Michael Masomi

Wahrheit

  Die Wahrheit.   Wenn ich in den Spiegel schaue, dann finde ich sie nicht (Gleichzeitig springt sie mich an, wie ein gefährliches Raubtier, wenn ich meine Augen sehe.) Ich bin nicht hässlich, nicht dick und habe keine Behinderung (Die zu sehen ist!). Keine Narben. Frauen sehen sehr viel in mir, sie sprechen mich an. Ich muss nur da sitzen und gut aussehen. – Ich bin sehr attraktiv! Ja, ich sehe verdammt gut aus!   Ich bin nicht schwachsinnig!   Bin überdurchschnittlich intelligent. – Habe mein Abitur mit 1,2 geschafft, obwohl ich nie richtig gebüffelt habe. War ein halbes Jahr vor den Prüfungen auf Jamaika und habe das Geld meine Oma verprasst, (Welches natürlich fürs Abi war!) und habe dennoch so gut abgeschnitten.   Die Lehrer haben mich zumeist gehasst, tja, ich sie auch. (Einigen von ihnen hätte ich gerne die Zunge ans Lehrerpult genagelt! – Etwas hielt mich zurück.   Ich habe einen guten Job beim Fernsehen und ficke recht anständig.   Viele Frauen sollen ja den Orgasmus  lebenslang  vortäuschen, nicht bei mir. Wenn eine Frau nach drei Stunden Hinundher und Reinundraus keinen Orgasmus kriegt, dann hat sie keinen Kitzler mehr!   Ich habe keinen Hass auf die Frauen. (Auch sonst habe ich auf niemanden Hass!)   Warum also? Die suche nach der Wahrheit?    Während ich hier stehe (Mit den Füßen im warmen Blut.) und in den Spiegel blicke, finde ich keine Antwort.   Meine Mutter hat mich nie gequält – Ich bin kein Norman Bates.   Ich höre keine Stimmen in mir – Ich bin kein Jesus Christus.   Ich will nichts beherrschen – Ich bin kein Adolf Hitler.   Ich will niemanden befreien – Ich bin kein Cheguevara.   Zwischen meinen Haaransätzen ist kein Zeichen – Ich bin nicht Satan.   Ich bin viel schlimmer!   Ich lebe!   Ich halte das Beil noch in meinen Händen, Blut und Hirn kleben und ich höre noch das Geräusch, als ich den Schädel öffnete. Es klang, als hätte ich die Türe eines alten Schranks aufgemacht und die alten Scharniere knirschen und quietschen abscheulich. Zuerst kommt gar kein Blut. Man guckt in die Öffnung  und denkt, verdammt da muss doch Blut sein, aber es kommt kein Tropfen.   Dann entspannt sich das Herz, (Es ruft halslaut: „Hey Leute! Ab heute ist hier für immer Schluss! Ihr könnt nachhause gehen!“) der Blutdruck pumpt sich leer und fontänenartig spritz das Blut aus der…Öffnung? ... Wunde. Die roten und weißen  Blutkörperchen packen ihre sieben Sachen und ziehen aus.   Der Mann war sofort tot!   Manche zucken noch, oder röcheln.   Ich hass das, die stellen sich an wie Babys. Kleine Wichser! Die Jammerlappen unserer  Gesellschaft.   Gesellschaft?   Ist die Gesellschaft an einem Menschen wie mir Schuld?   Vielleicht gar nicht mal so falsch der Gedanke.   Ich bin ein Teil dieser Gesellschaft, ich gehöre zu ihnen. Bin ich wie sie? Sind sie wie ich, oder bin ich nur das was sie hervorrufen? Die Leute grüßen mich, ich bin einer von ihnen.   Ich bin kein Penner, kein Bandit, kein Revoluzzer und ich hab kein AIDS. Ich zahle meine Steuern, gehe zur Wahl und habe hin und wieder Sex. Ich sehe einem Engel ähnlicher, als dem Teufel.   War die Gesellschaft  schuld, dass mein Vater meine Mutter verlassen hat, als ich fünf war? Wenn ich meine Augen ganz fest zumache und mich erinnere, dann kann ich ihn sehen, wie er mir mein erstes Fahrrad schenkt Er lacht. (In meinen Träumen fressen Maden seine Augen. Seine Augäpfel implodieren und er rennt wie wahnsinnig durch mein Zimmer. Solche Schmerzen hat er.) Aber ich, ich empfinde nichts dabei.   Weder Hass, noch  Mitleid.   Es ist mir egal. Am liebsten würde ich ihm sein scheiß Fahrrad anal einführen. Aber nicht aus Wut. Einfach nur so, zum Spaß. Sadistisch war ich immer!   Ich erinnere mich daran, ich war sechs, oder sieben, da habe ich Plastik angezündet und die heißen Tropfen  auf wimmelnde Ameisen fallen lassen. Eine Ameise stirbt mit mehr Würde als ein Mensch. Sie haben nach allem gebissen, was ihnen in die Quere kam. Sie wollten noch jemanden mit in den Tod reißen. Mich sahen sie nicht, mich bemerkten sie nicht mal. Sie glaubten nicht, dass ich ein grausamer Gott sei, der sie beim lebendigen Leibe verbrannte und einschmolz.   Wespen brennen auch gut!   Ich hab einmal ein ganzes Nest mit einer Haarspraydose und einem Feuerzeug erledigt. Ihre Königin hat noch im Todeskampf Eier geschissen, die ich aufaß. (Wenn man eine Maus mit einem Gummihammer malträtiert, dann fliegen ihre Eingeweide und das Blut aus ihrem kleinen Arschloch raus. Der Rest ist heil, sieht nur aus wie ein Luftballon ohne Luft.)   Dabei fällt mir ein, als ich mit fünfzehn ein Mädchen liebte, habe ich ihr eine Brustwarze abgebissen. Sie hatte danach mit mir Schluss gemacht.   Ja? Oder habe… Ich weiß das nicht mehr. Hm? Komisch, wie die Zeit die Vergangenheit verblassen lässt.    Ich war immer von der Brutalität der Grimmmärchen fasziniert. Wenn die Geißen dem Wolf mit einer Schere den Bauch aufschnitten, Schneewittchens Stiefmutter in glühenden Schuhen tanzen musste, die Hexe im Ofen verbrannte, oder sich das Rumpelstilzchen in zwei Teile riss, bekam ich immer ganz große Augen erzählte meine Mutter immer.   Ich malte im Kindergarten so grausame  Bilder,  dass meine Oma vorbeikommen musste. Meine Oma nahm alles immer ziemlich leicht.   „Der Tod interessiert Kinder!“ sagte sie immer. „Wie das Leben. Aus einem Loch kommen wir und in ein Loch gehen wir zurück.“   Dann lachte sie immer.   Mama lachte auch immer viel, wenn sie sich Heroin spritzte. Sie wäre fast gestorben, heute spritzt sie nicht mehr. Sie kifft nur hin und wieder.  Schwarzen Afghanen, oder grünen Libanesen – wenn sie ihn kriegt.   Ich rauche gerne Marihuana.   Ich verstehe mich mit meiner Mutter sehr gut, sie ist nur dreizehneinhalb Jahre älter als ich, fast wie meine große Schwester. Sie hatte nie das Sorgerecht für mich, das hatte immer die gute, reiche Oma. Sie war immer gut zu mir und ich habe eine lange Zeit mit ihr gelebt.   Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass ich mit einunddreißig  eine Mutter habe, die vierundvierzig ist und einen Vater mit achtundvierzig. Drogen nehme ich nicht, ich trinke nicht einmal. Mein einziges Laster ist, Grassrauchen und das ist Gesund. Ich höre gerne Johny Cash. Auch war ich nie verheiratet, oder gar verlobt Ich habe noch nie jemanden wirklich geliebt, nicht einmal meine Katze, das arme Vieh.   Sie hat mich so entsetzt angeguckt, als könne sie es nicht verstehen, warum ihre größte Liebe ihres Lebens sie abmurkste.    „Hast du dich auf sie draufgelegt?“ war der knappe Kommentar meiner Großmutter. Sie liebte mich, ich war ihr Abgott, nie hätte sie darin eine Absicht  vermutet.   Meine Mama schon, sie schaute mich lächelnd, mit ihren glasigen Augen an. „Wolltest sehen, wie das Leben entweicht?“   Es gab Augenblicke, da hätte ich schwören können, sie wollte sehen, was passiert, wenn ein Zehnjähriger eine Überdosis erhält. Aber sie war nicht so, sie war kein Josef Mengele!   Ich habe eine lange Zeit mit Oma und Mama zusammen gelebt. Ich war dreiundzwanzig, als ich meine Ausbildung zum Mediengestalter abschloss und nach Köln zog, um bei RTL Plus zuarbeiten. Mama war immer gut zu mir.   Aber ich bin kein Muttersöhnchen! Vielleicht  weil sie noch so jung war. Ich wollte aber nie mit meiner Mutter schlafen, obwohl sie sehr schön war. Ich wollte sie auch nie töten.   Mama und ihr Drogenkonsum verhalfen mir ab fünfzehn zu eigenem Wohlstand. Wenn sie sich ihr Zeug spritzte, war sie direkt  so high,  dass sie in ihrer eigenen Welt versank. Es gibt Junkys, die werden und werden nicht mehr high. Das Gift ist schon ein Teil ihres Körpers geworden und der Süchtige muss immer mehr in seinen Körper pumpen, bis er eines Tages den Goldenen findet. Mama war da anders. Sobald ihr Zeug durch die Venen floss, riss sie ihre Augen auf und rannte durch ihr Zimmer und zog sich aus. Sie legte sich dann nackt auf ihr Bett und jauchzte vor Vergnügen.   Viele haben Horrortrips beim Schießen, Mama nicht.   Vielleicht lag es daran, dass sie sozial gefestigt war, sie musste sich keine Sorgen um die Beschaffung machen, Oma zahlte alles.   Irgendwann bin ich dann in ihr Zimmer gegangen, um mit ihr zu reden, doch sie war gar nicht ansprechbar. Ich glaube sie verweilte im Glück und selbst Alice würde keine besseren Filme fahren. Ob sie das weiße Kaninchen, oder den Hutmacher sah, weiß ich nicht, aber sie sah auf keinen Fall Fledermäuse oder fickende Eisbären.   Sie wälzte sich im Bett hin und her, spreizte ihre Beine und hauchte, jauchzte und stöhnte, als hätte sie den besten Bums der Welt. Nach dem ich mich dreimal in ihr Zimmer schlich, (Ich zockte ihr jedes Mal etwas H ab und verkaufte es in der Schule.) nahm ich beim vierten Mal meine Kamera mit. Es war eine 8mm-Filmkamera  und mit ihr machte ich meine ersten Filme, mit Mama in der Hauptrolle.   Mama war mit achtundzwanzig eine willige Schauspielerin und ich vermute sie hatte mich schon beim ersten Mal bemerkt, dachte aber wohl ich sei eine Halluzination. Sie hätte es merken müssen, aber sie bewegte sich vor meiner Kamera, als wäre ich nicht ihr  Sohn. (Ich machte schon länger Filme, nicht von meiner Mutter und Oma finanzierte mir meinen eigenen Vorführraum.)   Ich schaute mir meine Mama auf Leinwand an. Ich bekam keinen Ständer und ich wichste nicht. Ich bin nicht schwul, aber ich will nicht mit meiner Mutter schlafen!   In der Schule sprach ich Jungs an, die sich für ein gewisses Entgelt die Filme ansehen  durften. So dachte meine Oma ich hätte jede Menge Freunde und sei in der Schule gut angesehen.   Später schlich ich mit Mitschülern in das Zimmer meiner Mutter und ließ sie für 250 DMark   durchknallen. Ich nahm sie dabei auf und erhöhte die Filmpreise.   Meine Oma fand einen Film, als ich schon ausgezogen war und erlitt einen Schlaganfall. Sie lebte noch einige Jahre, aber sie sprach nicht mehr und so nahm sie mein Geheimnis mit ins Grab.   Jetzt mache ich Aufnahmen von Menschen die ich abschlachte. Und ob ihr mir glaubt, oder nicht, es gibt sogar einen Markt dafür. Aber die Wahrheit ist ich finde es einfach schön im Blut zu baden. Ich trage meine Maske, so wie sie die Meisten auch tragen. Man erkennt mich nicht, weil ich mitten unter euch bin.    Die Wahrheit ist. Ich werde immer das tun, was ich bin.       

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Michael Masomi, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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