Klaus-D. Heid

Mückenkrieg

Nicht noch eine!

Nachdem ich mittlerweile mindestens einhundert dieser widerlichen kleinen Plagegeister mit der Wochenendausgabe unserer Stadtzeitung erschlagen hatte und dachte, endlich alle im Wohnzimmer herumschwirrenden Mistviecher tot geklatscht zu haben, höre ich wieder dieses hochtonige Geräusch. Sie muss ganz in meiner Nähe sein, dieses eklige Stechtier. Stundenlang habe ich sie in allen Winkeln gejagt und aufgespürt. Ich habe so viele von ihnen zermantscht, dass die Druckerschwärze der Zeitung mittlerweile von blutigen Mückenleichen übersät ist. Unbeweglich habe ich Ewigkeiten verharrt, bis wieder eine von ihnen von meinen sensibilisierten Augen erfasst – und geklatscht wurde. Längst habe ich mich damit abgefunden, dass das Wohnzimmer nach nunmehr drei Monaten erneut renoviert werden muss, da die gewaltige Zahl roter Flecken auf der zitronefarbigen Tapete fürchterlich störend wirkt. Als ich erschöpft aufs Sofa fiel und dachte, das Mückenmassaker beenden zu können, war’s wieder da... Ssssssss... Ganz dicht. Gefährlich nahe an meinem Ohr. Sssssssss.... Es muss sich um eine besonders intelligente Mücke mit Instinkt für drohende Gefahren handeln. Sie versteht es außerordentlich gut, gehört aber nicht gesehen zu werden. S..... ICH HASSE DICH, MÜCKE! Im gleichen Moment, in dem ich dich erspäht habe, bist Du tot! Bete, dass Du noch ein paar Sekunden leben darfst.

Es sind zwei!

Wahrscheinlich sind es Komplizen, die sich zum Ziel gesetzt haben, mich solange mit Sssss zu nerven, bis ich resigniert aufgebe. Sobald dies geschehen ist, stürzen sie sich kamikazeähnlich auf mich und stechen, stechen, stechen...

Meine einzige Chance liegt darin, sie zu killen, bevor sie mich erwischen! Der Krieg ist nicht beendet. Er hat gerade erst begonnen, Ihr miesen Blutsauger! Ihr wisst nicht, mit wem ihr euch eingelassen habt, oder? Ihr wähnt euch in Sicherheit? Ihr denkt, dass ich euch irgendwann ignoriere? Ihr irrt euch! Ich werde bis zum letzten Blutstropfen meine Haut verteidigen. Aus meiner Sicht ist nämlich nur eine tote Mücke eine gute Mücke! Scheiß drauf, wie’s mittlerweile im Wohnzimmer aussieht. In Kürze werdet ihr als schmierige Flecken meine Trophäenwand schmücken.

Sssss...

Clever! Sie teilen sich, damit ich sie nicht paarweise erledigen kann. Dass nun schon Mücken die Taktiken moderner Kriegführung beherrschen, macht mich stutzig. Wer schult diese Mistviecher eigentlich? Gibt’s so etwas wie eine ‚Strategische Mücken-Kommando-Zentrale’? Stecken gar politische Beweggründe dahinter? Werden die gewaltigen Mückenschwärme aus China importiert? Sind Mücken die Alternative zum Atomkrieg geworden?

Ssss...

Ich habe eine anvisiert! Da hockt sie. Sie fühlt sich offenbar sicher. Sie denkt, ich sehe sie nicht. Sie denkt? Denken Mücken? Was denken sie, wenn sie denken können? Denkt sie vielleicht, dass ich blind bin? Mein geübtes Auge sieht Alles! Und ich sehe sie. Sie sitzt genau auf der Nase meiner Großmutter, die hinter Glas an der Wand hängt. Vorsichtig und mit katzenhaften Bewegungen schleiche ich mich heran. In meiner rechten Hand die Vollstreckerzeitung des Rächers. Ich weiß, dass ich schnell und kompromisslos zuschlagen muss, sobald ich eine optimale Schlagposition erreicht habe. Schnell und hart. Drauf und tot. Klatsch. Matsch. Gleich bin ich soweit. Ich hole bedächtig aus, bevor mein Schlag das überflüssige Mückenleben zerstört. JETZ!

Großmutter glänzende Ansicht zersplittert. Habe wohl doch zu hart zugeschlagen. Muss wohl die Verhältnismäßigkeit überschätzt haben. Werde in den Scherben nach der Mückenleiche suchen. Bin mir nicht ganz sicher, ob mein Vernichtungsfeldzug Erfolg hatte.

Er hatte! Inmitten gefährlicher Glassplitter liegt die zerquetschte Mücke. Tot. Mausetot. Selbst ein operativer Noteingriff wäre in diesem Falle völlig sinnlos.

Ssssss.... Sssssss......

Fünfzig Prozent meiner Feinpotentiale sind somit vernichtet! Bleibt nur noch, die letzte der Vampirinsekten zu den Mückengöttern zu befördern. Es sollte mir nicht allzu schwer fallen, da ich mich nun voll und ganz auf diese eine Bestie konzentrieren kann. Ich werde also wieder in Lauerstellung verharren, bis sie sich zeigt. Ich werde meine Ohren spitzen, damit ich sie am Geräusch orten, anvisieren und abklatschen kann. Der Sieg ist unaufhaltsam.

Dachte ich’s mir doch! Meine Nerven waren die besseren Nerven. Die Mücke hat ihr Versteck verlassen, um sich – in Sicherheit wiegend – auf dem Wohnzimmertisch niederzulassen. Sie ruht sich offenbar aus. Sie ist erschöpft. Sie ahnt bestimmt, dass ihr letztes Minütlein geschlagen hat. Ob sie betet? Oder steht sie in telepathischer Verbindung zu externen Mücken-Motivationszentren? Bekommt sie gerade Befehle, Instruktionen, Order? Oder ist sie einfach nur schlaff und todessehnsüchtig?

Die Hand an der Zeitung. Vorsichtiges Ausholen. Ein perfekter Platz für einen perfekten Mord. Keine Zeugen da, die mich der Mücken-Massenvernichtung anklagen könnten. Drei. Zwei. Eins...

Klatsch!

Sieg durch K.O. in der ich weiß nicht wievielten Runde. Der Gegner liegt völlig zerschmettert auf dem Tisch. Offensichtlich hat ihn der Schlag des Kontrahenten in ein plattes matschrotes Objekt totalen Tot-Seins verwandelt. Somit heißt der alte und neue Weltmeister aller Klassen:

Sssssssssssssssssssssssssss...

Unmöglich! Ich hab sie alle erwischt. Es kann und darf keine Mücke mehr leben! Gründlicher, akribischer und besessener kann niemand töten!

Sssss...

Das Sirren kommt von hinten. Ich drehe mich vorsichtig um. Es kann – höchstens – noch eine einzige Mücke da sein. Mit einer Bewegung, die wahrscheinlich nur in Zeitlupe zu erkennen wäre, wandert mein Blick zurück.

Und dann sehe ich sie.

Groß. Etwas größer als ich. Gefährlich. Riesige, böse blickende Kulleraugen, die aussehen, als seien Drahtnetze davor gespannt. Eine überdimensionale Zeitung in ihren (ich weiß nicht, wie man das nennt) Dingern. Gott, ist die groß! Sie holt aus...

Klatsch.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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