Engelbert Blabsreiter

Wellness im Thermalbad

 
Es ist wohl ein typisches Zeichen dieser Zeit, dass durch extreme Arbeitsüberbelastungen verursachte Ermüdungserscheinungen durch intensivere Erholungsphasen in kurzer Zeit ausgeglichen werden sollten, oder müssen.
Dazu dient der boomende Markt von Wellnessangeboten in vielen speziell dafür angebotenen Einrichtungen. Da entsteht schnell der Wunsch einmal seine scheinbar immer schneller alternden Knochen und auch den Rest des Körpers in einem speziell dafür geeignetem Programm erholen zu lassen.
So machte ich mich gemeinsam mit meiner Frau auf den Weg in ein Hotel mit Anschluss an ein großes Thermalbad, um unseren Körpern etwas Gutes zu tun.
Die Anreise mit dem Auto verlief bis zur Einfahrt zur Tiefgarage des Thermalbades problemlos.
Seltsamerweise versuchte dort ein etwa 75 jähriger Mann seinen megadicken Mercedes in eine für einen Kleinwagen geeignete Parklücke zu parken. Die kreischenden und gestikulierenden Anweisungen seiner ebenfalls megadicken Frau waren wohl nicht sehr hilfreich und deshalb wurde der Seitenspiegel seines Mercedes mehrmals an einer Betonsäule in Mitleidenschaft gezogen. Nach etwa 10 Minuten und 34 Einparkversuchen war der Mercedes schließlich in der Parkbucht, was allerdings den Nachteil hatte, dass der Fahrer bei der Beifahrerseite aussteigen musste.
Aber was tut man nicht alles um direkt an der Eingangstür eines Thermalbades einen Parkplatz zu bekommen.
Ich benutzte einfach einen 10 m weiter entfernten freien und breiteren Parkplatz, um der sich hinter mir gebildeten Schlange von Fahrzeugen nicht ein ähnliches Schauspiel zu bieten.
Da wir das erste mal in diesem Thermalbad waren, orientierten wir uns einfach an der Schar dahinwackelnder Rentner die sich im Labyrinth der Gänge zweifellos zur Kasse des Thermalbades begeben würden, was dann auch so geschah.
Bei der Auswahl der Wellnessanwendungen konnten wir zwischen einem Rosenölbad, einem Kleopatrabad oder einer Rassulanwendung wählen. Meine Frau war schon einmal von einer Freundin zu einer Rassulbehandlung eingeladen worden und davon sehr angetan. So entschieden wir uns zu einer gemeinsamen Teilnahme daran.Wir sollten uns bis um 16.00 Uhr zur Rassulanwendung melden.
Bis dahin hatten wir mehrere Stunden Zeit die Vorzüge verschiedener Becken mit Thermalwasser kennenzulernen sowie deren belebende Massagedüsen oder Luftsprudeleinrichtungen. Das Wetter war schön und wir konnten die Liegen im Außenbereich beziehen.
Mir war nicht ganz klar warum ich beim Anblick der dampfenden Wassermassen und den dicht gedrängten daraus herausschauenden Köpfen unweigerlich an einen Fernsehbericht über japanische Affen denken musste die im Winter das warme Wasser einer heißen Quelle aufsuchen.
Nach einer heißen Dusche bewegten wir uns schließlich ebenfalls auf eines der Becken mit der Aufschrift 36°C zu und zogen sämtliche Blicke der sich sich im heißen Wasser suhlenden Oldtimer auf uns. Ich fühlte mich ein bischen unwohl und überzeugte mich nochmals ob ich wirklich eine Badehose anhatte, was jedoch der Fall war und fragte mich ob denn irgendwas an uns nicht ganz in Ordnung war.
Doch vermutlich war es eben nur die Tatsache, dass meine Frau und ich mit einem einigermaßen schlankem Körper und dem zarten Alter von 47 Jahren ziemlich heftig auffiel.
So ließen wir uns in der unübersehbaren Menge von kleinen, großen, langen und breiten, hübschen und hässlichen Köpfen mit Riesenaugen und Tentakeln in einem gewissen Sicherheitsabstand nieder. Ich spürte das Unbehagen meiner Frau und zog sie mit einem beruhigendem Lächeln an mich. Aber so ganz überzeugend war ich anscheinend nicht. 
Nach einer Weile entspannten wir uns dennoch und ließen die Wärme des Thermalwassers in unsere Körper fließen.
Das Gefühl dort aufzufallen hatten wir allerdings immer noch. Nach einer Weile wechselten wir in eine Art Strömungskanal in dem das Wasser bis in Brusthöhe durch starke Düsen bewegt wurde. Die Geschwindigkeit der Wassermenge wurde durch eine Art Ampel angezeigt und so konnte man vor dem Betreten des Kanals bereits erkennen mit welcher Geschwindigkeit sich das Wasser durch den Kanal bewegt. Die sich im Kanal befindlichen Personen wurden fast genauso schnell und walzenartig durch den Kanal in Abhängigkeit ihrer strömungshemmenden Masse getrieben. So kam es, dass einige megavoluminöse Damen und Herren in atemberaubendem Tempo an mir vorbeischossen und ich mich fragte ob sie mit einem geheimnisvollen Strahlantrieb versehen wären. Wir selbst trieben in einer Art Parkspur in dem Strömungskanal an den Beschleunigungsdüsen vorbei und hatten aber trotzdem viel Spaß dabei.
Der Wechsel von heißen Becken in kalte und danach wieder in heiße war sehr anregend und auch wohltuend. Danach nutzten wir die Liegen in den windgeschützten sonnigen Bereichen um uns zu sonnen.
Die Zeit bis zu der Rassulanwendung war sehr schnell vergangen und wir machten uns schließlich auf den Weg in den sehr schönen Saunabereich. Da meine Frau und ich der Meinung waren, eine Rassul-Anwendung würde nur, so wie es meine Frau das letzte mal erlebt hatte für zwei Personen stattfinden, waren wir sehr überrascht als 6 weitere Frauen den viel zu kleinen Vorraum zum Rassul-Dampfbad bezogen. Es handelte sich um eine gemischte Sauna und so dachte ich mir nichts weiter und hängte meinen Bademantel an den dafür vorgesehenen Haken. Durch meine Frau war ich ja bereits in die nachfolgenden Schritte einer Rassulanwendung eingeweiht.
Die schockierten Blicke der anwesenden Frauen mit Ausnahme meiner eigenen bestätigten mir, dass die anwesenden Damen keine Ahnung hatten was jetzt wohl folgen würde und schon gleich nicht damit gerechnet haben, dass auch ein Mann daran teilnehmen würde.
Nicht einmal mein breitestes Lächeln konnte die Damen von meiner Harmlosigkeit überzeugen.
Nicht auszudenken was geschehen wäre, wenn ich mich in eine Wanne mit einem Kleopatrabadezusatz oder einem Rosenölbad gelegt hätte.
Schließlich rettete der hereinstürmende Bademeister die etwas peinliche Situation und zog mit seiner eindrucksvollen Statur alle Aufmerksamkeit auf sich. Eigentlich hätte er mit seinem gigantischem Bauch, an dem das T-Shirt bis zum Platzen gespannt war, gar nicht mehr in den Vorraum gepasst aber irgendwie drängte sich die eingeschüchterte Masse von nach dem Dialekt aus Österreich stammenden Damen auf ein Minimum zusammen.
In militärischem Ton forderte er alle anwesenden Damen auf, ihre Bademäntel an die Haken zu hängen, was diese auch unverzüglich befolgten.
In einer kurzen Ansprache erklärte er die Anwendung der verschiedenfarbigen Heilerden und bat uns gegenseitig die nicht zugänglichen Bereiche des Rückens einzuschmieren. "Die weiße Erde ins Gesicht die braune auf Brust und Bauch die schwarze auf Beine und Rücken".
Eingeschmiert wird im Dampfbad meinte er, zwängte seinen massigen Körper zwischen das Knäuel mittlerweile nackter eingeschüchterter Damen und öffnete die Türe zum Dampfbad. Mit je einer Schale verschiedenartiger Heilerden verschwanden wir somit in einem kleinen, völlig von Dampf gefülltem Saunaraum. Der Raum inklusive der Sitzbänke war komplett gefliest und man konnte durch den Dampf kaum die Hand vor Augen sehen, was wohl für die eine oder andere Frau eine gewisse Erleichterung brachte.
Die feuchte Hitze sorgte sogleich für das Öffnen der Schweißdrüsen und machte damit ein Einschmieren mit der Heilerde zu einem richtig angenehmen Erlebnis. Wie oft hat man schon die Gelegenheit sich wie ein kleines Schlammschweinchen einzuschmieren.
Die unterschiedlichen Körnungsgrade der verschiedenen Heilerden sorgten nicht nur für einen angenehmen Peelingeffekt an der richtigen Stelle, sondern hinterließen auch eine sehr weiche sich angenehm anfühlende Haut. Gerade als wir unsere Körper unter gelegentlichem Kichern eingeschmiert hatten und uns auf die gefliesten Bänke niederlassen wollten, riss der Bademeister die Tür wieder auf und forderte uns in bekannt herrischem Ton auf, ständig weiterzuschmieren um Schweiß und Heilerde weiter auf unseren Körpern zu verteilen. Etwas mitleidig sah er dabei auf mich, da bei mir von verschiedenen Farben nicht mehr viel zu sehen war. Ich glich eher einem ungleich gebräunten Serengetikrieger in Kriegsbemalung .
Schließlich begaben wir uns entgegen der Anweisung unseres Feldwebels auf die gefliesten Bänke und ließen Dampf, Hitze und Heilerden auf uns wirken.
Nach etwa 15 Minuten wurde uns noch je eine Schale Meersalz gereicht die wir uns gegenseitig auf den Rücken rieben. 30 Minuten später wurden wir gebeten das Dampfbad zu verlassen und in den angrenzenden Duschen die mittlerweile verlaufene Pampe vom Körper zu duschen, was gar nicht so einfach zu bewerkstelligen war.
Da mir leichtsinnigerweise die Bemerkung „ladies first“ entschwand musste ich logischerweise am längsten in der Dampfsauna verbringen, bis alle anderen sich den Resten des Vergnügens auf ihrer Haut entledigt hatten.
Das Einölen der Haut nach dem Duschen mit gut duftenden Ölen hab ich mir aber dann aus Rücksicht zu den Damen lieber erspart.
Wir verließen das Thermalbad nach einer kurzen Ruhephase im Anschluss der Rassulanwendung und wollten uns den angebrochenen Abend in einer Diskothek mit Tanzen versüßen.
Den Knochenmark erschütternden Basstieftönern konnten wir jedoch nicht lange widerstehen und so verließen wir diesen Ort der Grausamkeit, um uns in einem Tanzlokal für etwas ältere Semester sanfteren Klängen der Musik hinzugeben. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Anblick einer dichtgedrängten wabernden Menschenmenge mit einem Durchschnittsalter von mindestens 70 Jahren welche sich unter den Klängen von Hansi Hinterseer-Musik bewegte.
Das war dann schließlich zuviel für uns und so suchten wir in unserem Hotelbett Zuflucht. Dort schliefen wir sogleich völlig ermattet ein.
Wer hätte jemals gedacht, dass so ein Wellnesstag so anstrengend sein kann!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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