Teil 1 ist hier zu finden:
https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?18757 Abschnitt für Raumfahrttechnologie
Ewigkeitsprojekte dieser Art hatten Graf Frederik von Hombug
schon immer interessiert, schließlich war Unsterblichkeit sein
Steckenpferd.
Er betrachtete das gigantische Fernraumschiff genau, während
er mit seinem ZB-732-Jäger langsam vorbeidriftete.
Am hinteren Ende, Raumfahrer nannten es lieber das untere Ende,
was beschleunigungsmäßig auch korrekter war, konnte er den
zweihundert Meter großen Gamma-Interferenz-Reflektor-Spiegel
erkennen. Dieser sah aus wie ein riesiger Parabolspiegel, aber
kompliziert an ihm war eher die Mikrostruktur. Der Spiegel
sollte jene Gammaquanten reflektieren, die durch die Proton-
Antiproton-Zerstrahlung entstanden (938 Megaelektronenvolt).
Deshalb bestand er aus unzähligen monoatomaren Schichten von
Beryllium und Wolfram. Durch die dichte Abfolge von leichten
und schweren Atomkernen wurden die harten Gammaphotonen in die
gewünschte Richtung reflektiert.
Nur durch jahrelange geduldige Aufdampfvorgänge im Vakuum des
Weltraumes konnte so ein Präzisionssystem geschaffen werden.
Immerhin betrug die Wandstärke des Reflektors zwanzig Meter.
Auf den inneren drei Metern allerdings war eine viel gröbere
Schichtstruktur aufgedampft. Diese diente nur zur Reflektion
der viel energieärmeren Gammaquanten, die bei der Elektron-
Positron-Zerstrahlung entstanden (0.51 Megaelektronenvolt).
Die Proton-Antiproton-Quanten würden diese Schicht mühelos
durchfliegen, natürlich in beiden Richtungen.
Bild, Gamma-Triebwerk:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FB03.jpg Da aber diese Reflektionsvorgänge nicht ganz ohne Verluste
abgehen würden, hatte man auf der Außenseite des Spiegels
ein Kühlsystem mit suprafluidem Helium installiert. Dieses
System hätte die Eislaufplätze einiger Sonnensysteme versorgen
können.
Weiter vorne, besser oberhalb des Spiegels, befand sich ein
fünfhundert Gigawatt Fusions-Reaktor mit
magnetohydrodynamischen Stromwandlern (MHD),
zur Bordstromversorgung.
Bild, MHD-Wandler:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FB04.jpg Über diesem folgte der Magnetfeldtank, gefüllt mit fünf
Millionen Tonnen Antiwasserstoffplasma. Plasma deshalb,
weil neutrale Antiwasserstoffatome durch das Magnetfeld
fliegen und dann an der Behälterwandung zerstrahlen würden.
Die Zugabe von Positronen zu den Antiprotonen war aber zur
Verhinderung von Raumladungseffekten unvermeidbar. Da dieses
Plasma nur eine geringe Dichte hatte, füllte dieser Tank drei
Viertel des Schiffsvolumens aus.
Auf dem Planeten Merkur hatten jahrelang riesige
Photovoltaische Anlagen ebenso riesige Teilchenbeschleuniger
gespeist, um diese großen Mengen an Antiwasserstoff
bereitzustellen.
Bild, Proton-Proton-Collider:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FB05.jpg Noch weiter oben in der Konstruktion war der viel kleinere
Flüssigwasserstofftank zu sehen. Er enthielt etwas mehr als
sechs Millionen Tonnen Wasserstoff. Ein leichter Überschuß
sollte garantieren, daß die viel teurere Antimaterie auch voll
ausgenützt wurde. Der weitaus größere Teil der zusätzlichen
Wasserstoffmenge wurde aber von dem Kernfusionsreaktor zur
Stromerzeugung verbraucht.
Man hatte auch dafür gesorgt, daß dieser Wasserstoff völlig
frei von Deuterium war. Man wollte das Auftreten von freien
Neutronen tunlichst vermeiden. Vorsichtshalber war der Kryotank
möglichst weit vom Triebwerk entfernt angebracht.
Um das Triebwerk zu starten, brauchte man nur den Wasserstoff
zu verdampfen. Dann wurde er in einem Lichtbogen in Plasma
umgesetzt. Dieses wurde mit einem Magnetfeldrohr zum Brennpunkt
des Spiegels geführt. Rohre dieser Art bestanden aus Beryllium,
innen Vakuum, außen waren große Mengen keramischer
Supraleitringe aufgefädelt. Also eine Art von
Permanentelektromagnet, der dafür sorgte, daß das
heiße Plasma niemals die Berylliumwandung berührte.
Das Antiwasserstoffplasma wurde durch einen Magnetfeldengpaß
gedrosselt und ebenso zum Spiegelfokus geleitet. Zwischen den
Enden der Magnetfeldrohre beulte sich das gemeinsame Feld zu
einem größerem Durchmesser aus, und dort war auch dann die
Zerstrahlungszone.
Die Sicht auf den Antiwasserstoffplasmatank wurde dadurch etwas
eingeschränkt, daß das Bussard-Ramjet-System dort seine
Ruhestellung hatte. Wie eine riesige Bauchbinde umgab ein
vierhundert Meter durchmessender Supraleitring das gesamte
Raumschiff.
Bild, Die R.P.Feynman im Gamma-Modus:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FB06.jpg Die Dicke des Ringleiters betrug etwa fünfzig Meter, er konnte
an vier hydraulischen Säulen nach hinten, sprich unten,
geschoben werden, soweit, daß er sechshundert Meter
hinter/unter dem Gammaspiegel zum Stillstand kam.
Graf Frederik von Hombug erinnerte sich deutlich an die
Betriebsanleitung. Zuerst würde man den Zerstrahlungsantrieb
zünden. Bei 30 % der Lichtgeschwindigkeit würde man ihn wieder
abstellen. Dann würde der Ramjet-Ring nach hinten/unten
gefahren. Das mehrere Kilometer große Magnetfeld des Ringes
hatte, wie das Feld jeder Stromschleife, in etwa
Sanduhrform.
Bild, Die R.P.Feynman im Ram-Jet-Modus:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FB07.jpg Das interstellare Wasserstoffplasma würde sich darin fangen und
durch eine fünfzig Meter durchmessende Fusionszone gepreßt
werden, und das mit 30 % der Lichtgeschwindigkeit. In der
hinteren Aufweitung des Feldes sollte also vorwiegend extrem
heißes Heliumplasma entweichen, was den Schub des Antriebes
verursachte.
Der komplizierte mechanische Aufbau dieses Doppeltriebwerks
erklärte sich dadurch, daß erstens der Ramjet-Ring dem
Gammaphotonentriebwerk im Wege gewesen wäre, zweitens der
Schiffsrumpf den Ramjet-Ring verstopft hätte und drittens der
Gammareflektor dann die Zusatzaufgabe übernehmen konnte, die
weiche Gammastrahlung der Kernfusion vom Restschiff
fernzuhalten. Dieses, im Deutschen auch als Staustrahltriebwerk
bezeichnete Antriebssystem, hatte zwei große Vorzüge.
Einerseits brauchte man keinen Treibstoffvorrat mitzuführen,
und andererseits wurde seine Schubleistung bei steigender
Geschwindigkeit immer höher. Es wurde dann ja auch mehr
interstellarer Wasserstoff durchquert.
Den Spitznamen ETS (Eternity-Thunder-Ship) hatten solche
Schiffe deshalb, weil der interstellare Wasserstoff von Ort zu
Ort unterschiedliche Dichte hatte und es daher ständig zu
Schwankungen in der Schubleistung kam. Oberhalb von 99 % der
Lichtgeschwindigkeit rüttelte und donnerte der gesamte
Schiffsrumpf wie bei einem Erdbeben. Das Wort Eternity bezog
sich natürlich auf die hohen Zeitdilatationswerte, die so ein
Schiff erreichen konnte. Um aber auch abbremsen zu können, war
es nicht nötig, das Schiff zu wenden. Durch eine Schaltung im
Ramjet-Ring wurde dem heißen Heliumplasma der hintere Ausgang
abgeschnürt. Es wurde dann schräg seitlich nach vorne
emittiert. Diese Feldform wirkte also wie ein magnetischer
Bremsfallschirm. Unterhalb von 30 % der Lichtgeschwindigkeit
allerdings mußte man vom Ramjet- auf den Gammaantrieb
umschalten und dann das Schiff wenden, um weiter bremsen zu
können.
Graf Frederik von Hombug erreichte in langsamem Flug die
Bugsektion dieser beachtlichen Konstruktion. Auch hier hatte
man sorgfältig auf supraleitende Magnetfeldabschirmung
geachtet. Es handelte sich um zwei vierzig Meter durchmessende
Supraleitringe, deren gemeinsame Achse aber quer zu
Flugrichtung stand. Andernfalls wäre es hier zu einem sehr
gefährlichen Ramjet-Effekt gekommen. Zwischen den also hochkant
stehenden Ringen waren wiederum vierzig Meter Abstand,
dazwischen befand sich auch die Kommandokapsel.
Bild, Die Bug-Sektion der R.P.Feynman:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FB08.jpg Wenn man mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch die
interstellare Materie donnert, dann trifft einen dieselbe
natürlich auch mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Da aber
die interstellare Materie auch neutrale Atome enthält, die
jedes Magnetfeld ignorieren, hatte man noch sieben
Ultraviolett-Laserprojektoren installiert, um die neutralen
Atome im Flugkorridor zu ionisieren. Diese UV-Laser waren an
der Spitze des Schiffes auf einer vierzig Meter durchmessenden
sechseckigen Gitterstruktur montiert. Sechs an den Ecken und
einer in der Mitte. Ein wesentlicher Anteil der
Stromreaktorleistung wurde von ihnen verbraucht.
Bild, Das Ram-Jet-Feld der R.P.Feynman:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FB09.jpg Oberhalb des Flüssigwasserstofftanks hatte man jene Fracht-
Container plaziert, welche ohnehin gekühlt werden mußten.
Das waren nicht nur die Lebensmittelvorräte, viel teurer war
die Gen- und Zellbank. Für die Besiedelung eines jungen
sterilen Planeten benötigte man die eingefrorenen Keimzellen
von einer großen Anzahl von Lebewesen.
In der nächst höheren Containeretage befanden sich daher auch
Inkubatoren zur Ausreifung dieser Keimzellen. Für den
menschlichen Nachwuchs gab es auch noch eine Anzahl Erziehungs-
und Lehrroboter. Das gesamte Wissen der Menschheit lagerte
verwendungsbereit in Form von holographischen
Speicherkristallen. Auch die zugehörigen Lesegeräte und
Computer hatte man nicht vergessen. Abgerundet wurde
diese Ausrüstung noch durch zehn Von-Neumann-Arbeitsroboter.
Alle Datenspeicher, Computer, Roboter und die gesamte
Bordinformatik basierten auf Photonenrechnern. Auf diese Weise
umging man elegant die gewaltigen elektromagnetischen
Störeinflüsse.
Graf Frederik von Hombug stand es natürlich frei zu
entscheiden, ob er nach der Gründung einer Kolonie bei dieser
bleiben wollte, oder ob er das Gammatriebwerk erneut zünden
würde, um aus der Vergangenheit wieder in unsere Gegenwart
zurückzufliegen.
Da Graf Hombug kein Kolonist war, war ihm klar, daß er so bald
wie möglich in seine eigene Zeit zurückkehren würde.
Sich selbst persönlich begegnen würde er sich in diesem Fall
aber nicht, denn er konnte sich an keine solche Begegnung
erinnern, und es gab nur eine einzige Vergangenheit im
Universum. Allenfalls würde er sich selbst aus größerer
Entfernung vorsichtig beobachten können.
Über so viel Phantasie hätten die Physiker nur milde gelächelt,
denn selbstverständlich braucht man zur lichtschnellen
Umrundung eines zweihundert Milliarden Lichtjahre großen
Universums die Zeit von zweihundert Milliarden Jahren.
Graf Hombug würde niemals den Ort seiner Abreise vor dem
Zeitpunkt seiner Abreise erreichen können. Die
Natur der Raumzeit selbst verhinderte dieses Zeitparadox.
In der dritten Etage dieses Frachtabteils befanden sich die
Hangars mit den Landungsbooten. Hier hatte auch Graf Hombug
seinen ZB-732-Jäger verankert. Dieser fiel in dem Dickicht von
Streben und Containern überhaupt nicht auf.
Am vorderen/oberen Ende dieses Raumschiffs war die zwanzig
Meter durchmessende Kommandokapsel montiert. Sie war
kugelförmig und wirkte im Vergleich zum restlichen Schiff
ziemlich winzig. Über ihr war die Gitterstruktur der UV-Laser,
links und rechts standen die beiden Supraleitringe der
Abschirmung, und unterhalb befanden sich dann die
Frachtcontainer, die sich quasi auf dem Flüssigwasserstofftank
stapelten.
Man hatte diese Kommandokugel kardanisch aufgehängt und für
einen tief liegenden Schwerpunkt gesorgt. Auf diese Weise würde
sie sich, ganz von selbst, immer nach den
Beschleunigungskräften ausrichten.
Das war besonders während der Ramjet-Bremsung nützlich.
Gegen den hohen Andruck hatte man Salzwasserliegewannen
installiert. Diese konnten auch gekühlt werden, was für den
künstlichen Winterschlaf nötig war.
In die kardanischen Aufhängungsringe hatte man
auch Stoßdämpfer integriert, um die Vibrationen des Ramjet-
Antriebs abzufangen. Den größeren Anteil an dieser Aufgabe
übernahmen aber die vier hydraulischen Säulen, die den Ramjet-
Ring festhielten. Selbstverständlich besaßen diese Säulen
auch ein eigenes Magnetschutzfeld.
Zusammengehalten wurde das gesamte Schiff durch ein Gitterwerk
aus Terkonitstahlstreben, haltbar bis zu zwanzig g
Beschleunigung, und jede einzelne Strebe besaß eine
Supraleitmagnetabschirmung gegen das interstellare Plasma.
Wie schon erwähnt, hatte das Schiff eine Länge von zweitausend
Metern, und das galt auch für die Längsträger.
Am unteren Ende hatte das Gitterwerk zweihundert Meter
Durchmesser, um den Gammareflektor zu halten, in der
Schiffsmitte vierhundert Meter. Dort waren die vier
Ramjethaltehydrauliken verankert und im Rumpf der
Antimaterietank. Am oberen Ende des Schiffes hatte das
Gitterwerk etwa fünfzig Meter Durchmesser, vorne war der
Ultraviolettlaser, seitlich die Interstellarplasma-Abschirmungs-
Magnetfeldringe und innerhalb die Kommandokugel.
Da das Schiff niemals in eine Planetenatmosphäre eindringen
würde, hatte man auf Verkleidungsbleche gänzlich verzichtet.
So konnte Graf Hombug auch viel besser die technischen Details
betrachten.
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