Karl Bednarik

Der Pluto-Einsatz


Nach dem mit knapper Not siegreichen Ende der Schedirschlacht
herrschte Friedhofsstille in der Galaxis.
Zeit für Graf Hombug und McFertig ihren verdienten
Heimaturlaub nachzuholen.
Graf Hombug mähte den verwilderten Rasen hinter seinem Haus.
McFertig spielte Minigolf.
Am Nachmittag des zweiten Tages passierte es.
McFertig hatte gerade den vierten Durchgang gewonnen, als Graf
Hombug auftauchte. Er fragte: "Zufrieden?" McFertig knurrte: "Öde!"
Graf Hombug erklärte: "Ich habe im Bastelschuppen hinter dem Haus
eine kleine Raumyacht aufpoliert. Fliegen wir eine Runde."
McFertig blickte Graf Hombug prüfend in die Augen. Graf Hombug
beeilte sich zu versichern, daß die Yacht durchaus genügend
bewaffnet sei. "Was stehen wir hier noch herum?" rief McFertig
und warf den Golfschläger in eine Kiste.
Zuerst untersuchten sie den Planetoidengürtel, ob sich dort
nicht vielleicht doch ein wrukscher Aufklärer versteckt hielt.
Dann die Jupitermonde, die Saturnmonde, und die Uranusmonde,
aber auch dort war nichts Verdächtiges zu finden.
"Eines muß man der Außenringüberwachungsflotte lassen,"
meinte McFertig, "sie ist gründlich."
Als sie gerade Triton, den inneren Neptunmond, inspizierten
stieß aus dem Ortungsschatten von Nereide, dem äußeren
Neptunmond, ein Wrukkreuzer hervor und schoß zehn
Fernkampfraketen mit Fusionssprengköpfen ab. Dann ging er in
den Hyperraum. Graf Hombug erwachte aus seiner Ohnmacht und
musterte das Instrumentenpult, auf dem nur mehr rote
Warnlampen brannten. Dann suchte er McFertigs Überreste auf
dem Fußboden. Jener war jedoch im Maschinenraum um
die Risse in der Wand mit Dichtungspaste zu verschmieren.
Graf Hombug flickte einige gerissene Drähte. Er aktivierte
den Bildschirm und die Korrekturdüsen. McFertig kam herein
und wies mit seiner Spachtel auf einen rötlichen Stern nahe der
Bildschirmmitte. "Es sieht so aus, als würden wir auf Antares
zutreiben." meinte er. "Und in zwanzigtausend Jahren dort sein"
setzte Graf Hombug fort, "das Triebwerk ist leider auch hin."
McFertig beäugte den Bildschirm und knurrte: "Dieser Stern
hier gehört aber nicht zum Skorpion." Er tippte mit einem
verkleisterten Finger auf einen Lichtpunkt. Hombug schlug im
Ephemeridenkalender nach, und bemerkte lakonisch: "Pluto."
McFertig hatte das auch gehofft.
Zwei Tage waren ihm wesentlich lieber als zwanzigtausend Jahre.
Graf Frederik Hombug korrigierte den Kurs alle Stunden mit den
intakten Seitentriebwerken. Er hatte auch den Kursrechner wieder
repariert, prüfte die Ergebnisse aber mühselig auf dem
Rechenschieber nach. Wie befürchtet stimmten die Ergebnisse
nicht überein.
Hombug war geneigt den Computer über Bord zu werfen, McFertig
aber hielt ihn davon ab. Er nahm den Rechenstab und peilte über
seine Kante. "Total verzogen" urteilte er, "Hitze und Aufprall."
Wo denn die Kontrolle sei, fragte Hombug. McFertig langte in
die Innentasche seiner Lederjacke und angelte einen altmodischen
Taschensextanten hervor. Hombug unkte: "Wenn der auch verzogen ist."
Der Sextant war jedenfalls aus Stahl, und McFertigs Rippen nicht.
So schwebten sie dann doch exakt tangential auf Pluto ein,
"Wenn das kein Glück ist" seufzte Hombug, "die beste Landepiste
des Sonnensystems". In der Tat war der gefrorene Ozean Plutos,
der fast den ganzen Planeten bedeckte, spiegelglatt.
Das Schiff setzte mit einem dumpfen Knall auf und rutschte fast
zweitausend Kilometer, Es zog eine Schnee- und Dampfwolke hinter
sich her, kam dann aber doch zum Stillstand.
Das neue Rotlicht auf dem Kontrollpult bedeutete Reaktoralarm.
"Das war also der Krach vorhin" dachte Hombug.
Sie standen trotz Anzugheizung mit frierenden Zehen vor der
Schleusentür. Glitzerndes, spiegelndes Eis erstreckte sich bis
zum Horizont. "Ich hätte meine Eislaufschuhe mitnehmen sollen,"
meinte McFertig.
Graf Hombug trieb zur Eile an. Zwischen dem Alarm und der
Detonation eines Reaktors war selten eine Viertelstunde Zeit.
Nach etwa einem Kilometer Fußmarsch blitzte es hinter ihnen
grellweiß auf. "Zwanzigtausend Solar" kommentierte Hombug,
"der Lloyd wird begeistert sein." McFertig war jedoch schon
immer der Meinung gewesen, die Gauner bei der Versicherung
sollten ruhig zahlen.

Vierhundert Kilometer ostwärts befand sich eine Felseninsel im
Eis, dort hatten Wissenschaftler eine Forschungsstation errichtet.
Der Fußmarsch dorthin war eine echte Alternative zum Erfrierungstod.
Nicht nur, daß die Zehen vereisten, nein, auch die Sichtscheibe
tat es. Die Heizung der Raumanzüge war für solche Gewaltakte auf
die Dauer nicht geschaffen. Wer aber versuchte die Sichtscheibe
sauber zu lecken, lief in Gefahr, daß die Zungenspitze fest fror.
Nach sechs Tagen erreichten sie die Kuppel der Station.
Am Schleusenschott hing eine Plastiktafel, mit der Aufschrift:
"Wegen Urlaub geschlossen."
McFertig unterdrückte die Vision Minigolf spielender
Wissenschaftler, und griff zur Laserpistole. Graf Hombug überzeugte
ihn jedoch davon, daß beim Aufbrechen der Schleuse am Ende drinnen
das selbe Vakuum wie draußen herrschen müsse.
Wenn Graf Hombug und McFertig in ausweglosen Situationen
verzweifeln würden, dann müßten sie jährlich zweihundert mal sterben.
Graf Hombug setzte sich nieder um nachzudenken. Rasch stand er
wieder auf, denn der Felsen war noch kälter als das Eis.
Die Helmfunkgeräte hatten eine Reichweite von fünftausend Kilometern.
Würde man sie in Serie schalten, käme man einskommavier mal so weit.
Das war aber noch immer entschieden zu wenig.
Graf Hombug rieb sein unterkühltes Hinterteil, und dabei hatte er
den Einfall. Er stöpselte das Telefonkabel in McFertigs Helm. Dann
begann er McFertigs Helmsender auszubauen. "Es ist doch widersinnig"
meinte er über Telefon, "die Dinger beim Spazieren tragen auch noch
zu heizen." Er legte den Sender in eine Felsmulde, in der flüssiger
Wasserstoff blubberte. "Genau" jubelte McFertig, "jetzt wird er
supraleitend. Als Energiequelle verträgt er dann sogar meine
Laserbatterie." Graf Hombug programmierte den Flottennotruf und
drückte den Sendeknopf mit seinem Schreibstift, der prompt in
Splitter ging.
Die Anzeige der Laserbatterie fiel ruckartig auf Null, ohne daß
etwas durch schmorte. Das war ein gutes Zeichen dafür, daß die
Energie irgendwo anders hin unterwegs war,
Leider hatte Hombug den Wiese-Frenchman-Effekt übersehen. Schon
im Jahre 2436 hatten Wiese und Frenchman nachgewiesen, daß ein
Schwingkreis im supraleitenden Zustand eine Frequenz liefert,
die genau Pi Drittel mal größer ist als seine Frequenz bei
Normalleitfähigkeit. McFertigs Sender hatte jetzt ungefähr die
Wellenlänge des wrukschen Raumfunkverkehrs.
Der Kommandant des wrukschen Spionagekreuzers, der Hombug bei
der Nereide beschossen hatte, und der gerade in Schleichfahrt
zu den Uranusmonden unterwegs war, stellte die These auf, daß
die Terraner einen Funkstörsender auf Pluto errichtet hätten.
Da kein terranisches Schlachtschiff in der Nähe Plutos war,
ergab sich eigentlich nur eine einzige Strategie. Graf Hombug
hätte sie die hin-fliege-und-zu-schlage-Strategie genannt.
Leider hörten die verdammten Terraner gleich wieder zu funken
auf, so als wüßten sie schon was da auf sie zu kommt.
Der wruksche Kommandant ging daher auf eine andere, ebenso
wirksame Strategie über. Graf Hombug hätte sie die
alles-kurz-und-klein-schlage-Strategie genannt.
Wruksche Raumkreuzer führen zu solchen Zwecken immer
ausreichende Mengen an Fusionsbomben mit sich.
Graf Hombug und McFertig waren von Berufs wegen mit solchen
Phänomenen vertraut.
Als der Wruk fertig war, kochten die oberen Schichten des
Plutoozeans, und der Planet hüllte sich in dichte Dampfwolken.
Nachdem die tieferen Schichten des Meeres ebenfalls aufgetaut
waren, mäßigte sich die Wasser- und Lufttemperatur auf rund
dreißig Grad Celsius. Graf Hombug und McFertig krochen aus
der Felsspalte, in der sie in Deckung gegangen waren.
Da auch eine Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre verdampft war,
zogen sie die Raumanzüge aus.
"Wirkt gleich viel gemütlicher" verkündete Rick McFertig.
Graf Hombug schätzte, daß es Monate dauern würde, bis wieder
alles einfror. Als Graf Hombug die Ruinen der Forschungsstation
besichtigte, die von einem wrukschen Torpedo erwischt worden war,
fiel sein Blick auf den gigantischen Ozean. "Wir hatten doch
Badehosen mitnehmen sollen" dachte er.
Am zweiten Tag bemerkten sie, daß auch Pflanzensamen aufgetaut
waren. Nach einer Woche entdeckte McFertig Kaulquappen im
Küstenwasser. Einen Monat später hatten sie sich ihre Laubhütten
geflochten, und grillten Salamanderfilet über dem Holzfeuer.
"Abenteuerurlaub im Sonnensystem" witzelte Hombug.
"Nicht daheim, und doch zu Hause."
Auf der Erdaußenstation 4 hingegen maß ein Astronom die
Strahlungstemperatur von Pluto. Ein paar Wochen später hielt er
vor Kollegen einen Vortrag zu diesem Thema. Bei diesem Kongreß
war, wie meistens, auch ein Agent des Raumüberwachungsdienstes
Zuhörer. Thermo-Gleichgewicht, Glashaus-Effekt, Strahlungsdruck,
Albedo und das ganze Zeugs war ihm ziemlich gleichgültig. Er war
Anhänger der hin-fliege-und-nachschau-Methode.
Deshalb wurden Graf Hombug und Rick McFertig schon nach sechs
Monaten von Pluto abgeholt. "Es sieht ohnehin schon nach Schnee
aus" meinte McFertig. Später nannte man sie auch "die Giganten
vom Pluto", hatten sie doch einem Wrukkreuzer und dem kältesten
Planeten des Sonnensystems getrotzt.
Bei der Ordensverleihung meinte der terranische Staatspräsident:
"Wenn das Ihre Vorstellung von Heimaturlaub ist, dann möchte ich
Ihnen nicht an der Front begegnen."
 
 


Die Behauptung, daß Pluto gar kein Planet sein soll, wird von mir konsequent ignoriert.

Meine Lieblings-KBOs (Kuiper Belt Objekte) heißen Xena und ihr Mond Gabrielle, obwohl die Astronomen schon wieder ihre Namen geändert haben (Eris 136199 oder 2003 UB313 und der Mond Dysnomia).

Es ist selbstverständlich klar, daß diese Planeten bei Graf Hombug immer noch Xena und Gabrielle heißen werden.

Karl Bednarik, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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