Mario Hedemann

Die Insel der Verlorenen - Teil 6

„Ich will nach Kiel und von dort aus mit der Fähre zu einer kleinen Insel,“ rief ich und schaute dabei aus dem Fenster.
 „Urlaub auf einer Insel zu machen, dass ist bestimmt genial,“ meinte Olaf. Dann war es still. Eine ganze Weile war es still und nur die Geräusche der Räder des Wagons waren zu hören, wie sie auf den Schienen rollten. Der Klang lies mich richtig ermüden und beinahe wäre ich wieder eingeschlafen, als die Tür aufgerissen wurde und der Schaffner herein kam. 
 „Guten Tag, die Fahrausweise bitte,“ sagte er mit einer lauten Stimme. Langsam ging der Schaffner weiter und schaute auf jeden Sitz in dem Abteil. Bei der Brünetten und den anderen Jungen Leuten (von denen habe ich während der Fahrt kein einzigen Laut gehört ) blieb er stehen und sagte erneut die: „Die Fahrausweise bitte.“
 Dann hörte ich das abstempeln des Tackers den der Schaffner  bei sich trug und wenige Sekunden später verschwand er durch die andere Tür, die zum anderen Abteil führte. Nun begannen auch die anderen sich zu unterhalten. Was sie genau sagten, verstand ich nicht und es war mir eigentlich auch egal. Ich hoffte nur, dass wir bald in Kiel sein würden. Mein Vorteil bei diesem Zug war, dass ich nicht Umsteigen brauchte. Ich konnte also die ganze Zeit auf meine vier Buchstaben sitzen und brauchte nichts zu tun. Der Schaffner kam schon wieder zurück. Er spazierte den Gang zwischen den Sitzen entlang und warf hier und da mal einen Blick hin. Dann verschwand er wieder durch die Tür, durch deren Scheibe ich ihn noch sehen konnte. Ich lehnte den Kopf wieder ans Fenster und sah hinaus.
Immer noch rasten Sträucher und Häuser an mir vorbei. Es ging so schnell, dass ich mir nicht mal in Ruhe die Häuser ansehen konnte. Sie waren im Nu an mir vorbei.
 Das Rattern des Zuges lies mich erneut in einer schläfrigen Phase sinken. Alles, die Geräusche und die Stimmen der anderen Leute hörten sich plötzlich weit entfernt an. Irgend jemand lachte, aber es war ein lachen, dass beinahe zweihundert Meter hätte entfernt sein können. 
 
 
 
 Loren hatte den Kaffeetisch gedeckt und rief mich zum Kuchen essen. Ich war gerade dabei, im Garten den Rasen zu mähen. Ich wollte mich beeilen, denn es sah sehr dunkel draußen aus und ich wusste nicht, wann ich noch einmal die Gelegenheit bekommen würde, den Rasen zu mähen, denn in den vergangenen Tagen hatte es ununterbrochen Geregnet. Loren stand an der Veranda und rief mich zum zweiten mal. Bei dem Lärm des Rasenmähers hatte ich sie das erste mal nicht gehört. Dann stellte ich den Rasenmäher ab und sagte: „Ja, ich komme gleich. Ich will nur noch den Rasen mähen.“ „Dann ist bis dahin nicht nur der Kuchen sauer, sondern ich auch,“ sagte sie und verschwand durch die Terrassentür.
 Drin saß ich im Wohnzimmer auf dem Sofa und starrte auf den schön dekorierten Tisch, auf dem unser bestes Kaffeeservice stand und leckerer Kuchen, der einen richtig Appetit anregen konnte. Loren hatte Servierten zu einer Herzform gefaltet und auf die Teller gelegt.
 „Ist das aber schön geworden,“ sagte ich mit einem Lächeln.
 „Soll doch auch was besonderes sein, oder?“ Ich nickte. In der Mitte des Tisches stand die Kaffeekanne. Ich nahm sie hoch und schenkte uns eine Tasse Kaffee ein. Loren setzte sich im Sessel mir gegenüber und ich hob meine Tasse Kaffee zum Mund und nahm einen Schluck. Dann nahm ich mir ein Stück Kuchen und kaute dann genüsslich drauf herum.
 „Schmeckt richtig gut,“ sagte ich.
 „Das soll es doch auch,“ sagte Loren mit einem leicht verführerischem Ton und lächelte mich an. Am Fenster machten sich die ersten Regentropfen bemerkbar und ich sagte nur: „Tja, jetzt brauche ich den Rasen auch nicht mehr zu mähen, jetzt ist es am Regnen.“
 „Mach dir nichts draus, Morgen scheint bestimmt wieder die Sonne,“ lächelte Loren. „Las uns doch in aller Ruhe Kaffee trinken.“                       
  
 
 
Irgendetwas stieß an meinem Kopf und in meinen Ohren stieg ein furchtbares quietschen. Die Bilder von dem Dekorativen Kaffeetisch und Loren verschwammen  vor meinen Augen und ich musste feststellen, dass ich ja im Zug nach Kiel saß. Das was an meinem Kopf gestoßen war, war die Fensterscheibe des Wagons gewesen, in dem ich mich befand. Wo ich doch gerade mit Loren im Traum zusammen saß und sie direkt vor meinen Augen hatte. Olaf und das Mädchen standen an der Ausgangstür und sahen zu mir hin.
 „Ich wollte dich gerade Wecken und Bescheid sagen, dass wir jetzt in Kiel sind,“ sagte Olaf. Verschlafen stand ich auf, holte meinen Koffer von der Gepäckablage über mir und gesellte mich zu den beiden.
 „Das ist das beste, was man auf einer Zugfahrt machen kann,“ sagte Olaf. „Schlafen und warten, bis die Bahn ein für teures Geld zum Ziel bringt.“
 Ich grinste ihn an und sah, dass wir jetzt einen Bahnhof erreichen mussten, denn überall vor mir, wenn ich nach Draußen sah, verzweigten sich die Schienen. Nach einigen Metern erreichten wir wirklich den Bahnhof. Es war der Kieler Bahnhof, denn auf einer Tafel hatte ich es lesen können, an der wir vorbeikamen und der Zug verringerte seine Geschwindigkeit deutlich. Wir fuhren langsam an einem Bahnsteig, auf dem die dort stehenden Menschen scheinbar schon auf den Zug gewartet hatten. Dann hielt der Zug an und wenige Augenblicke später öffneten sich die Türen. Olaf stieg zuerst aus und nach ihm folgte das Mädchen. Dann kam ich und ein paar andere Leute hinter mir.
 „Hier ist der Kieler Hauptbahnhof. Sie haben Anschluss mit dem Intercity über .... und ....nach Dortmund,“ hörte ich die Ansage im Bahnhof sagen. Die anderen Orte hatte ich nicht verstanden, nur bei den Namen Dortmund lauschte ich auf. Dieser Zug fuhr also nach Dortmund zurück. 
 Ich sah, wie sich die Menschenmengen in den Zug hineindrängten und ich  wäre am liebsten wieder mit eingestiegen und mit nach Dortmund zurückgefahren.
 „Tja,“ sagte Olaf. „Ich glaube, hier trennen sich unsere Wege.“
 „Ja, dass glaube ich auch,“ sagte ich mit einem Lächeln.
 „Haben Sie recht vielen Dank,“ sagte das Mädchen und reichte mir die Hand. Ich erwiderte ihren Händedruck und stellte fest, dass sie für eine so Zarte Hand einen erstaunlichen Druck hatte. Dann kam Olaf und gab mir ebenfalls die Hand.
 „Haben Sie vielen Dank, denn ohne Sie wären wir jetzt nicht hier.“
"Ist schon in Ordnung. Ich wünsche euch einen schönen Aufenthalt hier. Ich muss jetzt sehen, dass ich ein Taxi bekomme, dass mich zum Fährhafen fährt.“
 „Also dann,“ sagte Olaf, nahm das Mädchen bei der Hand und dann verschwanden sie die Treppe des Bahnsteigs hinunter.
 Nun stand ich da und meine Gedanken wanderten wieder zu Loren. Noch vor einigen Stunden war ich bei ihr und hielt sie in meinen Armen. Der Duft des Kaffees der aus der Küche ins Wohnzimmer drang, lag mir jetzt noch in der Nase.
 „Ach Loren,“ dachte ich. „Wenn ich doch bald wieder bei dir wäre.“

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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