Petra Virbinskis

Nie mehr...

Langsam stieg sie in den Bus, nachdenklich und unzufrieden. Was hatte ihr bisheriges Leben gebracht?
Die wenigen glücklichen Augenblicke in ihrem Leben konnte sie an einer Hand abzählen. Damals, als sie Thorsten heiratete, glaubte sie sich glücklich, doch war es nicht ein Trugschluß?
Ihre Kindheit war nicht gerade rosig gewesen. Ein Vater, der sehr dominant war und sich quartalsmäßig betrank. Unter seinen Exessen hatte die ganze Familie zu leiden. Nicht selten schlug er dann die Kinder und wenn Mutter sich einmischte, dann prügelte er sie weiter, mitunter bis zur Bewustlosigkeit. Dann saß sie immer ganz still mit ihrer kleinen Schwester in einer Ecke des Kinderzimmers und traute sich fast nicht zu atmen. Ihre Mutter, eine mittlerweile verhärmte Frau, war zu schwach, sich dagegen zu wehren und außerdem schickt es sich nicht, den Ehemann zu verlassen. Aber wo hätte sie auch hin sollen?
Als sie dann 15 Jahre alt war, lernte sie Thorsten kennen. Ein gutaussehender Mann, der 24 Jahre alt war und einen sicheren Job in einer Bank hatte. Er verdiente sehr gut und selbst ihr Vater konnte ihn leiden. Das grenzte schon fast an ein Wunder. Als sie 17 Jahre alt war, willigten ihre Eltern in die Hochzeit ein. Den Glanz in den Augen ihrer Mutter wird sie nie vergessen, genausowenig, wie den Satz, den sie sprach:" Ach Kind, ich bin so glücklich! Du wirst es ganz sicher besser haben im Leben, als ich"!
Doch das Glück dauerte genau 7 Stunden, dann zeigte Thorsten sein wahres Gesicht. Schon in der Hochzeitsnacht nahm er sich mit Gewalt, was ihm seiner Meinung nach zustand. Von da an hatte sie regelrecht Angst vor ihm und seinen Berührungen, aber es half ja nichts, denn es schickt sich nicht, seinen Ehemann zu verlassen... Und darüber zu reden, erst recht nicht!
Das einzige Glück, daß sie je empfand, waren ihre 6 Kinder, die sie in kurzen Abständen bekam. Sie hielten sie aufrecht, ihnen konnte sie all ihre Liebe geben, die sie für ihren Mann nicht empfinden konnte. Sicher, zu den Kindern war er immer gut gewesen. Die kinder hatten nie etwas auszustehen und bekamen von dem Egoismus des Vaters nichts mit. Probleme wurden vor den Kindern totgeschwiegen.
Nun sind die Kinder erwachsen und die Letzte ist seit ein paar wenigen Wochen aus dem Haus. Wie schwer ihr doch der Abschied fiel... Was blieb ihr denn jetzt noch? Seit Melina nicht mehr zu Hause wohnte, wurde es nur noch schlimmer mit Thorsten. Nichts, aber auch rein gar nichts konnte sie ihm nun noch Recht machen und er strafte sie mit Verachtung und Vergewaltigung!
Plötzlich wurde ihr schlecht und so mußte sie an der nächsten Haltestelle aussteigen. Sie würde sicher zu spät zur Arbeit kommen, aber erst einmal mußte sie sich übergeben.
Als es ihr wieder etwas besser ging, kehrte eine nie gekannte Ruhe in ihr ein.
Ja! Das ist es!! Sie fasste einen Entschluß, über den sie sich normalerweise selbst erschrocken hätte, aber diese Ruhe in ihr....
Mit festem Schritt ging sie in die andere Richtung, geradewegs auf die Sparkasse an der Ecke zu. Wie in Trance hob sie eine große Summe des gemeinsamen Kontos ab, bedankte sich noch recht höflich bei der Bankangestellten und ging mit festen Schritten zum Taxistand. Wie durch eine Nebelwand hörte sie sich sagen: " Zum Bahnhof bitte" Und der Taxifahrer fuhr los. Ihr Herz raste und ihre Gedanken schlugen Purzelbäume...
Es hämmerte in ihrem Kopf. Weg, nur weg von hier. Was hatte sie schon zu verlieren, was man nicht ersetzen könne?
Kurze Zweifel machten sich in ihr breit, doch die wischte sie mit einem einzigen Gedanken an Thorsten weg. Nein! Sie wollte nicht länger so weiterleben müßen! Nie mehr!!!
Ihr war es egal, wohin sie fuhr, hauptsache weit weg von diesem Ort. Und so stieg sie in irgendeinen Zug. Gedankenversunken saß sie im Abteil und stellte sich ihr zukünftiges Leben vor, bis sie eine dunkle Männerstimme jäh aus ihren Gedanken riß! "Ihre Fahrkarte bitte"
Erschrocken sah sie den Mann an und stammelte, daß sie noch lösen müße. Freundlich blickte der Schaffner sie an. "Wo soll`s denn hingehen"?
Mit einem Glanz in ihren Augen und einem Lächeln auf ihrem Gesicht antwortete sie: "In ein neues Leben...."

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Petra Virbinskis).
Der Beitrag wurde von Petra Virbinskis auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Petra Virbinskis als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

WortSinfonie: Lyrik und ein Drama von Madelaine Kaufmann



Der Gedichtband „WortSinfonie“ beinhaltet neben Lyrik auch ein Drama (Tragödie) namens „Jonathan und Estelle“.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Auftragsarbeiten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Petra Virbinskis

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Einsamkeit von Petra Virbinskis (Sonstige)
Ein Tropfen Liebe...Themenvorgabe von Adalbert N. von Rüdiger Nazar (Auftragsarbeiten)
Gebrochener Lebenswille von Michael Reißig (Trauriges / Verzweiflung)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen