Kerstin Langenbach
Weg ins Licht
Ich treibe hinaus aus der Umgebung meiner Trauer und bei jedem Schritt wird mir klarer, dass es kein Entrinnen mehr gibt.
Meine Füße versinken im tiefen Wasser, welches mich umspült. Ich habe Angst, aber der Reiz des Unbekannten, des Neuen, ist stärker als alles Andere.
Immer wieder ein Fuß vor den anderen, immer tiefer und eindeutiger, mein Weg den ich gehen muss. Um mich herum ist es dunkel, kaum ein Licht. Nur diese feuchte, drückende Luft, die erstickend und doch zugleich wohltuend in mich eindringt. Und dieses Wasser. Ist es wirklich Wasser? Es scheint so schwarz und undurchsichtig. Es scheint so rot, so rot wie Blut.
Ich habe den Drang mich fallen zu lassen, fallen in dieses geheimnisvolle Nass.
Plötzlich da, ganz weit hinten, eine riesige Wand. Ich kneif meine Augen zusammen, um es besser erkennen zu können, in dieser Dunkelheit.
Es ist eine Welle, unvorstellbar groß und mit rasender Geschwindigkeit und lautem dröhnen kommt sie auf mich zu, um mich zu überspülen und mitzureißen, zu dem Ort, den ich erreichen will, erreichen muss.
Ich spüre den starken Luftzug und fast im gleichen Augenblick auch schon die reißende Kraft der Welle.
Mit einer unsagbaren Geschwindigkeit fliege ich davon und es ist herrlich, denn trotz des mich umgebenden Nass kann ich frei atmen.
Ich schreie, schreie alles heraus und möchte niemals aufhören.
Doch dann bricht sich die Welle am Ufer eines scheinbar unendlich großen Strandes. Unsanft falle ich in den Sand. Dort liege ich nun und mag mich nicht rühren. Konfuse Gedanken verbieten es mir.
Schließlich habe ich mich gefangen. Langsam und noch ganz benommen richte ich mich auf und seh mich um. Ich kann nur Umrisse erkennen. Umrisse von Bergen und riesigen Bäumen. Nein da ist noch mehr. Ein Höhleneingang. Und wieder verspüre ich diese Angst in mir. Aber ich reiße mich zusammen. Denn mir ist klar, dass es kein Zurück mehr gibt. Ich muss durch diese Höhle, um wieder Licht in mir aufnehmen zu können.
Langsam und mit unsicheren Schritten nehme ich den Weg weiter auf und betrete die Höhle. Klare, kalte Luft kommt mir entgegen. Es tut so gut. Ich sehe mich um. All die Abzweigungen. Welche ich wähle liegt an mir. Ich muss nicht lange überlegen, sondern lasse mich leiten von meinem Gefühl.
Diese Dunkelheit, die mich umgibt. Diese Stille. Es ist so schön und ich genieße jeden Augenblick.
Lange gehe ich mal links, mal rechts immer tiefer in die Höhle hinein und um so länger ich gehe, desto wärmer und heller wird es um mich herum.
Mir ist klar, dass ich das finden werde, finden muss, wonach ich suche.
Vor mir liegt ein langer Gang. Ich gehe zielstrebig weiter. Und da! Ist da nicht ein Licht? Noch ganz klein und in weiter Ferne? Meine Schritte werden schneller und mein Verlangen, dieses Licht zu erreichen, gibt mir unvorstellbare Kraft. Meine Hände greifen nach den ersten Strahlen. Tränen fallen auf den Höhlenboden und werden zu Eis, in denen sich das Licht bricht und bunte Strahlen bildet. Gleich habe ich es geschafft. Nur noch vier Schritte. Drei, zwei, eins... . Ein lauter Schrei der Erlösung dringt aus meiner Kehle und vereint sich mit dem Leuchten zu einer großen Kugel, in dessen Mitte ich mich wiederfinde. Nun ist mir klar, dass dies mein Ziel ist. Mein Wunsch nach Ruhe und Frieden. Ich lege mich zurück und schließe meine Augen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.03.2007.
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