Larissa Lamadé

Des Todes Braut – Die Legende einer sterblichen Liebe

Er war schon sehr alt, älter als alles andere, er würde jedes Wesen überleben, wenn er denn ein Lebender wäre. Doch er lebte nicht, er war das Gegenteil des Lebens, ihr Bruder, denn das Leben war seine Schwester.

Keiner von beiden vermochte es ohne den anderen zu existieren, sie brauchten einander und die Menschen brauchten sie noch viel mehr, denn die Geschwister waren es, die ihnen das Geschenk der Existenz offenbarten.

Das Leben war launisch, manchmal unberechenbar, voller Emotionen und Widersprüchlichkeiten und zugleich besaß es die größte Weisheit von allen, das größte Verständnis, alles Wissen, doch trotz all seiner Fähigkeiten überließ es dem Tod all seine Schöpfungen eines Tages zu sich zu holen, wann immer er dies wollte, denn er bestimmte es wann die Zeit abgelaufen sein würde.

Der Tod zeigte niemals Emotion, denn er besaß sie nicht, er war stets ernst und erfüllte seine Pflichten berechnend und korrekt, weil er etwas besaß was niemand sonst jemals haben würde. Absolute Neutralität. Er war der Herr der Gerechtigkeit, die im Tode jeder erhielt, auch wenn sie ihm im Leben nicht begegnet war.

So erfüllten die Geschwister ihre Pflicht, seit Anbeginn der Zeit bis in alle Ewigkeit, wenn die Existenz für immer ausgelöscht sein würde.

Eines Tages, so trug es sich zu, erlag das Leben einer Laune und erschaffte seinem Bruder ein Geschenk, gewiss, es war nur ein Spiel und doch sollte es noch viel mehr sein, denn der Tod sollte ein einziges Mal in seiner bloßen Existenz Emotion verspüren.

Das Leben wusste, er würde sie ermahnen, wenn er dies auch nur erahnen könnte, aber wenn er es bemerkte, würde es längst zu spät sein. So nahm das Spiel seinen Lauf.

Ein ganz besonderes Mädchen wurde geboren, mit einem reinen Herzen und einer Seele, die stets zu strahlen schien. Das Leben hatte Teile von sich selbst in dieses Wesen hinein gelegt und behütete das Kind, als hätte sie es selbst und kein Mensch geboren.

Es wuchs heran und mit jedem Jahr wurden seine Fähigkeiten stärker, seine Weisheit größer und sein Herz noch wärmer. Schon bald würde das Mädchen eine erwachsene Frau sein und dann würde das Leben in ihm etwas erwecken, was in keinem sonst existierte.

Denn es hatte nicht nur die Fähigkeit den Tod zu fühlen, sondern ihn auch zu erblicken als wäre er ein Mensch.

So war es zu einer erwachsenen Frau geworden, sie spürte überdeutlich, das etwas anderes, etwas menschenfremdes in ihrem Herzen schlief und auf etwas zu warten schien.

Auch das Leben wartete, mal geduldig, mal ungeduldig, denn der Tod musste in die Nähe der jungen Frau kommen, über was das Leben nicht bestimmen konnte.

Doch lange musste das Leben nicht mehr warten, denn die Zeit des sterblichen Vaters ihres Kindes war bald abgelaufen und der Tod würde gewissenhaft seiner Pflicht nachkommen.

Die junge Frau verweilte weinend am Totenbett, zugleich wachend und trauernd, denn sie wusste das ihr Vater sterben würde. Sie umarmte ihn ein letztes Mal als der Tod den Raum betrat und die Seele des alten Mannes fortholen wollte.

Doch da geschah etwas, etwas was nicht existieren sollte, die junge Frau blickte ihm ins Gesicht und fragte wer er sei. Zunächst schwieg er, überrascht und darüber nachdenkend.

Er holte sich die Seele und flüstere nur ein einziges Wort: „Tod“.

Viele Jahre zogen vorbei und die junge Frau wurde älter, noch schöner und weiser, doch sie verliebte sich niemals, heiratete nicht und gebar keine Kinder.

Viele weitere Menschen ihrer Familie folgten ihrem Vater in den Tod, jedes Mal traf sie ihn an und zwischen ihnen entwickelte sich etwas, etwas was nicht menschlich und zugleich menschlicher als alles andere war.

Das Leben beobachtete Jahr ein, Jahr aus ihr Kind und sie wusste, das was sie bezwecken wollte würde eines Tages kommen.

Der Tag nahte, an dem der Tod die junge Frau holen würde, die inzwischen zu einer alten Greisin geworden war und sich danach sehnte keinen weiteren geliebten Menschen zu verlieren. Eines Nachts stand der Tod in ihrer Tür und betrachtete wie die Greisin aus dem Fenster blickte, er hauchte:

„Nun bin ich gekommen um dich fortzuholen, mein Kind. Es ist Zeit.“

Sie drehte sich zu ihm um, nickte leicht und lächelte. Der Tod streckte eine Hand nach ihr aus, doch zog diese plötzlich zurück, er konnte sie nicht holen.

Er spürte etwas, etwas tief in seinem Inneren, das nun entbrannte, ihn innerlich verbrannte und eine Wärme in ihm erschuf, die er niemals gespürt hatte. Er wusste nun, er liebte sie.

Stumm sahen sie sich in die Augen und auch die Greisin erkannte, was sie verband.

Es war eine tiefe, innige und zum Sterben verdammte Liebe.

Er ging auf sie zu, senkte sein Haupt und legte seine Lippen, die nicht mehr als eine Ahnung waren, auf die ihren. Die alte Greisin spürte wie etwas vertrautes und doch fremdes ihren Körper durchströmte, ihre dünnen, grauen Haare, verfärbten sich zu einem vollen Rot und wurden wieder stark und kräftig, die altersschwachen Augen erstrahlten wieder in einem dunklen Grün und vermochten es wieder klar zu sehen, die Haut straffte sich und wurde wieder zart, ihr ganzer Körper wurde wieder jung wie zu ihrer ersten Begegnung als ihr Vater verstorben war.

Dieser Kuss, der nur einen Moment dauern sollte, fühlte sich für sie wie die Ewigkeit unendlicher Leben an, sie spürten alles, teilten Leben um Leben miteinander, in unzerstörbarer Verbundenheit und doch wussten sie was geschehen würde, wenn dieser Kuss wieder endete. Sie erlaubten, das er endete, denn sie wussten sie hatten keine Wahl und so sank der Körper der jungen Frau in seine Arme und er brachte ihre Seele weit fort, sodass das Feuer in ihm für immer abbrannte und nie zurückkehren würde.

Alle Emotion wich aus dem Tod als hätte sie nie existiert und doch war er dafür dankbar, denn er hatte geliebt.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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