Andreas Gritsch
king-size backdraft
Seine Wohnung durchdrang noch ein Lied von Radiohead, als er schon auf der Straße stand und in die Sonne starrend seine Waffe lud...
In den Zoo gehen, den Glaskäfig einer giftigen Schlange eintreten und sich von ihr beissen lassen. So stellte er sich seinen Abgang vor, in einem der klaren Momente, die ihm so fremd geworden sind.
Sich das eigene Leben einzugestehen trieb ihn zur Konsequenz der letzten Entscheidung. Sich deshalb als Feigling, Verlierer oder gar Sünder zu sehen kam ihm nie in den Sinn, weil er doch sein Leben bis hin zu dieser Entscheidung ertragen hatte.
Einsam leben - Einsam sterben, aber bunt soll doch bitte der Abgang sein.
Am nächsten Tag sind in New York die Türme eingefallen. Er sah darin jedoch nicht den Angriff auf die freie Welt, sondern nur die Angst in den Gesichtern der Bewohner jener Stadt, die so etwas wie Interesse in ihm wecken konnte.
Der Anschlag, der Terror, diese neue Weltordnung waren ihm egal, bis bekannt wurde, dass zwei dieser Selbstmörder in einem Haus wohnten, das nur wenige Straßen von seiner eigenen Wohnung entfernt war.
Da glaubte er zu erkennen, und begann seine Existenz als Leidensweg zu verstehen, der ihm nicht vorbestimmt war, sondern von anderen Menschen bereitet.
Dieser Moment bestärkte ihn noch mehr, den letzten Schritt zu gehen. Doch jetzt sollte dieser nicht mehr bunt ablaufen, sondern mit der Masse.
Schon immer wollte er einen Tag erleben, wie er bei so vielen kopflosen Genussmenschen die Regel ist. Deshalb entschied er sich gegen eine wahllose Explosion und für eine gezielte Kugel für jeden, der ihn begleiten sollte.
An diesem Tag, mit freiem Blick hinauf zum Himmel, trank er entgegen seiner Gewohnheit Pfefferminztee statt Kaffee, und auch das Programm im Radio war ihm egal. Als er sich, ohne Blick zurück in seine Wohnung, auf den Weg machte, begegnete er im Treppenhaus dem Postboten, den er im Vorübergehen zum ersten mal anlächelte.-
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.04.2007.
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