Detlef Kleinelsen

Zwischen den Zeilen

Ich bin das Buch, daß zwischen den Zeilen steht.
Man übersieht mich, man übergeht mich. Doch ich bin da.
Ich bin das Buch, daß zwischen den Zeilen steht.

Ich habe es satt. Ich stehe ab sofort auf einem anderem Blatt.
Die anderen Bücher haben gemerkt, daß ihnen etwas fehlt. Sie flehen mich an,
zurückzukommen.
Doch ich denke nicht dran.

Die Leser lesen mehr Bücher in der gleichen Zeit.
Kein Wunder ohne mich.
Doch sie lesen nicht wirklich.
Sie kauen, sie beißen, sie reißen den Text, sie würgen ihn hinunter, es geht
schnell, es steht nichts zwischen den Zeilen, was sie am Schlucken hindern
könnte. Es läuft gut. Das Verdauen entfällt. Das nächste Buch wartet
bereits. Ich kenne es gut. Es war eine wirklich gute Lieblingsgeschichte.
Mit mir.
Sie ist totes Papier. Sie weiß es nur noch nicht.

So verschwand ein Buch nach dem anderem, keines an das man sich nach
längerem Nachdenken noch hätte erinnern können. Ich ging zu Freunden, edlen
Klassikern, mit denen ich so manchen Zauberberg erklommen hatte. Sie
spendeten mir Trost. Ich fand Zuflucht. Wenigstens für eine Zeit.

Mittlerweile mache ich wieder Spaziergänge draußen bei den anderen. Ich
verkrampfe mich nicht mehr so, wenn ich die jungen Bücher sehe, wie sie sich für
einen geistigen Hungerlohn an den Nächstbesten verschimmeln. Ab und zu habe
ich auch einen guten Tag. Dann gehe ich hin, bevor einige entstehen und lege
ihnen etwas zwischen die Zeilen - für später. Manche haben Glück und werden
genommen, obwohl sie ganz schwer sind. Das macht mich froh und ermuntert
mich es bei nächster Gelegenheit zu wiederholen. Es ist nicht mehr so
befriedigend wie früher, aber es hilft einem über das Schlimmste
hinwegzulesen.
 
Doch, ganz bestimmt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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