Elisabeth Zieger

Der Club des dicken Tigers

Der Club des Dicken Tigers

 

 

Inhalt:  

 

 

1.  Ja.

2.  Nein.

3.  Doch bestimmt.

4.  Nein bestimmt nicht.

5. Doch.

6.  Nein.

7.  Doch.

8.  Nein.

9. Doch!

10. Nein!

11. Doch!!

12. NEIN!!

13. DO-OCH!!!

14. Nein.

15. Nein!

16. Doch.

17. Nein.

18. Egal…

 

 

1.      Ja.
 

Es gibt ein Land das liegt so gut versteckt, dass niemand es finden kann, der danach sucht. Immer in einer anderen dunklen Spalte, wenn irgendwo ein Schrank oder eine Tür nicht richtig verschlossen wurden oder aber auch (vielleicht bei Vollmond) in einer nicht allzu schmalen Bettritze kann es verborgen sein. Von Zeit zu Zeit lohnt es sich also, nachzusehen! Der Weg dorthin ist allerdings gar nicht so leicht zu finden und überhaupt für jeden Menschen ein Anderer. Man muss deshalb unbedingt  selber auf ihn stoßen, sonst läuft man bestimmt vorbei!

Los geht es mit einem Rückwärtssalto Mortalé über den eigenen Schatten! Dann flitzt man immer einen holprigen Pfad entlang zwei Erwartungen bergauf und eine Gänsehaut Südost. Schließlich führt der Pfad unter einer gewaltig großen Geheimnisbrücke hindurch, die ganz aus abgekauten Fingernägeln gebaut wurde und dort angekommen muss noch für einen hibbeligen Moment an der Nervositätsgrenze gewartet werden.

Nach einer kleinen Verschnaufpause tauchen allmählich viele Türen auf. Manche liegen am Boden andere hängen am Himmel oder stehen einfach in der Landschaft und eine ist eine  Spiegeltür, die wenn man in den Spiegel schaut alles nur von hinten zeigt. Das ist die rechte Tür! Man schubst einfach den eigenen Rücken über ihre Kaltwasserschwelle und… ist schon am Ziel!

Für Erwachsene ist dieser Weg allerdings dreitausendfünfhundertsiebenundnullundvierzig mal länger als für ein Kind. Darum wollen mir die Großen meist nicht abnehmen, dass es ihn gibt: Weil sie ihn niemals bis ganz zu Ende gehen könnten! Und wenn sie es mit gutem Willen doch einmal versuchen wollten, so wären sie einfach zu ungeduldig, würden die Wegbeschreibung nicht verstehen oder müssten  noch telefonieren.

Sowieso fehlt „Erwachsenen“ die nötige Vorstellungskraft um sich in jenem Land zurechtzufinden: Man kann ihnen zwar durchaus erzählen, dass gleich neben der Spiegeltür die alles von hinten zeigt, unter der großen Geheimnisbrücke aus den abgekauten Fingernägeln an der Nervositätsgrenze ein Herrn Oxford wohnt, der dort jede Nacht auf einem riesigen Windbeutel schläft. Aber sie werden es nicht glauben. So sind sie eben, diese Großen. (Und man  kann es ihnen schwerlich übel nehmen, wurden sie doch selbst einmal von anderen, noch Größeren grauselig erzogen und haben dabei bemitleidenswerter  verlernt den Spaß am Blasen-in-den-Kakao-Pusten wahrzunehmen oder eben an Märchen zu glauben!)

Dabei ist es doch unbedingt notwendig, wenn man durch die Spiegeltür eintreten möchte, sich vorher höflichst bei Herrn Oxford anzumelden! Höflichkeit ist in diesem Land überhaupt furchtbar wichtig, besonders für einen Besucher. Wer nicht galant mit Verbeugung alles nett und freundlich grüßt, der wird auch nicht beachtet werden und das wäre doch echt langweilig!
 

Wenn man also vor der besagten Spiegeltüre steht so findet sich links davon ein Seil, eine Treppe oder Leiter, je nachdem. Daran steigt man empor bis man zu einem gewaltigen Luftballon kommt auf dem ein mindestens ebenso gewaltiger Windbeutel schwebt.

Manche ahnen es vielleicht schon: Den muss man erklimmen!

Aber Vorsicht! Das ist gar nicht so einfach wie es auf den ersten Blick aussehen mag. Aus eigener leidvoller Erfahrung weiß ich, dass der Teig leicht nachgibt und man mit einem Schwupp in der Sahne feststeckt!

Nur wer ganz leise daran empor klettert ohne nach unten zu schauen, der wird Herrn Oxford auch treffen können. Wer ihn jedoch aufweckt, sei es durch kräftiges Niesen oder sonst ein beliebig lautes Geräusch, den wird er vor Schreck sofort zurückhexen in die Welt aus der derjenige kam und er muss noch mal ganz von vorne anfangen! Es ist nämlich leider so, dass der Herr Oxford ein sehr, sehr furchtsames Zaubermännlein ist, und Fremde nicht gerade übermäßig gern mag.

Auf den letzten Metern bis zur Oberseite ist sein ruckendes Schnarchen längst gut zu hören und am oberen Rand des Windbeutels angekommen sieht man ihn gleich: Er schaut aus wie ein spinnenartiges schwarzes unglaublich spindeldürres Drahtmännchen, dessen meterlange Arme und Beine sich einmal längs und einmal quer über die  gesamte Windbeuteloberfläche erstrecken, während sein an Schmetterlingsfühler erinnerndes Bärtchen bei jedem Sägezug außerordentlich zittert.

Und jetzt?

Die folgende Strategie habe ich nach einigen Fehlversuchen von einer mildtätigen Sahneraupe namens Luffelflatsch (der übrigens heimlich im Windbeuteluntergrund wohnt und dort eine wahrhaft fantastische Eisdiele betreibt!) erfahren: Man pirscht sich zunächst behutsam an den kleinen Kullerkopf des Männchens heran und kitzelt ihn leicht hinter seinem rechten Ohr. Dann fängt er plötzlich an lauthals zu Lachen und wie von Sinnen herumzutanzen! Vor allem aber denkt er gar nicht mehr daran sich zu erschrecken…

Hat er erst einmal ausgelacht, so verneigt man sich und spricht beflissen: „Ei seid gegrüßt sehr überaus verehrter Herr von Oxford. Ich würde sie ganz untertänigst herzlich gern um ihre allergnädigste Erlaubnis bitten, dieses wundervollste aller Länder besuchen zu dürfen.“
 

So gewinnt man gleich sein Wohlwollen! Sein schwarzes rundes Köpfchen mit dem Fühlerbärtchen und den zwei winzigen Perlenaugen dreht sich ein paar Mal nachdenklich im Kreis und man bekommt mit stummen Nicken (einen Mund zum Sprechen besitzt Herr Oxford offensichtlich nicht!) eine magische Karte überreicht. Diese ist äußerst nützlich, weil sie nicht nur als Ausweis für den legalen Aufenthalt eines Menschen im verborgenen Land dient, sondern zudem stets die richtige Antwort gibt, wenn man sie einmal nach dem Weg fragen sollte.

So ausgerüstet kann’s, denke ich nun losgehen!
 
 
2. Nein.
 

Ach! Das hätte ich beinah vergessen!! Nicht nur der Weg in dieses Land sondern auch der Rest von ihm kann für jeden Menschen überaus verschieden sein. Wer weiß? Vielleicht gibt es ja in den anderen Ländern, der anderen Leute gar nicht so einen großen und einen kleinen Tiger wie bei mir? Das wäre natürlich schade, denn beide sind ja ganz besondere Tiger!

Dann ist es wohl besser ich erzähle alles ganz genau so, wie ich es bei meinem Besuch selber gehört und erfahren habe. Und das war so…

 
 
3. Doch bestimmt.
 

Betritt ein Fremder durch die wundersame Spiegeltür das noch viel wundersamere Land Kuriosium, so bietet sich ihm ein entzückend entrückter Ausblick: Er steht nämlich gerade auf dem allerhöchsten Tal des gesamten Landes, von wo aus man alles ringsum überblicken kann! In Kuriosum sind nämlich die Täler oben und die Berge unten, da es sich als praktischer erwiesen hat, die Täler über Seilbahnen zu verbinden und sich so das ewige Rauf und Runter von dem Einem ins Nächste zu sparen. Man muss schließlich bedenken das Kuriosum unvorstellbar groß ist! Es erstreckt sich einmal über den gesamten Hinterkopf des Mondes vom linken bis zum rechten Ohr!

Gewiss, es sieht schon ein bisschen komisch aus mit den emporragenden Tälern und tief unten liegenden Bergen, aber ich muss sagen, man gewöhnt eben doch recht schnell daran. Die gesamte Landschaft ist ja ohnehin in vielerlei Hinsicht etwas sonderbar:

Tief im Süden liegt zum Beispiel die kleine Wüste Konfetilala. Sie besteht wie fast alle Wüsten aus jeder Menge Sand und ein paar Oasen, mit niedlichen Pyramidchen, Dünen sowie natürlich regem Wüstenbootverkehr. Die Sandkörner hier sind allerdings nicht bloß gelb oder rot! Nein, nein! Sie können alle möglichen Farben annehmen und bilden ein kribbelbuntes Meer aus grünen, blauen, violetten oder auch lieblingsfarbenen Wellen. Manchmal entstehen je nach Wetter und Laune sogar richtige Muster: Blumen, Sternchen, Karos, Streifen und so weiter. Viele Experten meinen heute, so etwas müsse wohl aus den abgefallenen Schuppen eines gigantischen, außerirdischen Chamäleons entstanden sein, das sich hier kurz ausgeruht haben könnte, bevor es wieder in den unendlichen Weiten des Kosmos verschwand…

Tja, wer weiß?

Gleich neben an, im Osten des Landes beginnt die Heumondsteppe: Eine riesige Wiese auf der alle Blumen, Sträucher und Gräser, die man sich nur ausmalen kann, nebeneinander wachsen. Alles erdenkliche Getier summt und krabbelt und gräbt und fliegt und kriecht und schlängelt und schleicht hier umher, sodass es oft recht geschäftig zugeht. Toll ist dabei freilich in erster Linie der Rasen! Der kann manchmal so hoch gewachsen sein, dass die Spitzen seiner Halme selbst die Giraffen noch in der Nase kitzeln, während er lediglich ein paar Hüpfer weiter eher einem englischen Golfplatz gleicht.

Ein Wasser, das manchmal Fluss gelegentlich  See oder ab und zu Meer sein kann gibt es selbstverständlich auch: Den Anasonass, der auf einem der vielen hohen Täler in den nordischen Nordellen seinen Ursprung hat.

Der  Mittelwald im Zentrum und Westen des Landes, ist jedoch am größten. Im Grunde wird er zwar  nur von einem einzigen Baum gebildet, aus dessen Stamm alle möglichen und auch ein paar unmögliche Bäume sprießen, trotzdem ist er mächtig genug, dass sein dichtes Blätterwerk Kuriosium fast bis zur Hälfte überdeckt. Und einige seiner Äste reichen sogar höher als die meisten Täler der nordischen Nordellen!

Oft herrscht in seinem Inneren ziemliche Dunkelheit. Nur hier und dort, flackern ein paar unruhige Irrwische, kämpft sich fades Mondes- oder Tageslicht durch das dichte Laubdach. Überall glänzen Augen, die jeden Eindringling argwöhnisch, fast feindselig beobachten. Schatten scheiden bedrohliche Grimassen in die schroffen Rinden der Bäumlinge, welche mit ihren  Wurzeln und Ästen ringsum ein unüberschaubares Geflecht aus Gängen, Tunneln, Brücken und Röhren bilden, in denen man sich als Unerfahrener praktisch sofort verirrt! Dazu gibt es zahlreiche gefährliche Sümpfe, aus denen noch nie jemand, der einmal verschlungen wurde, wieder herausgekommen ist! Ein starker herzhafter Geruch nach feuchter Erde, Harz und modrigem Holz erfüllt die drückend schwüle Luft. Nebel wabern über den tückisch rutschigen Boden. Regen fällt in warmen schweren Tropfen von oben herab. Insekten surren unablässig umher und kündigen juckende Stiche an! Der Wind heult schaurig klagend durch die Baumkronen, die sich unheilvoll knarzend herunter biegen…

Dies ist Heimat des Großen und des kleinen Tigers.

 

To be continued….

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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