Hartmut Pollack

Ein Professor blickt auf

 
 
Ein Professor blickt auf
 
Laura hatte aus den Augenwinkeln eine aufflammende Neugier in den Blicken ihres Kunstprofessors gesehen. Sie lächelte leise in sich hinein und streckte ungewollt ihren Körper ein wenig fester in den Sessel.
„Ich möchte das Model bitten, seine Sitzpose nicht zu verändern,“ hörte sie sofort die Stimme ihres Professors. Romanos Stimme klang etwas belegt dabei.
„Ich achte darauf, Professor Denier,“ antwortete Laura mit einer äußerst sanften, fast schnurrenden Stimme. Im Grunde war sie verwundert. Er hatte sie vorher nie korrigierend angesprochen. Meist reichte es für Professor Denier, die gewünschte Aktpose zu beschreiben. Sie hatte dann nie Probleme gehabt, diese Beschreibung nach seinen Vorstellungen zu erfüllen.
Laura beschloss, das kurze fachbezogene Gespräch fortzusetzen.
„Ist es jetzt wieder richtig, Herr Professor?“ fragte sie. Sie hatte ihre alte Positio wieder korrekt eingenommen.
„Danke,“ kam es zurück.
Laura schwieg. Sie wartete auf das Ende der Zeichenstunde, verharrte in ihren Gedanken und fühlte langsam ein gewisses Ermatten. Die Erregung der vergangenen Stunden ließ nach. Ihre Sinne öffneten sich der Realität.
Richtig bewusst war sich ihres fraulichen Charmes während der letzte Stunde nicht geworden. Gefühlt hatte sie ihre Wirkung auf die Studenten und den Professor, durchdacht hatte sie dies nicht.
Am Ende der Zeichenstunde erhob sich Laura geschmeidig aus dem Sessel und zog sehr schnell ihre Kleider an. Sie hatte begonnen, ein wenig zu frieren.
In ihrem Nacken spürte sie die Augen des Professors. Ihre Ohren nahmen den abklingenden Lärm der Zeichenstudenten auf, welche sich entfernten.
In Laura war das Erlebnis mit Georges noch nicht ganz abgeklungen. Sie hatten beide sich wirklich geliebt. Das ließ sich nicht einfach mit dem Handtuch des Vergessens abtrocknen.
Es war in ihr, war bewusst mit Liebe geschehen, nicht nur ein Regen der Lust gewesen. Und doch ………..
Was beunruhigte sie plötzlich ?
Was hatten die wenigen Sätze des Professors in ihr geweckt ?
Sie hatte Romano Denier vorher nie als Mann gesehen. Er war lediglich der Dirigent im Hintergrund.
Fragen auf Fragen griffen in Lauras Herz.
War es ihre Eitelkeit, welche sie so verunsicherte ? War es wirklich der Mann dort hinter dem Pult ?
Sie wusste es nicht zu beantworten. Sie war durcheinander. Ihre Gefühle trieben im Wind der Emotionen. Sie fühlte etwas, konnte es mit dem Verstand aber nicht greifen. Ein mittlere Chaos tobte sich in ihrem Inneren aus, verwirbelte ihre Gefühlswelt.
Noch viel zu frisch war das intensive Liebeserlebnis mit Georges in ihr gespeichert. Sie konnte sich noch deutlich an das Schweben im höchsten Himmel der Lust erinnern, fühlte das Kribbeln noch im Bauch.
Doch hier hatte sich innerhalb einer Stunde etwas Neues aufgebaut. Eine neugierige Erwartung war in ihr. Es war keine neue Liebe, es war mehr ein Warten auf eine Überraschung.
Diese kam mit der Frage Romanos: „Hätten Sie noch etwas Zeit für mich ? Ich möchte Sie noch einmal um eine Privatpose bitten. Sie waren heute wunderbar schön.“
Laura errötete. Ein Prickeln lief über ihren Körper. Sie reagierte aus dem Bauch heraus.
„Wenn Sie mich danach zum Essen einladen, mach ich das gerne, Herr Professor.“
Seine Stimme verfiel in ein leichtes Lachen.
„Diese Strafe nehme ich mit Vergnügen an.“
Es war alles gesagt. Laura nahm ihre Pose wieder ein. Romano korrigierte sie und setzte sie in eine erotische Stellung.
Er griff zu seinen Zeichenstiften und in kurzer Zeit hatte er eine Zeichnung geschaffen, welche eine Frau in einer Rolle zwischen einem Engel und einem verführerischen Teufel darstellte.
Romano Denier trat drei Schritte zurück und blickte sinnierend auf die Zeichnung. Er nickte mit seinem Kopf.
„So haben sie heute hier im Zeichensaal gewirkt, Fräulein …,“ eine peinliche Pause entstand.
„Laura,“ sagte sie und erhob sich wieder.
„Ach, natürlich,“ Romano überspielte seine Verlegenheit.
„Kann ich Sie jetzt zum Essen einladen ?“
„Ich freue mich schon. Soll ich mich noch etwas zurecht machen ?“
„Nein, bleiben Sie, wie Sie sind. Das ist so natürlich.“
Romano reichte ihr galant seinen Arm und führte sie zu seinem Auto. Laura fühlte sich in diesem Moment wie ein kleines Mädchen. Sie leuchtete von innen heraus.
Bald hatten sie den Wagen erreicht und fuhren in ein sehr gutes Restaurant.
 
© pk 03 / 07
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.03.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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