Karin Herrmann

Der Schinken

 

Das Schlafzimmer meiner Großmutter galt für mich schon immer als so etwas wie das Allerheiligste.

Als ich noch ein kleines Mädchen war, schlich ich mit Vorliebe dort hinein. Es übte einen ganz eigenartigen Reiz auf mich aus. Alles war blitzsauber und auf das Akkurateste gerichtet, selbst Großvaters Bett. Er war aus dem Krieg nicht zurückgekehrt. Doch für Großmutter stand fest, dass er irgendwann zurückkommen würde.

Was mich in ihrem Schlafzimmer so faszinierte, war das Bild, das über den Betten hing. Es stellte einen Elfenreigen dar. Immerzu konnte ich davor stehen und es bewundern. Großmutter hatte das Bild von ihren Eltern geerbt und die wiederum von ihren Eltern. Es war also ein richtiges Erbstück

Mutter sagte dazu „Schinken“ und ich war jedes Mal sehr gekränkt.

Wenn mir Großmutter dann noch vom lieben Gott und den Englein im Himmel erzählte, wurde Mutter jedes Mal wütend.

„Lass doch das Kind mit dem Unsinn in Ruhe! Du bringst es ja ganz durcheinander.“

Sie hatte eine andere Weltanschauung. Sie war in der Partei. Ich verstand damals gar nichts. Großmutter pflegte dann tröstend zu sagen:

 

 

 

 

 

 

 

„Den Schinken wirst du einmal erben. Nicht wahr, mein Schatz?“

 

Dabei strich sie mir übers Haar, ich nickte und war selig. Noch Jahre später stand für mich fest, dass der Schinken einmal über meinen Ehebetten hängen würde. Ich musste eben nur lange genug warten.

 

Als meine Großmutter starb, trampte ich mit meinem Freund quer durch Tschechien und Ungarn zum Balaton und erfuhr erst nach meiner Rückkehr  von ihrem Tod. Ich war unsäglich traurig, dass ich keine Möglichkeit gehabt hatte, von meiner geliebten Großmutter Abschied zu nehmen.

 

So war bei der notwendigen Haushaltsauflösung auch mein Schinken mit unter den Hammer gekommen. Ein Unternehmen, das für derartige Angelegenheiten beauftragt worden war, hatte meinen Schinken an irgendein Antiquitätengeschäft verkauft. Ich sollte mein geliebtes Erbstück also nicht bekommen. Wie schade.

 

Einige Zeit klapperte ich noch diverse Antiquitätengeschäfte ab, dann gab ich auf.

 

 

Neulich machte ich den sogenannten Anstandsbesuch bei meinen zukünftigen Schwiegereltern, die übrigens sehr nett sind.

 

Nachdem meine Schwiegermutter in spe und ich uns genügend beschnuppert hatten, zeigte sie mir voll Stolz das ganze Haus. Überall sah man Blumen aus dem eigenen Garten, der ihr Stolz war. Alles war modern eingerichtet und  hatte eine ganz persönliche Note. Als mir ein Blick in das eheliche Schlafzimmer gewährt wurde, blieb ich wie angewurzelt stehen. Da hing doch, ich konnte es nicht fassen, über den Ehebetten m e i n  Schinken!

 

Sofort stand für mich fest: Diesmal würde ich erben.

 

Ich musste eben nur lange genug warten – wiedermal.  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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