Habt ihr je nach mir gefragt? Ihr habt eure Häuser auf meinem Wiesen gebaut. Ihr habt gedacht, ihr könnt mich benutzen: eine Schnellstraße für Schiffe.
Ihr dachtet, Beton ist stärker als die Natur.
Habt ihr je gefragt, wie ich, der Fluss, mich dabei fühle, so reglementiert zu werden?
Ihr habt mir meine Schönheit genommen, mich gerade gemacht, wo mein Wasser in großen Bogen lief. Ihr wolltet einen ordentlichen, deutschen Fluss aus mir machen. Aber ich war ein ordentlicher Fluss. Ich habe eure Felder befruchtet und die Auen überschwemmt, was dem ganzen Land Wasser brachte. Generationen zeugten mir Respekt. Trat ich über die Ufer, trieben sie das Vieh weg, und ich trieb das Wasser ins Land und brachte Fruchtbarkeit. Ihre Häuser standen fernab, nie vergriff ich mich an ihnen.
Ihr aber wolltet einen Kanal aus mir machen, eine brauchbare Wasserstraße, um den Profit zu
erhöhen.
Ich jedoch bin nicht der Sklave eurer Baukunst, eures Wohlstands, eurer Blindheit.
Da musste ich meine Freiheit verteidigen! Ich, der Fluss!
Was habe ich ertragen? Alles, was eure Industrie an Wohlstand schuf, durfte ich fortschaffen, Jahr für Jahr. Ein stinkende Brühe war ich mancherorts und habe nicht aufgemuckt. Ich sagte mir: ihr müsst ja auch leben. Die Fische sah ich in mir sterben, den Schmutz mein Wasser verseuchen.
Aber nun, nun musste ich euch zeigen, dass ihr so nicht mit mir umgehen dürft. Ihr habt mich fast hilflos gemacht. Den Regen musste ich herbei rufen.
Wisst ihr nun, was es heißt, der Natur ins Handwerk zu pfuschen?
Es tut mir leid, mir dem Fluss, dass ich euch soviel Elend zufügen musste, damit ihr erkennt. In den nächsten Jahren werde ich liebevoll eure Felder wässern, wenn ihr mich in Ruhe lasst.
Achtet mich! Schützt mich! Lasst mir meine Auen und Felder.
Wisst ihr, wie viele Menschen auf dieser Erde ein Himmelreich gäben um ein paar Tropfen Wasser aus mir?
Lasst mich sauber, respektiert meinen Lauf. Lasst mir meine Freiheit, und ich werde eure achten.
Die Elbe
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Yvonn HabenichtYvonne Habenicht, Anmerkung zur Geschichte
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.09.2002.
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