelaufen.“, erzählte er weiter. „Ab diesem Moment konnte ich schon spüren, dass sie anders war.“
Cassie konnte auch das voll nachvollziehen.
„Hast du sie je wieder gesehen?“, wollte sie wissen.
„Na ja… erst dachte ich, du wärst es, aber als ich dein „Talent“ sah, da wurde mir klar, dass du es nicht sein konntest. Auch deine Aura ist eine ganz andere. Scheint, als wärst du eine völlig andere Person, in ihrem Körper.“
Cassie senkte ihren Blick und trank ihr Glas leer. Sofort schenkte er ihr nach.
„Aber, warum suchst du sie nicht oder erkundigst dich, wie es ihr geht und was aus ihr geworden ist?“, wollte sie wissen. „Ich meine, wenn ihr euch doch kennt, müsste das doch möglich sein, oder etwa nicht?“
Ashton lachte kurz auf, stellte die Flasche hin und reichte ihr erneut ihr Glas.
„Das ist sicherlich nicht möglich.“, sagte er und erneut dachte er über die alten Zeiten nach. „Nein, sicher nicht. Das würde nur kompliziert werden.“
„Kompliziert?“
Ashton sah ihr in die Augen. Wieder hatte Cassie für einen Moment das Gefühl, nicht ihm, sondern Aidan gegenüber zu sitzen.
„Ja, manchmal spielt das Leben einem einen Streich. Und ich wurde davon nicht verschont. Tja, und sie leider auch nicht. Es sind eben Dinge passiert, die es mir unmöglich machen, ihr wieder unter die Augen zu treten.“
Cassie schwieg. Sie hörte in seiner Stimme, dass er nicht wirklich darüber reden wollte. Also beließ sie es bei seinen wenigen Sätzen.
„Jetzt zu dir. Warum geisterst du an solchen Orten herum, nur um nach Haus zu kommen?“, fragte er nun wieder etwas gefasster.
Cassie trank aus und blickte zur Tür.
„Ich habe mich verlaufen.“, gestand sie schließlich. „Ich bin wieder mal vor lauter Wut überstürzt losgelaufen und habe den Weg aus den Augen verloren. Hier war ich nämlich noch nie, auch wenn es schwer zu glauben ist.“
„Vor lauter Wut?“, fragte Ashton etwas amüsiert nach und stand auf. „Du ähnelst ihr doch ein wenig mehr, als ich dachte.“
Er ging zu einer Tür und verschwand kurz. Als er zurückkehrte, sah er Cassie auf seinem Sofa längst schlafend.
Er beobachtete sie kurz, räumte dann leise die Gläser weg und deckte sie abschließend zu. Danach ging auch er zu Bett.
 
Ein Knall. Blut. Nebel. Dann Stille.
Cassie rannte durch eine dunkle Straße. Sie war allein. Häuser umgaben sie. Nichts erinnerte an die Stadt, in der sie wohnte.
Sie roch förmlich den Gestank von Blut, das schon dabei war, zu gerinnen.
Dann Gesichter in schneller Abfolge. Zu viele Gesichter. Gesichter, die sie einerseits erkannte, andererseits noch nie zuvor gesehen hatte.
Schließlich eine kalte Hand an ihrer Kehle, die sie behutsam, wenn auch kraftvoll begann, sie zu würgen.
Als sie hinabblickte erkannte sie ihren Bauch, der nicht ihrer war, sondern der einer schwangeren Frau. Zu guter letzt erschien Aidan vor ihrem inneren Auge und dann Ashton, mit dem kleinen unterschied, das Ashton etwas verwirrt aussah und auf sie hinabblickte.
„Alles okay?“, fragte er mit einer ruhigen, zittrigen Stimme. „Hast du schlecht geträumt?“
Cassie musste wenige Sekunden damit verschwenden, sich zu orientieren. Hektische Blicke nach rechts und links. Dann wusste wie wieder wo sie war…
„Ja, aber mir geht es gut.“, sagte sie schließlich und richtete sich auf.
Noch immer lag sie auf der Couch, an die sie sich als letztes erinnern konnte.
„Was tu ich hier?“, wollte sie wissen und rieb sich ihre schweißbedeckte Stirn. „Ich hätte längst zu Hause sein sollen.“
Ashton erhob sich und griff abermals nach einem kleinen Glas und goss es zu einem Viertel mit Whiskey voll, bis er es ihr reichte.
„Ich wecke keine schlafenden Frauen.“, antwortete er ihr und durchquerte das Zimmer.
Er hielt an einem riesigen Schrank, der provisorisch mit einem Schloss verriegelt war. Mit einem Schlüssel, den er um den Hals trug, öffnete er es und kramte ein paar alte Waffen hervor, samt Munition.
„Was tust du da?“, fragte Cassie und versuchte zu erspähen, was er tat.
„Nicht nur du hast heute kranke Dinge geträumt.“, begann er und kam schließlich mit allem zu ihr zurück. „Nur möchte ich jetzt etwas versuchen!“
Sie blickte ihn weiter fragend an.
„Du sagst, du bist in der Organisation. Quasi musst du Talent haben, auch wenn du es nicht  zeigst oder nicht zeigen kannst. Aber… schließlich lässt sich das ja ändern. Komm mit!“
Sie strich sich ihr Haar angestrengt zurück und erhob sich schließlich wacklig.
„Ach, und bevor du irgendetwas tust: Trink aus!“
Sie sah auf das Glas in ihren Händen und beobachtete einen kurzen Moment die goldbraune Flüssigkeit, bis sie es ansetzte und in einem Zug leer trank.
Angewidert verzog sie das Gesicht und schnalzte mit der Zunge. Dann folgte sie ihm.
Er ging auf einen herabgekommenen Hof hinaus. Die Bäume waren allesamt kahl und das Gras fast kniehoch.
„Von Gartenpflege verstehst du nicht allzu viel, richtig?“, fragte sie spöttisch, doch Ashton ging nicht darauf ein und schlenderte zu einer noch – im Gegensatz zu alles anderem – gut aussehenden Garage hinüber.
Er stieß sie kurzerhand auf und ließ das Sonnenlicht hineinfluten, bis es sich überall verteilt hatte.
„Mein kleines Übungslager.“, sagte er und ließ Cassie einen Blick hineinwerfen.
Sie ließ ihren Blick schweifen.
Überall lagen Ausgaben verschiedenster Waffen, Zielscheiben – die jedoch mehr aussehen, wie alte Darte-Scheiben –, nicht zu vergessen sämtliche Messerkollektionen und dann noch Trainingsgeräte.
„Hier verbring ich die meiste Zeit. Es ist echt hilfreich, wenn man eh nichts Besseres zutun hat.“, erklärte er ihr und führte sie zu einer Waffe, die ihrer glich.
„Ja, die guten alten Zeiten.“, schwärmte er, als er ihren Blick sah. „Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit, nicht wahr?“
„Oder eine Reise in eine Gegenwart und nahe Zukunft.“, wisperte Cassie Gedanken versunken.
Sie strich über das kalte Metall und griff dann in ihren Mantel, wo ihre Waffe noch immer war. „So, und nun möchte ich mit dir üben. Zeig mir dein Talent…“
„Ich habe kein Talent. Ich kann das nicht.“
„Aber gestern habe ich dich damit auf die Palme gebracht, als ich sagte, du hast kein Talent. Warum also diese Einstellung, wenn du jetzt eh sagst, du besitzt keines?“, wollte er wissen.
„Alle setzen so viel an mich und letztlich wissen sie gar nicht, wie schwierig es ist, aus einem Leben herausgerissen zu werden, was man so lange gedacht hat, zu führen!“
Ashton hörte ihr zu.
„Cassie, ich schätze, sie wissen was sie tun. Ich denke, sie wissen, dass du stark bist und mit diesem Druck klarkommst. Anders kann ich mir das nicht erklären.“
Er legte einen Arm um ihre Schultern.
Die plötzliche Wärme ließ sie zusammenzucken.
„Wie kannst du ihm nur so ähnlich sein?“, fragte sie flüsternd, auch wenn sie nicht wirklich eine Antwort haben wollte.
„Also, willst du es nun probieren oder nicht? Ich zwinge dich zu nichts, aber einen Versuch wäre es wert, findest du nicht auch? Ein wenig Übung und du kannst ihnen zeigen, was du kannst.“, versuchte er sie zu überzeugen und entlockte ihr damit sogar ein Lächeln.
Cassie gab noch und holte ihre eigene Waffe hervor. Auch jetzt strich sie über das Metall und umklammerte sie schließlich entschlossen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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