Regina Sedelke

Rückkehr nach Hause

Lieber Vater:

 

Ich schreibe dir aus der Abflughalle eines stillen Flughafens. Schon seit Stunden bin ich hier. Ich hoffe, dass der Flug endlich losgeht. Der Urlaub den du mir geschenkt hast, ist zu Ende. Ich musste die Unterkunft verlassen und wurde zum Flughafen gebracht. Dort, am Check in, musste ich dem uniformierten, grauen Angestellten meine Ausweispapiere zeigen. Nachdem sie mit Genauigkeit  geprüft wurden, ließ man mich durch. Danach musste ich alles, was ich bei mir hatte, vorzeigen und mich einer körperlichen Untersuchung unterziehen. Man untersuchte mich mit einem Detektor um alles sehen zu können, was ich am Körper trug. Ich muss dir sagen dass, obwohl man mir nichts Böses tat und ich weiß dass das zum Zollverfahren dazugehört, ich mich sehr unwohl dabei fühlte.

Nun ja, zum Schluss kam ich in der Abflughalle an, wo ich sehr damit beschäftigt war, mich zurechtzufinden. Du kennst ja diese Orte. Voller Sauberkeit, Hektik und dem Lärm der von der Größe des Gebäudes, der Gleichgültigkeit und der Eile aller dieser Unbekannten mit ihren eigenen Angelegenheiten, gedämpft ist.

Aber nach einer Stunde riefen sie die Nummer meines Fluges auf und baten die Passagiere zum Einstieg zu kommen. Mit Geduld und guten Mutes stellte ich mich in der Schlange an und endlich konnte ich ins Flugzeug einsteigen. Ich suchte mir meinen Platz und ließ mich voller Erleichterung nach Hause zurückkehren zu können, in ihn fallen. Es ist nicht, dass die Ferien nicht schön gewesen wären, aber zu Hause ist zu Hause und nichts in der kann es ersetzen.

Durch das Fenster beobachtete ich die Umgebung. Ich verabschiedete mich liebevoll und ruhig von diesem Abschnitt meines Lebens. Ich verlor mich in meinen Gedanken, sah auf all diese wunderbaren Wochen zurück, die ich hier hatte, ich bemerkte nicht, was währenddessen um mich herum geschah. Ich wurde von meinem Nachbarn am Arm angestoßen, er sagte mir wir müssen wieder aussteigen, weil die Fluglotsen einen Streik ausgerufen hätten.

Ich kehrte wieder in die Abflughalle zurück. Ich sitze schon lange hier. Ich fühle mich einsam und verlassen. Ich bin weiterhin hier auf dieser schönen Insel, auf der ich etwas Zeit verbrachte und die mir sehr gefiel aber ich kann mich schon nicht mehr Anteil an dem Leben hier nehmen. Die wunderschönen Strände, an denen ich meine Spuren hinterließ, die Blumenübersäten Täler durch die ich wanderte, der Vulkan den ich bestieg. Aus Unachtsamkeit hatte ich auch einen unerfreulichen Unfall, aber gut… aus seinen Fehlern lernt man.

Lieber Vater, ich muss dir anvertrauen, dass der Vulkan das schönste in diesen Ferien war. Noch erinnere ich mich an den Wind, der meine Haut streichelte. Eigentlich hatte ich nicht viel Lust dort hochzuklettern, aber er hörte nicht auf mich zu rufen, immer und immer wieder bis ich kam. Einmal losgegangen konnte ich nicht mehr anhalten, bis ich den Gipfel erreichte. Dort erlebte ich etwas was man unmöglich beschreiben kann. Ich fühlte mich wie in einem perfekten Paradies und wollte niemals wieder herunter. Der Vulkan war das allerliebste, was sich mir von dieser Insel in mein Gehirn eingegraben hat.

Während ich dazu gezwungen bin darauf zu warten, zu dir zurückkehren zu können, vertreibe ich mir die Zeit damit, die Leute zu beobachten. Es kommen alle möglichen Leute hier vorbei. Einige scheinen zum Flughafen zu gehören, vielleicht Verantwortliche des Streiks. Vielleicht ist einer von ihnen verantwortlich für die Verzögerung mit der ich nach Hause zurückkehren kann. Ich habe das Gefühl, dass sie mich manchmal mit Mitleid anschauen, als ob sie sagen wollten: „ Du Ärmste, noch immer musst du hier aushalten.“ Ich frage mich, wann sie wohl bereit sein werden, mich von hier gehen zu lassen. Schließlich und endlich.. früher oder später müssen sie ihren Widerstand aufgeben…

Lieber Vater, nach Hause zurückzukehren ist die einzige Möglichkeit, die mir im Moment bleibt und es freut mich wirklich sehr wieder all das Vertraute sehen zu können. Ausruhen zu können von diesen so aufregenden Ferien, aber ich weiß schon jetzt, dass ich nächstes Jahr wieder den Wunsch haben werde in die Welt hinauszugehen. Vielleicht kommt einmal der Tag an dem ich zu Hause bleiben möchte, aber im Moment gibt es noch so viel zu entdecken…

 

 

Ich hoffe, dich schnell wiederzusehen,

 

Deine Tochter

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.03.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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