Dieter Kamensek

Montag

Eine erfundene Kurzgeschichte

 

Montag. Wieder einmal;

Mir ist dieser Tag schon lange nicht mehr wichtig! Ich erinnere mich an eine Zeit, da mit dem Montag meine Arbeitswoche begann. Sie ist – zeitlich gesehen – nicht so lange her, aber es trennen mich von ihr Universen! Aufstehen, Duschen, Rasieren, Anziehen, Frühstücken, Zeitung durchsehen,  Zähneputzen und ab ins Büro.

Im Büro die Post aufarbeiten, Mails lesen und beantworten, Besprechungen, Telefonate,  Projektierung, Planung, Mittagessen, Weiterarbeiten bis am Abend, manchmal noch ein kleiner Umtrunk mit den Kollegen, nach Hause. Frau und Kind begrüßen, müde, abgespannt, zusammen Essen, Small Talk,  Fernsehen, Duschen, Zähneputzen, Vorbereitungen für den nächsten Tag! Schlafen gehen – manchmal mit, manchmal ohne Sex!

Die Tage glichen einander. Stellte man diese Tage in eine Reihe, niemand würde einen wirklichen Unterschied finden; so wie bei einem superschweren Fehlersuchbild! Selbst die Gespräche sind so öde und monoton wie sonst nichts auf dieser Welt. Bei den Männern sind es Frauen, Autos und Sport, mit den Frauen redet man über Gesellschaft, Beruf und die Welt. Was die Frauen wieder unter sich reden, wird höchstwahrscheinlich ein ähnlich öder Themenkreis sein wie bei Männern! Wiederholungen und Wiederholungen, Blablablabla!

Die Wochenenden heben sich ein wenig ab. Mal  geht man aus, oder unternimmt etwas mit der Familie. Doch im Grunde ist  ein Wochenende wie das andere.

 

Irgendwann habe ich zuviel und zu lange gearbeitet, immer und immer wieder! Ich übersah dabei meine Frau und mein Kind. Ich übersah mein Leben. Ich übersah die Zeit und ich übersah die Zeichen. Ich übersah, dass es Leben auch neben und mit mir gab!

Einmal,es war gegen Acht Uhr abends – ich blickte aus dem Bürofenster in die Nacht, da sagte ich – aus Spass zu meinen Arbeitskollegen:

“Ich habe gehört, - es gibt Theorien, dass es da draußen, außerhalb des Bürogebäudes, Leben geben soll. Niemand kann es sich vorstellen und doch soll es so etwas geben!“

Die Kollegen sahen mich nur erstaunt an – das war alles!

 

 

Scheidung, Trennung, Aus. Schon lange hatte ich den Verdacht dass es bei meiner Frau jemand anderen in ihrem Leben gab, doch wollte ich es eigentlich gar nicht wissen! Es war mir auch nicht wirklich wichtig! Doch diese Scheidung bewirkte etwas anderes. Ich wurde, wenn auch nicht sofort, aus der gewohnten Bahn geworfen! Ich kam in die Lage, als fast Außenstehender mein leben zu betrachten!

 

Und – ich verstand es nicht wirklich. Ich sah einen Mann, der Fiktionen und Utopien nachrannte, während seine Frau auf ihn wartete; ich sah einen Mann, der Stunden und Tage seiner Firma opferte, während sein Kind ihn gebraucht hätte; ich sah einen Mann, der soviel nutzlose Unterhaltungen führte, während seine Familie auf ein liebes Wort vergebens wartete. Ich sah einen Mann, der nach Reichtum und Macht strebte, während seine Frau und sein Kind  auf ihn hoffte und wartete. Ich sah einen Verlierer. Ich sah einen dummen kleinen Mann, der zwar im Beruf etwas „darstellte“ doch im Grunde ein Nichts war. Ich sah einen Mann, der ein großes Auto fuhr, er war der einzige Insasse, er ganz allein; ich sah einen Mann der in einem viel zu großen Haus lebte, ich sah einen Mann, der über ein gutes Bankkonto verfügte und ich sah einen Mann der einsam und verloren war.

 

Ich hatte mich nie darum gekümmert, wann es zum Bruch kam und auch nicht, wie sie den Anderen kennen gelernt hatte. Ich hatte mich eigentlich um nichts wirklich gekümmert als um meine kleine Welt!

 

Mein Kind wurde mir für jedes zweite Wochenende zugesprochen, ich durfte es bei mir haben!

- wenigstens theoretisch; denn manchmal musste ich arbeiten, oder war auf Geschäftsreise!

Ich nahm den Schmerz meines Kindes nur am Rande wahr. Es hätte den Vater gebraucht, sagten alle. Es hätte die Zuwendung und Liebe des eigenen Vaters gebraucht, sagten alle; Es litt unter der Trennung fürchterlich, sagten alle; es weinte sehr oft, sagten alle; es war so einsam und traurig, sagten alle.

 

Wenn ich daran denke, so glaube ich wirklich, dass mein Kind den eigenen Vater gebraucht hätte! Sie ist auch mein Fleisch und Blut. Sie hat ein Recht darauf, richtige Eltern zu haben. Warum soll sie für die Dummheit der Erwachsenen bestraft werden? Eine wirkliche Wahl hat sie nicht! Das wäre so, wenn man Eltern von zwei Kindern fragen würde, von welchem Kind sie sich trennten!! Oh Gott, wir Erwachsenen verlieren wirklich sehr viel, am meisten aber die Einsicht, dass es WICHTIGERES als uns selbst gibt!

 

Aber -- es hatte einen Unfall. Niemals wurde geklärt wie es wirklich passiert war. Es ist auch nicht wichtig! Mein Kind versank in ein Wachkomma. Es lebt nun in einer besseren Welt voll Liebe und Freude. Dort gibt es sicher auch die Tiere die sie immer gern gehabt hätte. Dort ist sie mit uns, der Mutter und dem Vater zusammen, so hoffe ich!

 

Ich war unzählige Stunden am Bett meines Kindes. Nun hatte – nein – nahm ich mir die Zeit!

Nun streichelte meine Hand ihre Haare, nun berührten meine Lippen ihre Wangen zum Kuss der voll Liebe war – ohne Zeitdruck und andere Gedanken;

Soviel schreckliches musste passieren, damit ich mir für die WICHTIGEN Dinge in meinem – unserem Leben - Zeit nahm.

Wir nehmen uns dann Zeit, wenn sie keiner braucht, wir reden dann Gutes, wenn uns keiner hört und wir haben dann ein Einsehen, wenn etwas vorbei ist. Wir streicheln, wenn es keiner spürt, wir küssen wenn niemand mehr fühlt!

 

Ich fing an neue Freund zu treffen. Johnny, Jim und andere; oder ich nahm Blumen, die vier Rosen, manchmal nahm ich eine Farbe nach der anderen. Rot, schwarz, blau. Ich traf auch andere Freunde; Napoleon, Remy und andere angesehene Gäste. Mit der Zeit wurden sie mir zu teuer. Denn ich brauchte sie immer öfters. Ich traf Freunde aus Kentucky, Caledonia und schließlich kamen auch Freunde aus dem Osten – Eristoff und Notschoj.

Heute weiß ich nicht einmal mehr wie mein Freund heißt den ich in der Hand halte. Ein billiger Fusel. Ich stinke und sehe furchtbar aus.

 

Nachdem ich weiß wo meine Schuld liegt, nachdem ich mich selber gesehen habe, traue ich mich nicht mehr zu meinen Opfern. Ich schlafe auf Parkbänken, unter Brücken, irgendwo.

 

Ein Schmerz in meiner Seele, meinem Geist, meinem Denken und Fühlen -  so unendlich groß und auch so kalt - wie das Universum, quält mich in jeder Sekunde meines Daseins.

 

Ich halte wieder das Messer an meinen Hals. Nur ein kurzer Ruck, eine kleine Bewegung ….

Nein, ich bin zu feige. Zu feige zum Leben und zu feige zum sterben.

 

            Eine Gestalt, schwankend, erbärmlich anzusehen, nimmt einen Weg in den Nebel hinein. Sein Leben, das Leben seines Kindes und seiner Frau   -- ?????

 

 

Johnny Walker; Jim Beam; Four Roses; Red Label, Black Label, Blue Label, Remy Martin; Wodka Eristoff; Flagman Notschoj Desant

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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