Astrid v.Knebel Doeberitz

Ein ganz normaler Einkauf im "Lebensmittelparadies"?

  
Freitagmorgen, ein Tag Ende Februar. Trüb und nasskalt. Nach einem arbeitsreichen Donnerstag habe ich frei, aber der Kühlschrank ist leer! Ich muss einkaufen, obwohl mein Mann auch heute der Meinung ist: Irgendetwas zu essen ist immer da…

Nach dem gemeinsamen Frühstück beschließe ich, gegen elf Uhr alleine zum Großeinkauf zu fahren. Es ist besser so, sonst landen zu viele Dinge im Wagen, von denen ich denke, jemand habe sie versehentlich hineingetan.

Anders gesagt: Es wird um einiges teurer.
 
Auf der kurzen Fahrt zum Supermarkt denke ich: Lästig, dieser Lebensmitteleinkauf!

Aber ohne Essen geht es eben nicht. Und eigentlich gibt es keinen Grund, schlechter Laune zu sein. Wir haben es doch einfach: Korb und Taschen ins Auto und los geht es. Möglichkeiten zum Einkauf gibt es auch genug. Wir leiden weder Hunger noch Durst, auch wenn wir etwas sparen müssen.

 
Auf dem Parkplatz Auto an Auto. Einer parkt aus, ein anderer ein.

Warum kaufen alle gerade jetzt ein, wenn ich ein Mal in der Woche…?!

 
Das Auto bekommt einen Platz weit hinten nahe der Ausfahrt.
Mit Euromünze und Tüte mit einigen Kunststoffflaschen zur Rückgabe in der Hand ergattere ich einen Einkaufswagen und los geht’s.
 
Am Rückgabe-Automaten stehen drei Leute mit drei Wagen voll Flaschen an, also erst mal einkaufen in der Hoffnung, dass dort irgendwann weniger los ist!
 
Orangensaft, Obst… und weiter …
 
„Opa, das klebt! Willst du mal fühlen?“ Ein kleines Mädchen hält einem älteren Herrn seine Hände entgegen, aber weder er noch seine Frau möchten das testen.
 
Weiter geht’s zu Fertigbrötchen, Toast und Kuchen.
 

Ein Blick zurück Richtung Flaschenautomat – immer noch Andrang dort.

Erst mal H-Milch, Sahne, Schmand, Müsli… - und das Katzenfutter nicht vergessen!

Mein Blick fällt auf den überladenen Einkaufswagen daneben, der glücklicherweise nicht meiner ist. Zwei Frauen packen noch mehr hinein – nein: obendrauf.
 
In der zweiten Reihe die Schokolade mit 70 % Kakao nicht vergessen, ist gut fürs Herz!
 
Und jetzt ist gerade nur einer bei der Flaschenrückgabe – meine Chance.
 
Mit dem Bon statt der Flaschen in der Hand geht’s zurück Richtung Joghurt, Butter, Käse, Wurst…
 
Ein missmutig dreinblickendes Paar trottet mir entgegen. „Was brauchst du denn jetzt noch?!“ faucht er sie an.
 

Ich will rechts abbiegen, aber etliche Menschen mit Wagen sind gerade dort an den Kühlregalen versammelt. Keine Chance gegen den Strom zu schieben!

Also erst mal in Fahrtrichtung weiter zu Spülmaschinentaps und Küchenrollen.

Wenige Minuten später hat sich der Stau aufgelöst und der ganze Gang ist frei.
 
Joghurt, Butter und Käse in den Wagen, keine Lust auf verpackte Wurst - wer weiß woher sie wieder kommt - vorbei an den Tiefkühltruhen Richtung Kasse, wo in zwei Reihen notgedrungen Geduld geübt wird.
 

Das Fließband ist lang, aber ungefähr die Hälfte davon werde ich brauchen.

Der Mann hinter mir guckt schon ungeduldig. Erst einmal lege ich die große Packung Toilettenpapier längs aufs Band und den roten Trennklotz ein Stück dahinter.

„Ab hier können Sie schon…“
 
Das lässt er sich nicht zweimal sagen.
 
Ich platziere meine zweite Hälfte Lebensmittel auf dem Band, nehme das Klopapier wieder runter, kriege den ganzen Kleinkram prima hin, so dass sogar noch einige Zentimeter frei bleiben.
 

„Sie haben noch Platz“, äußert er hinter mir überflüssigerweise.

„So genau konnte ich das nicht abschätzen!"
Ich schiebe den „Grenzklotz“ näher an mein zukünftiges Eigentum.
 

Geschafft! Jetzt nur noch der Kampf mit der Schnelligkeit der Kassiererin und ihr besser zuerst den Bon für die Flaschen geben, ehe der Zettel wieder zuhause landet.

Dann geht’s los und wie jedes Mal unterliege ich.
 

Piep, piep-piep, piep…-  Mit rasender Geschwindigkeit zieht sie die Lebensmittel rüber und ich versuche, alles möglichst geordnet wieder in den Einkaufswagen zu packen.

Es wird eng – und die Bananen sollten nicht gedrückt werden. Fast zum Schluss das Waschpulver, na klasse!

 

„Achtundsechzig fünfundachtzig.“ Ein abwartender Blick der Kassiererin, während ich mich bemühe, die letzten Lebensmittel im Wagen zu verstauen, bevor ich ihr einen 50er und 20er reiche. „Bitteschön.“
“Ein Euro fünfzehn zurück und schönes Wochenende.“  
Monotoner Wortlaut. Zum wievielten Mal sie heute wohl schon
„Schönes Wochenende“ gewünscht hat?!

„Ihnen auch – und tschüs.“

 
Finanziell erleichtert, aber mit gefülltem Einkaufswagen strebe ich zum Ausgang, nicht ohne den Prospekt der kommenden „Sonderangebote“ mitzunehmen.
Die Automatiktür öffnet sich. Mir kommt ein Paar mittleren Alters entgegen.

„Willst du mit rein?“ Sie schaut ihren Mann fragend an.

„Ach, lass man. Mach du das mal“, winkt er ab und reicht ihr einen Chip für den Wagen.

Kluge Entscheidung, denke ich, als sie hineinstrebt und er draußen stehen bleibt und die Leute beobachtet.
 
Dort, wo vor einer guten halben Stunde alles voll stand, schiebe ich den Wagen vorbei an den leeren Parkmöglichkeiten bis zum Auto.
 

Während ich alles im Kofferraum verstaue, den Einkaufswagen zurückbringe und nach Hause fahre, kommen mir Gedanken an frühere Zeiten.

 
Wie war das damals noch? Alles so ganz anders. Fast vierzig Jahre ist es her:
 
Meine Mutter nahm mich an die Hand und ging mit mir zu Fuß zum kleinen Laden am Ende der Straße. Sie hatte ihren Einkaufszettel mit und die nette, ältere „Tante Emma“ ließ sich Teil für Teil aufzählen und holte die entsprechenden Lebensmittel aus den Regalen. In den unteren Fächern durfte ich ihr dabei helfen.
 
Während sich der Einkaufskorb füllte, unterhielten sich die beiden Frauen.
 
Butter wurde abgewogen, auch Käse, Milch und Wurst waren frisch vom Bauern.
Ich bekam immer ein Stück Fleischwurst geschenkt. Die mochte ich so gern.
Die Beträge wurden untereinander auf einem langen, schmalen Zettel geschrieben und am Schluss sicher und korrekt addiert - ohne Taschenrechner.
Meine Mutter zahlte oder sie ließ bis zum nächsten Einkauf anschreiben. Man kannte sich eben und es ging vertrauensvoll und gemütlich zu.
 

Die Türglocke kündigte eine weitere Kundin aus der Nachbarschaft an.

Die Erwachsenen begrüßten sich und es wurden einige Worte miteinander gewechselt…-

 

 
Heutzutage schaut man in den Supermärkten meist in gestresste oder suchende Gesichter, eilige Hände greifen nach Verpackungen, die oft verlockender sind als ihr Inhalt. Die Einkaufswagen werden immer größer und vollbeladener.
 
Mehr – größer -  bunter –  besser?
Ob Überangebot und Konkurrenz wirklich zu besserer Qualität führen?

Geht es nicht viel eher darum: Welche Verpackung reizt mehr zum Kauf?!  

Wie oft sind es Mogelpackungen, mit viel drumherum und wenig gesunden Inhalt!

 

Sind wir nur noch anonyme Konsumenten und die Angestellten wie Maschinen?
Leben wir nicht auch vom Wahrgenommenwerden und vom gegenseitigen Austausch?
 
Manchmal würde ich die Zeit gerne zurückdrehen zum Leben auf dem Dorf und Einkauf im  Tante-Emma-Laden um die Ecke! Es gab dort alles, was man brauchte und sogar Leckereien wie Gummibärchen und Bonbons einzeln nach Stück oder Gewicht.

Viel zu tun gab es auch damals und doch – scheint es mir – hatten die Menschen weniger Stress, beachteten einander und konnten im kleinen Rahmen persönlicher miteinander umgehen.

 

„Na, alles gekriegt?“ empfängt mich Bernd zuhause und hilft beim Auspacken. „Warum denn so viel?“

„Weil ich wenigstens eine Woche keinen Supermarkt mehr sehen möchte! Und weißt du, ich werde nächstes Mal erst eine halbe Stunde später fahren. Es war so viel los, aber als ich rauskam, war der Parkplatz fast leer!“
 

Er schaut mich von der Seite an. „Hoffentlich denken die anderen da nicht genauso wie du!“

 

                                                      E  N  D  E

 
Anmerkung der Autorin:

Ich erzählte meinem Mann  von dem etwas sehnsüchtigen  Rückblick in „Tante Emmas Zeiten“ und gemeinsam fassten wir einen Entschluss:  Zwar lässt sich die Zeit nicht zurückdrehen, aber wir wollen die Menschen um uns herum bewusster wahrnehmen. Auch wir selbst freuen uns doch über ein Lächeln, einen Gruß oder ein nettes Wort. Warum also nicht den ersten Schritt wagen und der wachsenden Anonymität damit entgegentreten!? –

PS: Und sollte sich dadurch nur bei einem Menschen der graue Alltag ein wenig erhellen, ist es das allemal wert, oder, liebe Leser?!

                                                                                                                                    Astrid v. Knebel Doeberitz, 06.03.07

 

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