Ich
habe mich wirklich darauf gefreut. Mozart's Zauberflöte im
Staatstheater Saarbrücken. Ich bin ein Fan von Mozart.
Also
kaufte ich mir eine Karte. Ziemlich weit vorne, 8. Reihe und mit
40,50€ nicht gerade billig, aber es war für Mozart...
Doch
die Vorzeichen waren schon so, dass ich darauf hätte hören
sollen. Der Wettergott wollte verhindern, dass ich hingehe. Er
scheute weder Kosten noch Mühe. Es war der Tag der großen
Orkane in Deutschland, der 18. Januar 2007. Zum ersten Mal in der
Geschichte war sogar die Bundesbahn Deutschland weit stillgelegt. Die
Nachrichten warnten davor, die Häuser zu verlassen. Aber ich
hatte eine 40,50€-Karte, nichts konnte mich davon abhalten, ins
Theater zu gehen.
Im
Foyer für Parkett I, die teuren Plätze, sah ich sie schon,
die mit Sicherheit beiden größten Männer aus
Saarbrücken, sie saßen selbstverständlich 2 Reihen
vor mir.
Das
Theater konnte beginnen.
Ein
wohl wichtiger Herr, den ich nicht kannte, trat auf die Bühne
und verkündete, dass das schlechte Wetter auch am Theater nicht
spurlos vorbeigegangen sei, viele Besucher hätten abgesagt und
die Königin der Nacht sei erkältet, die Zuschauer mögen
doch bitte verzeihen, wenn der ein oder andere Ton nicht so gut
getroffen würde.
Na
klasse, eine 40,50€-Karte und die Königin der Nacht hat die
Freck.
Dann
die Ouvertüre. Links neben mir waren 3 Plätze frei und ein
Herr, der zu spät kam, setzte sich neben mich. Ich schaute rüber
und dachte: „Der ähnelt meinem Vater, Frisur, Brille und
Konfirmationsanzug aus den 50iger Jahren.“
„Das
Orchester spielt Mozart“, sagte ich mir, „beschäftige dich
nicht mit dem Publikum, höre zu.“.
3
kleine Mozartkopien erschienen im Saal und schauten sich suchend um.
Einer der Mozartjungen zeigte in meine Richtung, ein Lichtkegel fiel
auf mich und der kleine Mozart zeigte mit dem Finger an, ich solle
zum ihm kommen.
Nein,
ich wollte nicht auf die Bühne, ich hasse Gesellschaftsspiele.
Aber es stellte sich schnell als Verwechslung heraus, er meinte den
50iger Jahre Herrn neben mir, der dann auf die Bühne kletterte
und hinter dem Vorhang verschwand.
Die
Ouvertüre ging dem Ende entgegen. Der Vorhang öffnete sich,
der 50iger Jahre Herr hing unterhalb der Bühnendecke, von einer
Riesenschlange umwickelt, und begann zu singen.
Gut,
dass ich mir den Inhalt der Oper ein paar Tage zuvor wieder
einverleibt hatte. Es war also der liebe Tamino, der da da an der
Decke hing, im Konfirmationsanzug und 50iger Jahre Brille und mit
einer Stimme, die kaum bei mir in der Reihe 8 zu hören war, mit
dem Singen begann.
Die
Handlung ging weiter, gut dass ich mit Inhalt und Text vorbereitet
war. Verstehen konnte ich nicht viel.
Hinter
mir saß jemand mit schlechten Nerven, jedenfalls hämmerte
dauernd ein Fuß an meine Rückenlehne. Ich drehte mich um
und hielt den Fuß der Dame fest. Sie verstand das ohne dass ich
laut werden musste.
Auf
der Bühne befreiten die 3 Knaben und die 3 Vogelhexen Tamino aus
der Riesenschlange, sie umringten ihn und zogen ihn aus. Nun stand er
in Boxershorts, T-Shirt, Socken und Halbschuhen - nicht zu vergessen
die 50iger Jahre Brille - auf der Bühne. Ich hatte Angst, dass
er jetzt auch noch seine „Zauberflöte“ zum Vorschein
bringt.
Dann
erschien Papageno auf der Bühne. Zu erkennen war er an der
Panflöte und dem wohl bekannten Flötenspiel. Auch er im
50iger Jahre Konfirmationsanzug, nur der war aus Cord, damals hieß
das noch „Manchester“ erinnerte ich mich. Auch er sang mit einem
etwas dünnen Stimmchen, selbst für mich in Reihe 8 nicht so
sehr gut zu hören.
„Na,
ja“, dachte ich, „für 40,50€ wird doch noch einer auf die
Bühne kommen, der etwas lauter singen kann.
Die
Szenenwechsel waren krass und unzusammenhängend. Die
Bühnenbilder etwas einfallslos, sachlich, kahl und Tamino sang
und spielte weiterhin in Unterhemd und T-Shirt.
„Ich
bin in der Oper“, sagte ich mir dauernd, sonst hätte ich es
vergessen.
Es
fanden sich dann doch noch einige Darsteller mit Stimmen, die zu
verstehen waren. Pamina, der Chor, und trotz Erkältung auch die
Königin der Nacht.
Die
hatte auch Erbarmen mit mir und ließ von einigen Dienerinnen
Tamino endlich mit einem Anzug bekleiden. Der war zwar aus
hässlichstem lila Stoff, aber immer noch besser als die
Unterwäsche. Dabei trällerte sie ihr
hahahahahahahahahahahaaaa, hahahahahahahahahahahaaaaaa.
Applaus,
Applaus und ab ins Foyer in die Pause.
Da
ich alleine war und somit niemanden unterhalten musste, konnte ich
den Gesprächen der anderen zuhören.
Die
Begeisterung des Publikums hielt sich in Grenzen. Erleichtert stellte
ich fest, dass ich nicht die unwissende Opernanfängerin war und
alleine mit meiner etwas distanzierten Einstellung zu der Aufführung
dastand.
Zweiter
Teil.
Die
Darsteller spielten ihre Rollen mit theatralischem Einsatz, fanden
aber trotzdem nicht so den echten Kontakt zum Publikum. Mit
erheblicher Leibesfülle und umso weniger Stimmgewaltigkeit
plätscherte die Unterhaltung dahin. Ab und an schloss ich die
Augen und lauschte der Musik.
„Für
40,50€ hätte ich einige Mozart CDs kaufen können“,
dachte ich bei mir.
Auf
der Bühne wurde das Schloss von Sarastro durch ein Baugerüst
dargestellt. Sein Lied: In diesen heil'gen Hallen kennt man die
Rache nicht... kam bei mir wie eine Entschuldigung für das
Bühnenbild an. Tamino lag im lila Konfirmationsanzug auf der
einen Seite der Bühne, Papageno im Manchesteranzug auf der
anderen Seite. Vor ihm stand ein Kasten Urpils und er grillte
Würstchen auf einem Schwenker.
Papagena
erschien als Putzfrau im Hilde Becker Stil.
Die
wenigen Textpassagen wurden in Saarländisch gesprochen.
Normalerweise ein netter Geck das alles, aber ich wollte eine
klassische Oper sehen und kein Theaterstück von Heinz Becker.
Irgendwie entglitt mir die Stimmung, die mich auf Flügeln der
Vorfreude ins Theater getragen hatte.
Dann
erschienen noch 3 Ballettratten im rosa Tütü. Sie wirkten
etwas unbeholfen, nicht wie Profitänzerinnen. Eine davon
mindestens 1,80m groß und nicht so ganz schlank. Ich stellte
mir vor, wie ein armer Tanzpartner die wohl beim Paartanz hoch heben,
umfallen und dann platt unter ihr zu liegen käme.
„Oper
im Staatstheater Saarbrücken“, dachte ich mir, „und dafür
habe ich 40,50€ bezahlt.
Die
beiden längsten Männer des Saarlandes 2 Reihen vor mir
wurden immer länger. Ich wollte nicht nur Hinterköpfe sehe
– für 40,50€ - und setzte mich 2 Plätze weiter nach
links.
Dann
rettete Tamino Pamina. Papageno und Papagena trällerten ihren
ach so berühmtes Kinderwunsch - papapapa...pa pa pa...- mit
nicht allzu überzeugenden Stimmen. Papagena entledigte sich
ihrer Hilde-Becker-Kittelschürze und stand nun auch im rosa Tütü
auf der Bühne. Die Königin der Nacht gab ihren erkälteten
Senf dazu und die 3 Knaben fuhren in rot-weiß geringelten
Hemden auf roten Fahrrädern auf der Bühne rum.
Spätestens
jetzt war ich froh, dass ich kein Abendkleid angezogen hatte.
Dann
irgendwie lagen sich alle in Harmonie in dem Armen und sangen, vorne
die Hauptdarsteller und im Hintergrund der Chor, ganz im 50iger Jahre
Look angezogen. Der Chor stieg die Stufen von der Bühne herab
stellte sich neben den Sitzreihen im Publikum auf und sang weiter.
Wie Opernsänger es so machen, rissen sie dabei den Mund sehr
weit auf. Es erinnerte mich an Vögelchen im Nest, die gefüttert
werden wollen.
Vorhang,
Applaus, Applaus, mir taten die Hände weh. Gedränge am
Ausgang, ab in den Sturm und Regen.
Auf
dem Weg nach Hause dachte ich nur: „Gut, dass Mozart das nicht mehr
erleben musste“.
Susanne
Wetzel