Sandra Mayr

Ein Mord wie jeder andere




Die Tür stand
einen Spalt weit offen. Nichts ungewöhnliches, kam schon öfters vor dass sie
vergaß die Haustür zu verriegeln. Er trat stillschweigend ein, kam ins
Vorzimmer, schaute links und rechts, sah sie aber nicht! „Schatz?“ rief er
fragend durchs Haus. „Wo bist du?“ Keine Antwort. Er ging weiter, bewegte sich
Richtung Küche. Eine leichte Unruhe überkam ihn.
Es fühlte sich
an als hätte ihm jemand in den Bauch getreten. Kalter Schauer lief ihm den
Rücken hinunter. Da lag sie. Blutüberströmt fand er sie vor. Auf dem Boden, den
Kopf zur Seite geneigt. Ihre langen blonden Haare waren rot, vom Blut gefärbt.
Sie fielen ihr ins Gesicht, sah schon fast schmutzig aus. Ihr Rücken war mit Stichwunden
übersäht. Kein Wort konnte er sagen, keine Bewegung konnte er machen, nur still
dastehen. Entsetzen machte sich breit, ein Gefühl von Nervosität das er nicht
abstellen konnte. Unruhe schlich sich heran. Er griff zum Telefon das neben ihm
auf dem Tisch lag. Wählte die Nummer der Polizei. Am anderen Ende gab sich ein
Mann zuerkennen, wahrscheinlich Polizist. Er berichtete dem Polizisten mit
zaghafter Stimme die Situation: „Meine Frau... sie... ist tot!“ Sein Blick
löste sich nicht von der Leiche seiner Frau. Mit zitternder Hand hielt er den
Hörer fest, gab seine Adresse durch. Er hörte kaum noch was der Polizist ihm
sagte, etwas von Ruhe bewahren. Er ließ den Hörer fallen und erhob ruckartig seinen
Blick. Er starrte auf die Küchenuhr, fixierte sie. Eine volle Stunde, 19:00
Uhr. Im Hintergrund hörte er noch wie der Polizist in den Hörer schrie, doch
für ihn zählte das jetzt nicht. Mit leichtem Atem und einem zaghaften Lächeln
blickte er nochmals auf die Leiche seiner Frau. Gleich würden sie da sein, er
konnte schon die Polizeisirenen hören. Obwohl sie noch so weit entfernt waren.

 

Der Wagen des
Inspektors Montesteur fuhr die Einfahrt hoch. Ein altes Auto, schrottreif, aber
das einzige, das ihm noch geblieben war. Alles andere hatte sie mitgenommen.
Egal, er hatte das Auto, und das war auch genug. Beim Aussteigen ächzte die
Lenkertür unter der Last der Jahre und schon von weiten sah er Stone, einen
kleinen rundlichen Polizisten. Nicht schwer durch seinen Körperumfang von
anderen zu unterscheiden. „Haben sie die Schrottkiste immer noch nicht entsorgt?“
rief Stone dem Inspektor zu, während er aufpassen musste nicht die Treppen
runterzufallen, da seine Waden sich auf Grund seines Gewichtes immer wieder aneinander
rieben.  „Nein, das Miststück von Karre ist
das Einzige was mich noch an meine Exfrau erinnert, sie ähneln sich so sehr!“
Ein schüchternes Lächeln von Stone. „Manchmal verstehe ich ihren Humor wirklich
nicht Herr Inspektor!“ „Müssen sie auch nicht. Was haben wir?“ entgegnete er
trocken. „Eine tote Frau, fünf Messerstiche im Rücken! Eine ziemliche Sauerei
kann ich ihnen sagen!“ Kopfschüttelnd huschte er dem schon weit vorausgehenden
Inspektor nach. „Wer hat sie gefunden?“ fragte dieser fast schon erschreckend teilnahmslos
ohne Stone auch nur eines Blickes zu würdigen. „Der Ehemann, Jake Irwing. Der bekannte
Bestsellerautor aus England. Das Paar lebte schon seit 12 Jahren hier in der
Gegend. Laut Nachbarn eine harmonische Ehe. Als wir ankamen saß er auf der
Veranda des Hauses, völlig verstört, wippte nur hin und her. Naja, verständlich
nach solch einem Anblick!“ Stone hatte Schwierigkeiten mit dem Inspektor
Schritt zu halten, keuchte überfordert hinterher. „Zeugen?“ fragte der
Inspektor während er das Haus betrat. „Nein, die Nachbarn haben ausgesagt, sie
hätten niemanden gesehen, jedenfalls niemand Unbekannten!“ „Was soll das heißen
Stone? Rücken sie schon mit der Sprache heraus, ich habe nicht ewig Zeit“,  sagte der Inspektor mit erhobener Stimme und
blickte dabei das erste Mal auf den rundlichen Kerl herab, der ihm kaum bis zu
den Schultern reichte. Dieser zuckte sichtlich zusammen. „Ähm,... die Nachbarn
haben nur den Ehemann gesehen, der um 15:00 Uhr das Haus verließ und um 18:30
Uhr wieder nach Hause kam.“ erwiderte Stone. Montesteur schaute ihn von der
Seite an. Dann ging er weiter, begutachtete das Innere des Hauses. „Haben sie
schon alles durchsucht?“ „Zum Teil, es waren keine Fingerabdrücke zu finden
oder sonstige Spuren. Der Täter hat sie wohl alle verwischt. Auch die Tatwaffe
haben wir noch nicht gefunden.“ Der Inspektor schüttelte ungeduldig den Kopf
und schnauzte Stone an: „Sagen sie mir wo der Ehemann ist und dann gehen sie
mir aus den Augen, ich kann ihre Visage nicht länger ertragen“ „Im Wohnzimmer
Herr Inspektor, im Wohnzimmer!“ antwortete der nun völlig eingeschüchterte Mann
und verschwand hoffnungslos in den 1. Stock, wo weitere Ermittlungen
durchgeführt wurden. Der Inspektor schaute Stone noch einen Moment nach wie er
die Treppe hinaufstolperte und begab sich dann in Richtung Wohnzimmer. Da sah
er ihn sitzen. Ein eher hagere Mann, schwarze Haare, auffällig lange Finger.
Eine starre Figur, die ihren Blick streng nach vorne richtete. Er verzog keine
Miene, es schien als hätten ihn seine Gefühle verlassen. Ein leichter Schauer
überkam den Inspektor trat dann aber doch näher. „Herr Irwing?“ tastete sich
der Inspektor langsam heran. „Ja?“ antwortete das magere Gestell auf der Couch.
„Inspektor Montesteur! Ich ermittle in diesem Fall.“ Der Inspektor hielt Irwing
seine Hand hin, doch außer eines scheuen Blickes wurde sie nicht gewürdigt.
Aufforderungslos setzte er sich dem Schriftsteller gegenüber, holte Notizblock
und Stift heraus und warf seinen Mantel auf den Boden. „So, ich darf ihnen doch
ein paar Fragen stellen oder?“ „Aber ja doch“, antwortete ihm sein Gegenüber
mir kalter und anteilsloser Stimme, nickte dabei leicht mit dem Kopf. Eine
Stimme die den so harten und unerschrockenen Inspektor schaudern ließ. „Ähm,...
ok, also, wo befanden sie sich in der Zeit zwischen 15:00 und 19:30 Uhr?“
Stille trat ein und der Inspektor wartete auf eine Antwort. Irwing saß
regungslos da und starrte in die Ferne, vorbei an den Inspektor. „Also, ich
kann mir vorstellen, dass es für sie sehr schwer sein muss Herr Irwing,
schließlich haben sie ihre Frau verloren, aber...“ „Das kann ich ihnen nicht
sagen“, antwortete der Schriftsteller mit ruhiger aber zugleich etwas ängstlicher
Stimme und drehte seinen Kopf nun dem Inspektor zu „Ich weiß es nicht mehr.“ Verdutzt
schaute Montesteur den Mann an und legte seinen Stift nieder. Für einen Moment
verschlug es dem so schlagfertigen Mann die Sprache. „Sie wissen es nicht
mehr?“ fragte er noch einmal nach. „Ich weiß es nicht mehr“, wiederholte Irwing
mit leiser Stimme, sah dem Inspektor dabei direkt in die Augen. Der Mann ihm
gegenüber verströmte ein Schaudern das Montesteur in sich zusammenzucken ließ.
Fast schon wie in Trance beobachtete er Irwing der seinen Blick nicht vom ihm
abwandte. Plötzlich kam Stone ins Wohnzimmer hereingestolpert. Mit schwitzender
Stirn näherte er sich dem Inspektor, dabei den Blick auf Irwing gerichtet, der
immer noch regungslos auf der Couch saß und die Hände im Schoß ineinander
gefaltet hielt. Stone flüsterte dem Inspektor etwas ins Ohr. Der erhob sich
sogleich von seinem Platz und eilte in den 1. Stock hinauf. Seine Schritte begaben
sich ins Arbeitszimmer von Irwing. Ein kleiner Raum, nur ein Tisch und Computer
befanden sich darin. Schon beim Eintreten bemerkte der Inspektor den
flackernden Monitor. „Lesen sie selbst, Herr Inspektor“, forderte Stone ihn auf
und zeigte in Richtung Bildschirm. Mit langsamen Schritten näherte sich Montesteur
diesem und begann zu lesen. Zeile für Zeile, dann noch ein Mal.
„Sie war zu
stark für Jake, erdrückte ihn unter ihrer Herrschsüchtigkeit! Er konnte es
nicht vollbringen. Er konnte ihr nicht sagen wo es lang geht, sie nicht zügeln
und nicht bändigen. Ich musste es für ihn machen, ich ganz allein. Jake war
schon immer so, war schwach. Er hat Glück, dass ich ihm zur Seite stehe. Sie
ist jetzt tot, und das ist auch gut so! Jetzt können wir endlich in Ruhe leben,
ohne ihre Unterdrückung!“
„Ein
Tagebucheintrag, heute um 16:00 Uhr“, las der Inspektor vom Bildschirm ab
„Irwing hat´s geschrieben!“ Stille trat wieder ein. Diese verfluchte Stille,
die der Inspektor nicht ertragen konnte. Und schließlich verspürte er sie
wieder, die Kälte von Irwing, der plötzlich in der Tür stand. Ein kalter Blick,
geradeaus auf en Monitor: „Jhon war´s“, entgegnete er den Polizisten „Er hat es
mir versprochen. Er wollte mich erlösen“ Erst jetzt bemerkte der Inspektor das
lange Küchenmesser in Irwings linker Hand. Es war von Blut getränkt, die
Messerspitze nach unten gerichtet. Irwings Blick war unerträglich, geradezu
furchteinflößend. Diese Ruhe die er wieder hatte, diese Kälte die er
verströmte. „Und er hat sein Wort gehalten“, erwiderte der Inspektor mit
beruhigender Stimme, die ihn selbst jedoch schon fast mitleidserregend vorkam.
Er drehte sich zu Stone, der die Lage noch nicht realisiert hatte. „Nehmen sie
ihn fest“, sagte der Inspektor mit leichter Stimme „Und rufen sie die
psychiatrische Abteilung an. Ich kenn mich mit Schizophrenie nicht aus!“  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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