Daniel Drei

Die Fee Mia


Die Sterne funkelten wunderschön,
wie an jedem nicht enden wollenden Abend. Lediglich die große
blaue Kugel am Firmament erhellte die dunkle Tageszeit ein wenig.
Die Bewohner des kleinen Städtchens
am Rande des Mare Imbrium gingen ihren täglichen Verrichtungen
nach. Einige hatten noch zu arbeiten, während andere bereits die
kühle Nachtluft in den Straßen genossen, welche von
künstlichem Licht erhellt wurden.
Unter ihnen befand sich Mia, ein
Mädchen mit violettem Haar und grünen Flügeln. Nicht
mehr lange und sie würde die Schule verlassen, Arbeit
suchen,oder die Universität in der Polregion unsicher machen.
Doch im Moment galt es noch einige
Prüfungen zu meistern, woran sie im Moment natürlich nicht
dachte. Bald würde der Tag hereinbrechen und die Gassen des
Städtchens würden sich leeren. Nur jene, die bereits alt
genug waren, durften das Tagleben in vollen Zügen genießen,
während Mia und die meisten ihrer Altersgenossen für eine
lange Zeit im Land der Träume verbrachten.
Verträumt starrte sie zum Fenster
hinaus und ihr eröffnete sich dabei der Anblick geschäftigen
Treibens. Das Feenstaubwerk sperrte seine Tore zu; womöglich ein
letztes Mal, denn lange würde die Gewerkschaft durchgehende
Arbeit nicht mehr verhindern können.
Doch auch darüber zerbrach sich
Mia nicht ihren Kopf. Sie war erfüllt von einem Gefühl des
Aufbruches, so wie es eben ein Teenager fühlt dessen Leben an
einem Wendepunkt angelangt ist. Die Unsicherheit über ihre
Bestimmung gemischt mit zweckoptimistischer Hoffnung ergaben
hunderttausend verschiedene Gefühle in ihrem jungen Herzen.


"Kling-Kling, Kling-Kling....!"
Mia wurde durch ihren Zauberstab aus der Nachtträumerei
gerissen. Offensichtlich hatte sie ihn doch nicht auf lautlos
geschaltet. Die Teenagerin machte in von ihrem Gürtel los, auf
den sie ihn geschnallt hatte und las die blinkende Nummer ab, die den
Anrufer zeite.
"Ahh.. Körbi...", dachte
sich Mia und mit Hilfe zweier gekonnter Zick-Zack-Bewegungen zauberte
sie ein Bild vor sich hin. Zu erkennen war ein blauhäutiger
junger Mann der ein breites Grinsen aufgesetzt hatte.
"Hallo Kleine. Na, wie geht's dir?
Schon fleißig am Strebern?", fragte Körbi.
"Ja, na klar. Was glaubst du denn,
Spasti", entgegnete Mia mit einem sarkastischen Unterton.
"Wollte nur fragen. Fahr' mich
nicht gleich so an. Sonst wirst du nochmal wie deine Mutter."
Das Mädchen wollte gerade noch
einen Schluck von ihrem Kaffee nehmen, als Körbi fertig war,
aber anstatt in ihrem Magen landete das heiße Getränk auf
dem Tisch vor ihr.
"Volltrottel! Da siehst du, was du
angerichtet hast?!."
Körbi konnte sich das Lachen nicht
mehr verkneifen und fing sich dam nur noch mehr Ärger seines
Gegenübers ein.
"Was willst du eigentlich,
Störenfried?", fuhr ihn Mia nun direkt an.
"Tja, da du ja so abweisend mir
gegenüber bist....."
"Was? Red' schon.."
"Na gut. Na gut. Meine Eltern
meinen ihre kleine Nichte habe das Recht darauf einen Tag miterleben
zu dürfen."
Mias Augen begannen zu funkeln. All der
Zorn, ob Körbis Verhalten waren verflogen.
"Wirklich?" entgegnete sie
ihrem Cousin mit süßer Stimme. "Das haben sie
tatsächlich gesagt? Ja, und meine Eltern...?"
"... sind damit einverstanden.
Nach langem, langem Einreden...."
Die Teenagerin war so aufgeregt, sie
hatte gar nicht gemerkt, dass sie wie wild mit ihren Flügeln
schlug. Ein Kellner wollte sie darauf aufmerksam machen, tippte sie
an der Schulter an, aber als er in ihr fröhliches Gesicht
blickte, erwiderte er es nur mit einem Lächeln und ließ
Mia vergnügt weiter leicht auf ihrem Sessel auf und ab fliegen.


Noch nie hatte sie einen Tag miterlebt.
Wie würde es wohl sein? So wie in den Geschichten? Ob die Sonne
wirklich die Haut erwärmt? Abermilliarden Fragen schossen durch
ihren Kopf. Ein ganz besonderer Moment stand bevor.


Nur noch wenige Stunden bis zum
Einbruch der Helligkeit. Mia bezahlte gleich mit ihrem Zauberstab und
hetzte schlagartig aus dem Cafe.
Sie hatte dabei völlig vergessen
die Details mit Körbi zu klären. Er meldete sich bei Mia um
sie darauf aufmerksam zu machen.
"Mädchen, du weißt doch
noch gar nicht wann und wo."
"Ja, du sagst es mir ja eh
gleicht", entgegnete sie ihm.
"Wenn du dich beeilst, dann hol'
ich dich in einer Stunde ab."
"Geht klar", antwortete die
Teenagerin vollkommen außer Atem. Sie hatte gerade noch die
Straßenbahn - von den Bewohnern der Stadt Sternenzug genannt -
nach Hause erreicht und wollte das Ticket nun ebenfalls mit ihrem
Zauberstab bezahlen. Plötzlich ertönte ein Piepsignal, das
Mia nur allzu gut kannte. Ihr Konto war leer. Keine Sternentaler mehr
drauf und Überziehen war nicht drin. Sie kramte ihre Geldbörse
hervor und glücklicherweise fand sich darin das nötige
Kleingeld.


Zu Hause angekommen erwarteten sie
bereits ihre Eltern; ihr Vater mit einem Schmunzeln im Gesicht,
während ihre Mutter ein wenig skeptisch dreinblickte. Von beiden
bekam sie eine Umarmung und etliche Ratschläge, die Mia aber
beim besten Willen nicht mehr hörte. Zu groß war die
Vorfreude.
Nach schier endlos langem Starren durch
das Fenster auf die Straße vor dem Wohnungshaus erschien ihr
Cousin nun doch mit seinem Auto. Lautlos schwebte es auf der
magnetischen Straße entlang und wirbelte hinter sich ein wenig
grauen Staub auf, von dem alles bedeckt war. Körbi stellte den
Wagen ab, stieg aus und lehnte sich lässig an sein Gefährt.
Mit verschränkten Armen wartete er auf seine Cousine, deren Herz
er in diesem Moment höher schlafen ließ.
Mia kam das Treppenhaus runter und
stürzte sich auf Körbi. Der konnte das Gleichgewicht nicht
mehr halten, was zur Folge hatte, dass beide umfielen, denn Mia
wollte die Umarmung nicht lösen.
Am Boden liegend starrte Körbi
seine Cousine mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"He, wir sind verwandt. Vergiss
das nicht."
Mia lächelte daraufhin und
versetzte ihm einen leichten Schlag auf die Schulter. Beiden standen
auf und stiegen in Körbis Wagen ein. Er fuhr eine Straße
entlang, weit weg von der Stadt.
"Wo fahren wir hin? Ich dachte, du
zeigst mir etwas vom Tagleben?"
"Nur Geduld. Dein erster Tag soll
so anfangen wie meiner. Eine kleine Tradition meiner Eltern, wenn man
so will."
"Was? Spritzen wir uns in
irgendeinem Krater Drogen, oder was", kicherte Mia, doch Körbi
blieb ruhig und blickte nur kurz zu seiner Cousine. Da merkte sie,
dass es ihm ziemlich ernst war.


Als die ersten Sonnenstrahlen den
Horizont gelblich einfärbten hielt Körbi den Wagen an.
Schnell war der ganze Himmel erhellt und Mia musste sich eine Hand
vor ihr Gesicht halten. Ihre Augen waren nicht für so grelles
Licht gemacht worden.
"Hier nimm", sagte Körbi
zu ihr und reichte ihr eine Sonnenbrille.
Die Teenagerin stieg aus dem Auto aus
und plötzlich verfiel sie in einen gewissen Rauschzustand.
Die Sonnenstrahlen kitzelten ihre Haut
und ließen ein wohlig-warmes Gefühl in ihr aufkommen und
es wurde umso stärker, je höher die Sonne aufging. So
lebendig hatte sie sich noch nie zuvor gefühlt.
Sie begann zu tanzen, abwechselnd mit
Körbi, dann wieder allein, schlug Räder und jagte ihrem
sonst nicht so dunklem Schatten hinterher.
Nach einiger Zeit mussten die beiden
jedoch eine Pause einlegen, denn ihre Körper verlangten nach
einer Regenerationsphase. Mia betrachtete ihren Schatte, dann Körbi
und schließlich richtete sie ihren Blick gen Himmel. Sie
erschrak.


Da landete eine Kapsel.


"Keine Bange, die waren schon mal
hier", beruhigte sie Körbi.
"Sie sehen uns in ihrer
unendlichen Blindheit nicht; sie sehen nur was sie sehen wollen."
"Wer sind sie?"
"Das weiß cih selbst nicht
so genau. Ich weiß nur, sie kommen von der blauen Kugel auf der
wir ja einst selbst lebten.."
"Davon habe ich im Unterricht
schon mal gehört. Die Kreaturen des Tages."
"Ja genau. Sie haben das Geschenk
des Tages noch immer nicht erkannt. Vielmehr versuchen sie in der
Nacht zu leben, obwohl ihnen die Natur den Tag geschenkt hat."
"Wie schade. Sie verstehen es
nicht, diese Gabe hoch genug einzuschätzen."
Mia blickte mitleidig das gelandete
Raumschiff an und beobachtete zwei Riesen in klobigen Anzügen.
"In den Büchern steht, sie
seien größtenteils verbitterte Wesen. Vielleicht liegt das
an ihrem Streben zur Dunkelheit?"
"Wir werden es nicht klären
können, Cousinchen", antwortete Körbi.
"Komm, lass' uns in die Stadt
fahren."
"Ja", erwiderte Mia ein wenig
abwesend und richtete einen letzten Blick auf die ihr so
unbegreiflichen Wesen. 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Daniel Drei).
Der Beitrag wurde von Daniel Drei auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.03.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Daniel Drei als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Nebenwirkungen - glücklich auf Sylt von Lisa-Doreen Roth



Drei Freundinnen suchen ihr Glück und finden es, weil das Leben sie lehrt, sich selbst zu vertrauen.
Eine Geschichte über Beziehung und Karriere, voller Leidenschaft, Liebe, Hoffnung und Enttäuschung, Vertrauen und Verrat. Nicht nur für Syltfans ...

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Surrealismus" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Daniel Drei

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

String „Z” – ein Königreich für ein Multiuniversum ! von Egbert Schmitt (Surrealismus)
VERZWEIFLUNGSSCHREI EINES KINDES von Julia Thompson Sowa (Trauriges / Verzweiflung)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen