Florian Zimmermann

Life of War - Chroniken eines Söldners (Chapter 1)

Life of War
   Chroniken eines Söldners
 
 
 
Kapitel 1: "Nehmt mich mit!"
 
 
 
Er wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, aber das erste, das Lenard wieder wahrnahm war das fröhliche Zwitschern eines Vogels unweit von ihm. Er stöhnte und versuchte seine Muskeln zu bewegen, die daraufhin vor Schmerz schier entflammten.

 

„Da bewegt sich noch jemand… Meister, da lebt jemand!“ Lenard spürte eine Hand auf seiner Schulter und er zwang sich, sich umzudrehen. Im für ihn grellen Licht blinzelnd sah er erst nur einen vagen Schemen eines Mannes, aber seine Augen gewöhnten sich schnell an das Licht des kühlen Morgens. Langsam, Stück für Stück, kamen die Gefühle wieder, die Kälte, die ihm in der Nacht in die Knochen gefahren ist, das Brennen in seinem Gesicht von de Flammen, die seine Haut angesengt hatten, die in dieser Nacht sein Elternhaus verzehrt hatten. Und die Erinnerungen, die schwer wie ein Hammerschlag auf ihn niedergingen. „Was… Mutter! Va..“ Die kräftige Hand des jungen Soldaten, der ein Fuchsfell über seine Brustplatte gespannt hatte, drückte ihn wieder hinab.

„Ganz ruhig“ sagte er, und Lenard konnte nun auch Details ausmachen. Das Gesicht war relativ gegerbt, und eine breite Narbe zog sich über die rechte Wange, nahe unter dem graublauem Auge, „Bleib ruhig, sonst klappst du zusammen, Junge“.

 

Aber der Junge wollte nicht ruhig bleiben, immer wieder murmelte er leise und unverständlich einige Worte. Einige andere Menschen kamen hinzu und betrachteten den vollkommen aufgelösten Jungen. Ein breiterer, älterer Mann schob sich durch die Mannen durch.

„Macht mal Platz, kann ja kaum atmen, der Bursche“ brummte er mit sonorischer Stimme. Um seine Schultern hing ein grosses Fell, das Lenard einer fremdartigen Bestie, die entfernt an die alte Hauskatze der freundlichen Blumendame aus dem Dorf erinnerte. Eine buschige Mähne umringte den Kopf des Tieres, der wie ein Schutz auf der Schulter des Mannes thronte. Lenard konnte eine verwitterte, aber nichtsdestotrotz schwere, eisenbeschlagene Lederrüstung ausmachen, an deren breiten Gürtel eine Furcht einflössende Flamberge hing.

Er hielt Lenard die Hand hin: „Steh auf, Bursche, komm schon.“ Als der Bube nicht antwortete, nahm der alte Krieger seine Hand und zog ihn hinauf, mit einer sanften Gewalt, die aber keinen Widerspruch duldete. Fast wären die jungen Beine zusammengeklappt, doch die vernarbte Hand des Söldners, wie Lenard an dem stilliertem Morgenstern auf der Rüstung erkannt hatte, hielt ihn mit festem, aber nicht verletzendem Griff aufrecht. Er führte ihn zu einem Feuer und setzte ihn auf ein grosses Fell, auf dem auch einige andere Krieger saßen, teilweise bandagiert, teilweise nur leer ins Feuer starrend. Widerwillig musste Lenard zugeben, dass er die Wärme des prasselnden Feuers genoss, wie sie seine steifen Muskeln lockerte und die Schmerzen schmelzen liess.

Zeitgleich jedoch trübten Erinnerungen der letzten Nacht und hinterliessen ein brennendes Gefühl. Er sah hinauf zu dem grossen Krieger, der den Männern, die auch am Feuer saßen, auf die Schultern klopfte und sich dann zu Lenard ans Feuer setzte.

„Es wäre wohl schlecht zu sagen, dass es mir leid tut“ begann er, das Schnauben überhörend, das folgte, „aber es gibt Dinge, die geschehen, ohne das man es will. Wir haben uns den Ort nicht ausgesucht.“

 

Es klang wie blosser Hohn in den Ohren des jungen Burschen. Lenard machte ein verächtliches Geräusch und drehte sich demonstrativ ein wenig weg.

Der alte Feldherr schüttelte den Kopf. Er hatte zuviel Zeit auf Kampfzügen verbracht als dass er wusste, wie man mit einem kleinen Kind umzugehen vermag, dass gerade sein Leben an sich verlor. Wie sollte man so eines trösten? Und was dann? Eigentlich nicht sein Problem, vielmehr mussten sie Waffen, Gold und verwendbare Rüstung sammeln, sich stärken und dann weiterziehen. Sie hatte nun mal keine Zeit zum rasten.

 

Das alles war dem Bauersjungen herzlich egal, und sein Blick hatte sich an einen vergleichsweise jungen Kämpfer geheftet, 20 Jahre vielleicht alt, rotbraunen Haares und hagerer, aber drahtiger Gestalt. Ein Fuchsfell bedeckte die eine Schulter, sich überlappende Lederschuppen die andere. Er grinste ein wenig, hatte wohl gerade einige Scherze getrieben. Aber was den kleinen Jungen bannte, war der Blick, den er scheinbar für den Hauch eines Moments erwiderte. Seine Augen waren stahlgrau und blitzten leicht, und Lenard war sich sicher, ein Nicken zu sehen. Schnell brach er den Sichtkontakt ab und rollte sich zusammen. Er wollte schlafen, lange schlafen und aufwachen, um zu sehen, dass das alles nur ein verdammter böser Traum war.

Er schlief wirklich ein, in einen gnädigen, traumlosen und schweren Schlaf. Er hörte entferntes Klirren, das das Ende dieses himmlischen Schlafes ankündigte, doch er wehrte sich mit leichtem Murren, versuchte wieder in den Schlaf zu fliehen. Doch es half nichts und er öffnete die Augen und sah sich um.

 

Er wusste nicht, wie lang er da gelegen hatte, aber die Sonne stand schon hoch am Himmel und es herrschte Aufbruchstimmung. Sofort wurde der Lenard wach, sah sich um. Die Feuer waren aus, und Rüstung und Waffen wurden gerichtet. Es waren nun auch einige Karren mit Zugpferden dort, die überschüssiges und Verwundete trugen. Lenard sah sich um, und eine Erkenntnis machte sich breit. Er würde hier mit einem Mal komplett allein sein, wenn er die Soldaten nun abhauen würden.

Er sah auch die Landschaft, nun in einer kalten, klaren und hellen Luft. Die Erde, abgeerntete Felder, und unbebaute Strassen, alles war durch die beiden kleinen Heere verunstaltet worden, einige Häuser waren beschädigt, doch keines war so dem Erdboden gleichgemacht wie das, in dem Lenard lebte. Es war wenig mehr als ein noch schwelender, schwarzer Haufen verbrannter Träume. Der Junge wand den Blick ab, wollte nicht länger auf die traurigen Reste seines Lebens sehen und bemerkte nur deshalb, wie sich langsam das Söldnerregiment in Bewegung setzte.

 

„Hey!“ Er rannte los, sah den General mit dem imposanten, exotischen Fell und blieb vor ihm stehen, reichte ihm gerade mal bis knapp über die Hüfte.

„Nehmt mich mit!“ rief Lenard, fast verzweifelt. Der Mann unterdrückte ein Lachen.

„Junge, wir können dich nicht mitnehmen. Du könntest nicht mal annähernd Schritt halten. S’ist Krieg, Kleiner. Du würdest nur in Gefahr geraten und uns aufhalten.“ Im Gegensatz zu seinen Worten war sein Ton aufrichtig, nicht höhnend. Lenard wurde klar, das es wohl genauso sein würde.
Der Mann klopfte auf seine Schulter „Such irgendwo nach Unterkunft… und dann versuch dir ein gutes, friedliches Leben zu machen.“ Mit diesen Worten schritt er weiter. Entgeistert sah Lenard ihm hinterher: „Wo Soll ich denn hin? Hier gibt’s niemanden!“, doch es gab keine Antwort als er weiterschritt und fühlte eine Hand auf seiner Schulter, die ihn mitdrückte. Überrascht sah der Jüngling auf und sah den Krieger, den er letzte Nacht angesehen hatte, mit dem rotbraunem Haar und den starken Augen.

„Du darfst nich mit uns mitgehen, hm? Aber wenn du uns folgst, kann er ja kaum was gegen haben. Musst nur Schritt halten.“ Meinte der gut gelaunt.

„Aber ich kann nicht so schnell…“ begann Lenard, doch wieder stoppte der Mann ihn.

„Ich helf’ dir schon. Ich heisse übrigens Marcus.“ Sagte er, immer noch in einem munteren Ton.

„Lenard“ antwortete dieser und sah ihn an. „Wieso hilfst du mir?“ fragte er, verwirrt, aber doch innerlich froh um diese Unterstützung.

„Hey, der is’ nicht so wie du denkst. Glaub mir, der wird dich schon aufnehmen. Warts ab, in ein oder zwei Monaten…“

„Monaten??“

„Na was denkst du denn? Nur Geduld.“

„Naja..“

„Und nun komm, jetzt kannst du mal trainieren, was es heisst zu marschieren. MARSCH MARSCH!“

 

Und ein –fast- einheitlicher Ruf ertönte als Antwort. „HEYA!“

 

Diese Art des Mannes, und auch wenn Lenard sehr bald die Beine wehtun würden vom Marschieren, liess den Jungen unwillkürlich lächeln.

Er raffte seine Sachen und marschierte mit, so gut der zwölfjährige konnte.

„Heya..“

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Florian Zimmermann).
Der Beitrag wurde von Florian Zimmermann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Florian Zimmermann als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Spaziergang durch die Jahreszeiten/Spacerem po porach roku von Eveline Dächer



Dies ist mein Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung.
Dieser Band mit Kurzgeschichten und Gedichten wurde am 4.Sept.2009 in der Abtei Brauweiler durch die Landräte Herrn Andrzej Plonka und Herrn Werner Stump der Öffentlichkeit präsentiert.

Es wurde als Projekt der Partnerschaft 2009 zwischen dem Kreis Bieslko-Biala und dem Rhein-Erft-Kreis realisiert.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fantasy" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Florian Zimmermann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Erinnerungen eines Aussenseiters von Florian Zimmermann (Trauriges / Verzweiflung)
Eternal Love - Band 1 von Tim Klostermann (Fantasy)
Der Nabel der Welt von Norbert Wittke (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen