Vladimir
Man hörte jemand durchs Wasser waten. Bis jetzt konnte man jedoch nur Umrisse erkennen. Sergej stieß seinen Freund an, welcher bereits eingedöst war. Alexander musste sich erst orientieren. >>Was ist denn los?<<
>>Da kommt jemand! Meinst du, das ist die Miliz.<< ,flüsterte der Kleine.
>>Glaub ich nicht, die haben Lampen dabei.<<
Je näher die Gestalt kam, desto mehr konnte man erkennen. Dann endlich war die Person im Schein der Petroleumlampen. Es war ein kleiner Junge. Alexander schätzte ihn auf fünf Jahre. In der Hand hielt er ein durchsichtige Tüte und eine Tube Klebstoff, in der anderen ein Stoffbeutel.
Bevor die beiden ihn etwas fragen konnten, ergriff der kleine Junge das Wort. >>Ein größerer Junge hat mir erzählt, dass man hier wohnen kann. Darf ich hier bleiben?<< ,fragte er.
Sergej sah ihn verwundert an. >>Das ist nicht unsere Bude, aber ich denke nicht, dass Vladimir was dagegen hat.<<
>>Wer ist Vladimir?<< ,fragte der kleine Knirps.
>>Das ist der, dem die Bude gehört.<<
>>Habt ihr etwas zu essen?<<
>>Der Zopf ist leider schon alle<< ,entgegnete Sergej und unterstrich die Antwort mit einem Schulterzucken. Dann wandte er sich seinem Freund zu. >>Du, wollen wir dem kleinen Jungen nicht etwas Geld geben?<<
>>Klar, sonst wären wir herzlos!<< ,meinte Alexander.
Sergej klatschte mit seiner Hand auf den leeren Platz neben sich. >>Du kannst dich ruhig neben uns setzen!<<<<
Der kleine Junge nahm das Angebot gerne an. >>Ihr beide seid nett!<<
Sergej war neugierig. >>Wie ist dein Name?<<
>>Nikolas!<<
>>Ein schöner Name! Ich bin Sergej und das ist mein guter Freund Alexander!<<
Die beiden beobachten ihn. Er öffnete den Stoffbeutel und sah dann die beiden an. >>Da sind meine Spielsachen drin!<< Langsam und behutsam, so als hätte er Angst es könnte etwas kaputt gehen, holte er ein großes, gelbes Plastikauto hervor.
>>Darf ich mir es einmal ansehen?<< ,bat Sergej. Der Junge gab es ihm ganz vorsichtig. Es war sicher das wertvollste was er besaß. >>So eins hab ich auch gehabt, aber in rot.<< ,stellte er fest.
Wenige Sekunden später liefen an Nikolas Wangen die ersten Tränen herunter. Sergej legte das Auto weg und streichelte ihn. >>Was hast du denn?<<
>>Meine Mama ist weg, die kommt nie wieder!<< ,schluchzte er.
>>Wie weg?<< ,fragte Alexander.
>>Sie sagte, damit sie zu ihrem Freund zieht und mich nicht mitnehmen kann. Dann gab sie mir etwas Geld und ließ mich stehen.<<
Alexander glaubte zuerst, sich verhört zu haben, aber in Russland war ja alles möglich. Was für eine Mutter! Seine war allerdings nicht viel besser, leider. Wie herzlos die Menschen waren. In gewisser Weise hatte Vladimir recht. Wer war hier gemein und wer war hier böse?<<
In diesem Augenblick wurde es lauter. Stimmen waren zu vernehmen. Vladimirs Trupp kam zurück! Der Anführer war der erste, der den Raum betrat. >>Draußen schneit es wie die Sau!<< ,fluchte er und schüttelte den Schnee ab. Dann bemerkte er den kleinen Knirps. >>Gehört der zu euch?<<
Alexander schüttelte den Kopf. >>Nein, seine Mutter hat ihn verlassen. Nun wusste er wohl nicht wohin. Ich hoffe es ist in Ordnung, dass wir ihm erlaubt haben hier zu bleiben.<<
>>Du weißt ja, ich bin böse und gemein<< ,grinste er. >>Er kann natürlich bleiben.<< Sergej war immer noch damit beschäftigt, den Jungen zu beruhigen und er machte seine Sache richtig gut.
Vladimirs Leute waren immer noch ganz aufgebracht von der Aktion und redeten nun eifrig miteinander. Einer war damit beschäftigt, Geldscheine zu zählen, welcher er anschließend seinem Anführer gab. Eingekauft hatten sie ebenfalls. Nicht nur Klebstoff, Fisch, Wurst und Brot, sondern auch mehre Flaschen Wodka. >>Dürfen wir was trinken?<< ,fragte ein Typ mit extrem kurz geschnitten Haar.
>>Von mir aus, aber macht mir nachher keinen Scheiß!<< ,warnte der Anführer.
>>Machen wir nicht, du kennst uns ja.<<
>>Eben!<<
Während sich einige in seiner Gruppe besoffen, setzte er sich gegenüber von Alexander hin. Nachdenklich warf er einen Blick auf den kleinen Jungen, dann zu Alexander. >>Siehst du, die Welt ist ein einziger Scheißhaufen und wir sitzen direkt Mittendrin. Da wo andere ihre Notdurft verrichten müssen wir pennen. Das ist unser Leben.<< Eine kurze Pause entstand. >>Wollt ihr auch was trinken?<< Beide schüttelten den Kopf.
>>Trinkst du nichts?<< ,fragte Alexander.
>>Nein, einer muss ja einen klaren Kopf behalten.<<
>>Du bist nicht so wie deine Leute.<<
Wieder grinste Vladimir. >>Du irrst, ich bin schlimmer, ich bin ihr Anführer!<<
Sergej unterbrach die Unterhaltung. >>Der kleine Matz hat Hunger, kann er was haben?<<
Der Anführer zeigte auf eine der Einkaufstüten. >>Bedient euch, nehmt soviel ihr wollt, es ist genug da.<< Dann schaute er zu Sergej >>Und immerhin, du gabst mir auch von eurem Zopf.<<
Alexanders Freund grinste zufrieden.
Schnell liefen er und der kleine Matz zu der Einkaufstüte und stöberten darin herum. >>Oh, viele leckere Sachen, da hat man Auswahl!<< ,stellte er freudig fest.
>>Heute haben wir keine gute Beute gemacht.<< ,stellte Vladimir unzufrieden fest, als er nochmals das Geld zählte. >>Aber wir teilen immer alles, weißt du. Kennt ihr beiden euch schon lange?<<
>>Ein paar Tage.<<
>>Für ein paar Tage scheint ihr euch gut zu verstehen. Sergej ist ja sehr besorgt um dich.<< ,stellte der Anführer fest.
Alexander wurde nachdenklich. >>Wir haben außer uns keinen Menschen mehr. Sergej war zuvor im Heim, weil seine Oma gestorben war. Meine Eltern leben zwar, aber für mich sind sie längst tot, ich habe sie längst begraben. Verstehst du das?<<
>>Ich versteh dich sehr gut, besser als du vielleicht denkst.<< Er zeigte auf den kleinen Jungen. >>So alt war ich, als ich das Leben auf der Straße kennen lernte.<< Anschließend zeigte Vladimir zu seinen Leuten. >>Und das ist jetzt meine Familie. Wir haben auch nur uns, sonst niemanden. Jeden Tag kämpfen wir und mit jedem Tag verlieren wir ein bisschen mehr. Die meisten von uns werden eines Tages in einem Heim oder Gefängnis landen. Wenn wir uns gebessert haben, landen wir wieder auf der Straße, nur etwas älter. Die Straße wird irgendwann unser Grab sein, früher oder später. Wir haben keine Zukunft! Du siehst, ich mache mir nichts vor. Ich kenne das Leben!<<
>>Hast du denn keine Träume oder Wünsche?<<
Vladimir lächelte wieder. >>Hast du denn welche?<<
>>Oh ja, die habe ich!<<
Der Anführer zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Hosentasche und zündete sich eine Zigarette an. >>Willst du eine?<<
>>Nein, ich habe Grippe!<<
Genüsslich nahm er einen Zug. >>Erzähl mir von deinen Wünschen und Träumen, Alexander!<<
>>Ich bin bescheiden, mein größter Wunsch ist nie alleine zu sein. Was ich ja jetzt nicht mehr bin. Davor hab ich mich schon oft einsam gefühlt. Irgendwie hat Gott meinen Wunsch erhört und mir Sergej geschickt. Er ist ein kleiner, liebenswerter Kerl und man muss ihn einfach mögen, mit seiner einfachen Art. Mehr Wünsche habe ich nie gehabt.<< Anschließend erzählte er von seinen Träumen. Von der Stadt, wo alle Menschen nett zueinander waren, es keine Not und Armut gab und jeder ein Zuhause hatte.
>>Du meinst Shangri La!<<
>>Shangri La?<< Alexander verstand nicht.
>>Ja, so nennt man besagte Stadt. Es gibt ein Buch darüber. Damit ich es gelesen habe, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.<<
>>Du liest?<<
>>Ich lese sehr viel. Fast jeden Morgen gehe ich zur Bücherei. Überrascht dich das jetzt?<<
Alexander wusste jetzt nicht was er sagen sollte. Seine Frage war dumm, denn er ahnte schon vorher, dass dieser Vladimir alles andere als ungebildet war.
Sein Gegenüber fuhr fort. >>Wenn man auf der Straße lebt, muss man nicht dumm sein. Die Gesellschaft meint das vielleicht, aber dem ist nicht so. Viele hier können nicht einmal lesen und schreiben, denn wenn man auf der Straße lebt, bleibt keine Zeit für die Schule, aber das weißt du ja. Aber hätte sie gute Eltern gehabt, wären einige hier irgendwann einmal Arzt oder Lehrer geworden. Das werden sie nun leider nicht mehr.<<
>>Wo hast du lesen gelernt?<< ,wollte Alexander wissen.
>>Ein älterer Mann der ebenfalls auf der Straße war, hat es mir beigebracht. Er meinte es sei nie ein Fehler, wenn man lesen und schreiben könne. Heute weiß ich, wie recht er hatte.<<
Alexander fand es interessant, sich mit diesem Vladimir zu unterhalten, besser gesagt ihm zuzuhören. Dieser Mensch war klug und belesen. Was hätte Vladimir wohl alles werden können, Schriftsteller, Professor, Lehrer.
>>Ich nehme an, du verdienst dein Geld nicht in dem du Leute ausraubst.<<
>>Nein, ich habe nie jemand überfallen oder ausgeraubt.<<
>> Das war mir klar. Ich merkte es an deinem Gesichtsausdruck, als ich erzählte, wie wir unser Geld verdienen. Gehe ich recht in der Annahme, dass du deinen Körper anbietest?<<
Alexander erschrak. Wie kam er darauf? Jedenfalls war dieser Vladimir ein recht guter Menschenkenner! >>Sieht man mir das an?<<
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. >>Nein, es macht einfach die Erfahrung. Du siehst sehr gepflegt aus, für jemanden der auf der Straße lebt. Du wirst nicht gerade an Bahnhöfen und Hotels deine Dienste anbieten. Wie ich nun darauf komme, ist leicht zu erraten. Diese Leute haben genug Geld, sich ein Zimmer oder sogar eine Wohnung zu leisten. Du lebst jetzt gerade hier!<<
Wie scharfsinnig Vladimir kombinierte! Auf der einen Seite bewunderte er diesen Vladimir, auf der anderen Seite verachtete er ihn. Einfach Leute auszurauben und ihnen dabei weh tun war nicht in Ordnung. Sicher, diese Leute waren reich, hatten ihm persönlich aber nie etwas getan.
>>Morgen wird unsere letzte Nacht hier unten sein. Ich hab einen LKW Fahrer gefunden, der wird uns bis nach St. Petersburg mitnimmt. Die Miliz hier wird mir zu gefährlich. Immer öfter kommen sie.<<
>>Meinst du in Petersburg ist es besser?<<
>>Schlechter kann es nicht werden. Wir haben ja nichts zu verlieren und Willkommen sind wir ja nirgends, weder in Moskau, St. Petersburg oder sonst wo.<<
Wieder wollte er sich eine Zigarette anzünden, um dann festzustellen, dass die Packung leer war.
Gegen Mittag ging es Alexander schon besser. Sergej bat ihn trotzdem, zwei Tabletten zu nehmen. >>Sergej, du wirst sicher ein guter Arzt!<< ,antwortete dieser sarkastisch. Diesen Sarkasmus verstand sogar der Kleine, denn sie wurden mit einem ha, ha, quittiert. Dennoch nahm Alexander zwei Tabletten. Sicher war sicher! Vladimir kam in diesem Moment zu ihm herüber. >>Möchtest du mich begleiten, ich hole schnell Zigaretten?<<
>>Gerne!<<
Sergej spielte gerade mit Nikolas, trotzdem bemerkte er, dass sein Freund gehen wollte. >>Wo gehst du hin?<< schrie er nach vorne.
>>Nur schnell mit Vladimir Zigaretten holen!<< ,brüllte dieser zurück.
>>Mach dir aber den Mantel zu!<< ,mahnte ihn sein kleiner Freund.
>>Rührend, wie dein Freund um dich besorgt ist. Solch einen Freund wünsch ich mir.<<
Alexander zeigte auf seine Leute, während er mit der anderen Hand seinen Mantel zuknöpfte. >>Du hast doch hier unten genug Freunde.<<
>>Nicht wirklich! Ich bin nur ihr Anführer und sie respektieren mich. Wenn ich einmal nicht mehr da bin, wird alles auseinander brechen. Auf der Straße braucht man eine gewisse Ordnung, um zu überleben, verstehst du. Ich achte darauf, damit diese Ordnung eingehalten wird!<<
Alexander verstand nicht wirklich, trotzdem nickte er, um endlich hier rauszukommen. Seine Lungen wollten dringend frische Luft einatmen. Hier unten war es kaum auszuhalten. Wieder mussten sie sich bücken, um durch den Ablauf ins Freie zu gelangen. >>Das ist nicht so das wahre und ihr müsst das mehrmals täglich machen, also täglich nasse Füße.<<
>>Das sind wir schon gewohnt. Man kann sich an alles gewöhnen. Lieber nasse Füße als erfroren oder?<<
Vorsichtig stiegen sie hinauf. Vladimir war der erste. Ebenso vorsichtig streckte er seinen Kopf heraus und sah sich erstmal um. Die Luft war rein, niemand zu sehen!<<
Draußen war es bitter kalt. >>Ist das Geschäft weit weg?<< ,erkundigte sich Alexander.
>>Zehn Minuten von hier entfernt. Heute Abend gehen wir nochmals auf Beute.<<
Er konnte sich nicht vorstellen, warum sie so viel Geld brauchten. Eigentlich brauchte er Vladimir nur zu fragen, aber manchmal ist es gut nicht zu viele Fragen zu stellen.
>>Du bist plötzlich so schweigsam Alexander. Ich merke, du denkst über gewisse Dinge genau soviel nach wie ich es tue. Möchtest du uns heute Abend begleiten?<<
Begleiten? Zusehen wie sie einen Menschen überfielen, der ihnen nichts getan hat. Warum machte er ihm das Angebot? Vor allem stellte sich ihm die Frage, sollte er es annehmen?<<
>>Hast du Angst?<< ,fragte Vladimir mit einem kalten Unterton.
Ob er Angst hatte? Natürlich! Aber sollte er es zugeben? Sollte er gegenüber Vladimir zugeben, was für ein Feigling er war. Die Entscheidung war gefallen! >>Ich werde es mir einmal ansehen!<< ,antwortete er.
>>Gut! Ich habe allerdings eine andere Antwort erwartet, muss ich gestehen. Irren ist allerdings menschlich. Ich irre mich selten.!<<
Wie war das nun wieder gemeint? Sollte das heißen, er wäre ein Lügner?
Langsam wurde es Abend. Vladimir und Alexander waren längst wieder zurückgekehrt. Der Anführer saß in einer Ecke, abseits der anderen und las ein Groschenroman, den er sich in dem Geschäft ebenfalls gekauft hatte. Seine Leute unterhielten sich oder dösten vor sich hin. Einer schnüffelte Klebstoff. Die beiden jüngsten spielten mit Nikolas Murmeln. Eine Weile beobachtete Alexander die beiden. Nett, wie die beiden miteinander auskamen. Nikolas war dadurch wenigstens abgelenkt. Dann richtete er sich auf und ging zu Vladimir. >Darf ich dich einen Momente stören?<<
Vladimir schaute etwas verärgert hoch. >>Das hast du hiermit bereits getan!<<
>>Ich wollte dich nur fragen, ob Nikolas bei euch bleiben kann?<<
Der Anführer schaute zu Nikolas hinüber. >>Es ist ein Elend, ein einziges Elend. Keine Gerechtigkeit und keine Menschlichkeit!<<
In der Tat, es war ein Elend, eine menschliche Tragödie, für jeden einzelnen! Die Obdachlosen, egal ob groß oder klein, wurden jeden Tag mehr. In den Touristenzentren wollte man sie nicht sehen. Das war nicht gut fürs Geschäft. So treib man sie an den Rand der Stadt, wo keiner sie sehen konnte.
Die Miliz sah ihre Aufgabe darin, sie aus den schönen Stadtbezirken zu verjagen. Eine amerikanische Hilfsorganisation stellte Waschcontainer auf. Dann gab es diese privaten geführten Heime, welche sich aus Spenden finanzierten. Die wenigen staatlichen, die meist schlecht geführt wurden und unter chronischer Geldknappheit litten. Alles keine wirklichen Lösungen! Die Waschcontainer nicht, weil sich die meisten Obdachlosen eh nur selten waschen. Die Heime nur eine schlechte Alternative für eine wirkliche Familie. Aber so hatte der Staat und das Ausland wenigstens sein Gewissen beruhigt, im Glauben Gutes getan zu haben. Die meisten von denen, die im Irrglauben waren zu helfen, würden niemals ein Straßenkind aufnehmen. Welch heuchlerische Hilfsbereitschaft.
Für die Gesellschaft zählte nur Geld und Luxusgüter. Für Hilfe an seinem Nächsten blieb leider keine Zeit. Man schaute lieber weg oder bemitleidete diese armen Kreaturen. Wenn man ihnen begegnete, konnte schon mal Ekel aufkommen, wie dreckig sie doch waren. Wie man nur in der Kanalisation schlafen konnte, bei soviel Dreck und Gestank, es gab schließlich staatliche Schlafquartiere! Wie dumm diese Obdachlosen waren. Nein, halt, dumm waren nicht diese Obdachlosen, sondern die Gesellschaft, weil sie überhaupt nichts verstand, rein gar nichts!.
>>Wir gehen zwar nach St.Petersburg, Nikolas kann aber mit uns kommen. Wir werden auf ihn aufpassen!<<
>>Das ist lieb von dir, Danke!<<
Er hatte sich bereits abgewendet als der Anführer ihn erinnerte. >>Alexander, in einer halben Stunde brechen wir auf!<<
>>Los Leute, an die Arbeit!<< ,brüllte Vladimir. Brüllen musste er auch, denn einige waren schon im Land der Träume. Wodka macht müde!
Lustlos erhoben sich alle, bis auf einen. Der war selbst durch Vladimirs Brüllen nicht wach geworden. >>Stanislaw, weck ihn mal auf!<< ,forderte der Anführer.
Dieser lachte auf. >>Mit der Spezialmethode?<<
>>Klar, extra lang, wenn du kannst!<<
>>Ich kann!<< ,verkündete Stanislaw stolz. Ein Kichern hallte durch den Raum.
Alexander und Sergej verstanden nicht ganz, warum gekichert wurde. Das machte aber nichts, sie würden es in wenigen Sekunden verstehen.
Stanislaw öffnete seine Hose und pisste direkt auf den Kopf des Schlafenden. Dieser fuhr erschrocken hoch. Er brauchte erst einige Sekunden, um die Lage zu sondieren. Aus Gekicher wurde schallendes Gelächter. Alexander und Sergej konnten sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Der einzige, der nicht lachte war das Opfer, dieser fand dies verständlicherweise nicht lustig. Wütend schubste er Stanislaw von sich weg. >>Du spinnst wohl mich anzupissen!<<
Bevor das ganze in eine Schlägerei ausartete, griff Vladimir ein. >>Wir ziehen gleich ab, also lass es!<<
Schmollend holte das Opfer ein Taschentuch hervor und wischte sich den Kopf ab. Während die meisten schon durch den Kanal wateten, wandte sich der Anführer an Alexander. >>Kommst du?<<
>>Natürlich!<<
Sergej wunderte sich. >>Wo geht ihr hin?<<
>>Nur was ansehen.<<
>>Darf ich mit?<<
>>Nein, jemand muss ja auch Nikolas aufpassen.<<
Nikolas mischte sich ein. >>Auf mich braucht ihr nicht aufpassen!<<
Sergej fühlte sich bestätigt. >>Siehst du!<< ,meinte er und wollte sich erheben. Sein Freund drückte ihn wieder nach unten. >>Es ist besser wenn du hier bleibst, glaub mir!<<
>>Von mir aus, jetzt werde ich wohl dumm sterben. Du erzählst mir nachher aber, was ihr gemacht habt?<<
>>Sicher, versprochen!<<
Da stand er nun mit Vladimirs Leuten, in einem Hauseingang und alle warteten. Es war entsetzlich kalt und Alexander glaubte nicht, dass in dieser einsamen Seitenstraße heute Nacht überhaupt jemand vorbeikommen würde. Ihm konnte es nur recht sein. Die Straße war kaum beleuchtet. Zwar befanden sich drei Laternen hier, von der jedoch nur eine brannte. Entweder waren die Birnen kaputt oder die Stadt hatte einige abgeschaltet, um Strom zu sparen.
>>Dauert das heute lange!<< ,motzte einer von Vladimirs Leuten. Der Anführer machte sich jedoch nicht die Mühe einen Kommentar hierzu abzugeben.
Ein Fußgänger kam tatsächlich nicht, dafür eine Wagen. Zehn Meter vor ihnen setzte er rückwärts in eine Parklücke ein. Der ganze Trupp, außer Alexander verließ nun den schützenden Hauseingang und lief gemächlich in Richtung Wagen. Ein älterer Mann im Anzug stieg aus. In der rechten Hand einen Altenkoffer und einen Mantel. Vladimirs Leute waren jetzt nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Der Mann schenkte ihnen nur kurz seine Aufmerksamkeit. Wenn er wissen würde, was ihn gleich erwartet, wäre er sicherlich gerannt. Er verschloss seinen Mercedes und lief zum Hauseingang. Hier wohnte der Fremde offensichtlich. Zirka einen halben Meter bevor er ihn erreicht hatte, stürzte sich die Horde von hinten auf ihn und riss ihn zu Boden. In Panik schrie der Mann um Hilfe und versuchte sich zu wehren. Gegen so viele hatte er nicht die geringste Chance. Die Bande musste sich beeilen, denn die ersten Fenster wurden bereits aufgerissen. Es war nicht zu erwarten, damit ihm jemand zu Hilfe eilen würde. Mit Sicherheit kam aber einer der Anwohner auf die Idee, die Miliz zu verständigen. Sie würden ihm innerhalb weniger Sekunden alles abnehmen, was sie für wertvoll erachteten. Ihren geübten Augen entging nichts. Endlich ließen sie von ihm ab und rannten wieder in seine Richtung, ohne sich weiter um den am Boden liegenden zu kümmern. Die Bande schien schon gefunden zu haben, wonach sie suchte. In der Regel bestand die Beute aus einer Brieftasche und in seltenen Fällen einer Armbanduhr oder einem wertvoller Ring. Als sie an ihm vorbei rannten, schrie ihm Vladimir zu. >>Lauf los oder willst du warten bis die Miliz kommt!<< Das wollte er natürlich nicht, so zog er es vor mit Vladimirs Bande zu fliehen.
Zwanzig Minuten später waren sie wieder in ihrem Versteck, wie sie es nannten, angekommen. Die ganze Bande umringte Vladimir, der wieder einmal mit Geld zählen beschäftigt war. Aber das Interessierte Alexander nicht. Er setzte sich wieder zu seinem Freund und wollte erstmal das gesehene verarbeiten. Dazu kam er allerdings nicht, denn Sergej tippte ihm auf die Schulter. >>Wo wart ihr? Habt ihr jemand überfallen? Hast du mitgemacht?<<
>>Ich habe es nur gesehen, du weißt, ich tue niemand weh!<<
Der Kleine klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. >>Ja, du bist echt lieb. Schau, Nikolas ist eingeschlafen!<< Fest umklammerten seine Hände das gelbe Auto.
Alexander wünschte sich in diesem Augenblick nur eins, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. >>Sergej, wir gehen morgen. Wir werden schon ein anderes Quartier finden. Das hier ist nicht unsere Welt.<<
>>Und was passiert mit Nikolas?<<
>>Vladimir hat mir versprochen, damit sie sich um ihn kümmern werden. Ich denke er wird sein Wort halten.<<
Besagter kam bereits auf sie zu. Viele Scheine in der Hand und lächelnd. Wieder einmal gute Beute gemacht, Das wird heute Nacht gefeiert! Alle können sich besaufen! Siehst du Alexander, so kommt man zu Geld. Bedauerlicherweise das einzige, was für die meisten Menschen zählt. Nun meinst du sicher, ich mache das wegen dem Geld. Oh nein, das scheiß Geld bedeutet mir nichts. Ich genieße aber den Augenblick, wo wir so einem Schwein alles nehmen. Für einen kurzen Moment sollen sie fühlen, wie es ist, wenn man ganz unten ist. Ja, so ist das Alexander!<<
>>Wir werden morgen früh weiter ziehen.<< ,entgegnete Alexander.
>>Ich wusste, es würde dich schockieren. Unsere Welten sind zwar die gleichen, aber unsere Vorgehensweise und unser Denken eine andere. Das sind die Dinge, welche uns unterscheiden.<<
Die halbe Nacht soffen sie. Alle bis auf ihren Anführer, der saß wieder in seiner Ecke und las.
Vladimir begleitete sie nach oben. Sergej war als erster wieder im Freien. >>Leute, es schneit schon wieder!<< ,schrie er hinunter. Alexander der gerade seinen Kopf rausstreckte beschwerte sich. >>Du brauchst nicht so zu brüllen, ich bin nicht schwerhörig!<<
Sergej senkte seinen Kopf. >>Entschuldige!<< Sein Freund, der jetzt neben ihm stand, strich ihm übers Haar. >>Schon gut!<<
Beide atmeten genüsslich die frische Luft ein. Kein Vergleich zu der stickigen und stinkenden Luft da unten. Einige Sekunden später war Vladimir ebenfalls an der Oberfläche angekommen. Einen kurzen Augenblick kniff er die Augen zusammen. Er musste sich erst wieder an das helle Tageslicht gewöhnen. Dann trat er zu Alexander heran. Wie schon so oft, zog ein Grinsen über sein Gesicht. Trotzdem machten seine Augen einen traurigen Eindruck. >>So, ihr beiden, die Zeit des Abschieds ist gekommen! Hier trennen sich unsere Wege. Aber so ist das oft im Leben, Menschen kommen und gehen.<< Zum Abschied streckte er Alexander die Hand entgegen und dieser griff danach. >>Es war mir eine Ehre euch getroffen zu haben. Lebt wohl ihr beiden und passt auf euch auf!<< Ein letzter, fester Händedruck besiegelte den Abschied. Dann klopfte er dem kleinen Sergej auf die Schulter. >>Du hast einen wirklich guten Freund und wirklich gute Freunde sind selten im Leben.<< Der Kleine nickte.
Alexander ergriff das Wort. >>Dir ebenfalls alles Gute!<<
>>Dieser Vladimir ist ein netter und gleichzeitig böser Mensch, findest du nicht?<< ,stellte Sergej fest.
>>Er ist ein interessanter Mensch, aber du hast recht, er ist beides. Ich fürchte, es wird kein gutes Ende mit ihm nehmen. Ich glaube das weiß er auch. Sie gehen ihren Weg und wir den unseren!<< Noch einmal blieben sie stehen und schauten zurück. Vladimir winkte ihnen ein letztes Mal nach, bevor er wieder in der Kanalisation verschwand.
>>Weißt du was ich jetzt gern hätte?<<
>>Was?<<
Verträumt sah Sergej nach oben und leckte sich dabei die Zunge. >>Eine Scheibe von Ludmillas köstlichem Zopf.<<
>>Ach je, jetzt geht das schon wieder los!<<
>>Ich meinte ja nur.<<
Vladimir wird nie nach St.Petersburg reisen. Er und seine Gruppe werden in dieser Nacht wieder jemanden ausrauben. Was Vladimir nicht weiß, die Miliz wird ihn diesmal erwischen. Die nächsten zehn Jahre wird das Gefängnis sein neues Zuhause werden. Wie sagte Vladimir. >>Die Straße wird irgendwann unser Grab sein, früher oder später. Wir haben keine Zukunft!<< Er wird recht behalten!
Kapitel 8 Es weihnachtet sehr am Sonntag!
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Günter Kienzle).
Der Beitrag wurde von Günter Kienzle auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.03.2007.
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