Dietmar Wessel

High Noon

Wieder und wieder las der Fremde die Nachricht, die ihm heute früh unter die Tür geschoben wurde: "Ich erwarte Sie um 12:00 Uhr vor der Bar." Die Unterschrift kannte er nur zu gut. Noch knapp 1 Stunde Zeit, stellte der Fremde (seine Freunde nennen ihn "El-Dopa") fest. Er fühlte sich elendig. Er mußte wieder fit werden .......... und wußte auch schon wie ............ Schlurfend bewegte er sich zur Garderobe, streifte langsam seine Jacke über und machte sich auf den Weg zu seiner Bar "Agonisten Power".

Er war der einzige Gast, wie der Fremde feststellen konnte. Sein Freund El Depryl hinter dem Tresen begrüßte ihn mit armen Lächeln. "Hi El Dopa, heute ist der große Tag?" Mit heiserer Stimme sagte der große Fremde nur: "Ich brauche einen doppelten Transmitter-Cocktail, on the rocks, aber Du weißt ja, gerührt nicht geschüttelt!"

Da bemerkte El Depryl erst, wie El Dopa zitterte. Leicht nach vorne gebeugt, die rechte Hand fest an der Seite, aber mit einem flackernden Blick.

"Angst?"
"Ein wenig, um 12.00 Uhr kommt er......"
"Der Drink wird Dich beruhigen......"

Mit geübten Handgriffen füllte El Depryl in den Mixbecher 75 ml Orangensaft und gab einen kräftigen Schuß aus der bauchigen Levodopa-Flasche hinzu. Er bemerkte den sehnsüchtigen Blick von El Dopa und lächelte aufmunternd zu. Er fügte noch einen bekömmlichen MAO B Hemmer hinzu und natürlich den Lieblingsagonisten von El Dopa. Weil heut ein besonderer Tag war, gab es noch einen frischen COMT Hemmer zusätzlich. Er schäumte alles mit einem Vitamin E Extrakt auf. Zum Schluß rührte er den Cocktail mit einem Löffel, linksrum, darauf bestand El Dopa, seit er einmal etwas von links und rechts drehenden Säuren gelesen hatte. Noch 4 Eiswürfel und fertig war der berühmte Transmitter Cocktail. Er schüttete alles in den Lieblingsbecher von El Dopa, den mit den zwei Griffen.

Er schob den Becher zu El Dopa, der ihn hastig mit beiden Händen ergriff und mit einem glücklichen Lächeln ansetzte. In einem einzigen, langen Zug leerte El Dopa den Becher und wischte sich genüßlich die Lippen ab. Faziniert beobachtete El Depryl nun die Wandlung, die mit El Dopa vorging. Er hatte es schon so oft gesehen, war aber immer wieder beeindruckt.

El Dopa hielt beide Augen geschlossen und hörte in sich hinein. Plötzlich umspielte ein Lächeln seine Lippen. Langsam richtete er sich aus seiner leicht gebeugten Haltung auf. Sein Blick wurde klar und mit fester Stimme sagte er nur:

"Dann schau`n wir mal!"
Geschmeidig bewegte er die mittlerweile wieder völlig ruhige rechte Hand..... vor..... und zurück..... vor..... und zurück..... ganz sicher...
Er war zufrieden.
El Depryl war auch zufrieden....... solch ein Gast war die beste Werbung für seinen Transmitter Cocktail und damit für seine Bar.

Die Zeit war um. Unaufhaltsam rückte der Zeiger der Wanduhr auf die zwölf vor. Mit dumpfen Schlägen kündigte sich jetzt die Mittagszeit an. Beide sahen gleichzeitig die Konturen eines Mannes durch die geraffelte Glastür. Der Mann stoppte unschlüssig für einen Sekundenbruchteil. El Depryl klopfte El Dopa aufmunternd auf die Schulter.

Da ging die Tür auf und der Fahrschullehrer rief durch die Milchbar: "Herr Meier, los geht`s. Sie sind dran mit der Führerscheinprüfung." "Ich mach das schon", murmelte El Dopa nur, ging mit wiegendem Schritt zur Tür und übte noch einmal die Schaltvorgänge mit der rechten Hand.... vor.... 1.Gang.... zurück.... 2.Gang und trat in das gleißende Sonnenlicht nch draußen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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