Stephanie Schneider

Die Wölfe - 9. Das Bankett

„Du siehst klasse aus. Ich wusste nicht das du so eine schöne Uniform dabei hast.“ Tand war sehr beeindruckt von meiner schneeweißen Uniform mit goldenen Sticke­reien und den fünf Orden, die ich im letzten Jahr erworben hatte. „Hab ich auch nicht. Die Uniform habe ich mir gestern anfertigen lassen.“ Wir ritten auf unseren Pferden zum Palast. Auch die Tiere waren auf Hochglanz poliert und trugen ihr bestes Zaumzeug. Bevor wir den Bankettsaal betraten, holte ich noch einmal tief Luft. „General Oscar Francoir DeJarge in Begleitung von Tand Remolier.“ Die Königin begrüßte uns und bat mich um einen Tanz. Tand fand ebenfalls schnell eine Tanzpartnerin. Die Damen konnten sich kaum entscheiden ob sie lieber ihm oder mir den Hof machen sollten. Als der Tanz zu Ende war, suchte ich General Fujagan. Ich fand ihn auf dem Balkon, der bei keinem Saal fehlen darf. „Ich brauchte frische Luft, da drin ist mir viel zu viel los. Leider ist es meine Pflicht als General ab und zu an solchen Empfängen teilzunehmen.“, sagte er und blickte in den sternenklaren Himmel. Es war fast Vollmond. „Das kann ich sehr gut verstehen, General“, antwortete ich. „Für Sie ist es noch belastender, oder? All die Ladys die hinter Ihnen her sind. Wie gut das ich bereits ein alter Hase bin.“, lachte er und klopfte mir auf die Schulter. Er war wohl einer der wenigen Menschen, die wussten, dass ich eine Frau bin. Aber er erwähnte es nie. Für ihn war ich General Oscar, genauso wie es mein Vater für mich geplant hatte. „Was können wir wegen der Monster tun?“, fragte ich ihn und seufzte. „Wir könnten einen Feldzug unternehmen, versuchen alle Spinnen auszurotten, aber es würde uns die Hälfte der Soldaten kosten und die Biester würden wieder kommen. Nein Oscar, ich fürchte es wird eine schwere Schlacht werden.“, antwortete Fujagan und schloss die Augen. In seiner Jugend gab es sicher längst nicht so viel Monster wie jetzt. Warum gab es grade jetzt so viele von ihnen und so starke? „Ich habe ein Buch gelesen. Darin ging es um Dämonen, die halb Mensch und halb Wolf waren und hier in der Nähe wohnten. Sie halfen vor rund hundert Jahren den Menschen in Hotan vor bösen Dämonen.“ Der General sah mich fragend an. Ich wusste selbst nicht, warum ich dieses Buch in Zusammenhang mit der jetzigen Situation brachte, aber es war so ähnlich. Vor hundert Jahren drohten Dämonen die Stadt einzunehmen. Davon hatte mir mein Vater erzählt. Eines Tages waren keine Dämonen mehr da, niemand weiß wie und warum sie verschwunden sind. In dem Buch haben die Wolfsmenschen die Monster besiegt. Es war eine Legende, aber vielleicht auch nicht. „Möglich, mein Großvater erzählte mir davon. Er behauptete immer einen solchen Wolfsmenschen zu kennen, der ihn sogar manchmal besuchen kam, aber seit ich geboren bin habe ich nie etwas über diese Wesen gehört. Sie schienen mit den Monstern verschwun­den zu sein.“, erzählte Fujagan und sah den Mond an: „Er sagte mir bei Vollmond würden sie sich im Westwald versammeln und auf einem Felsen den Mond anheulen und damit die Dämonen daran erinnern verschwunden zu bleiben. Ich habe noch nie einen Wolf heulen gehört.“
Die Feier ging bis in den Morgen hinein und es wurde bereits hell als Tand und ich wieder im Rasthaus waren. Ich war deprimiert und vom vielen Tanzen sehr müde. Ich wäre gerne sofort in den Wald geritten, aber unter diesen Umständen wäre es Selbstmord, was Tand galant bestätigte. Er brachte mich in mein Zimmer und versprach mich noch vor dem Mittagessen zu wecken. Wieder schlief ich ohne Traum und wurde erst wach als Tand an die Tür klopfte. Das Essen war sehr gut, nur aus irgendeinem Grund kam es mir wie meine Henkersmahlzeit vor.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Stephanie Schneider).
Der Beitrag wurde von Stephanie Schneider auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Stephanie Schneider als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Die Fremde dämpft unseren Schrei von Garip Yildirim



Garip Yildirim ist ein Einwanderer der ersten Generation, der sein halbes Leben in Deutschland verbracht hat. Seine Gedichte leben aus den intensiven Bildern.
Während frühere Gedichte zum Teil auch sehr politisch waren, thematisiert dieser Band vor allem die Begegnung unterschiedlicher Personen und die Zerrissenheit eines Menschen zwischen den Kulturen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Spannende Geschichten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Stephanie Schneider

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Wölfe - 3. An der Fähre von Stephanie Schneider (Spannende Geschichten)
Sommerfest des Generalkonsuls der Republik Türkei von Norbert Wittke (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen