Sandy Grosser

Die Macht der Zwerge - Zweites Kapitel

II

 

 Das geborgene Land
Mifurdania, Königinnenreich Weyurn
6241. Sonnenzyklus, Winter

 

 
Tosender Beifall erfüllte das Curiosum nach dem Rodario der Unglaubliche die Aufführung mit einem Feuerwerk an Sprache und Mimik seinem heroischen Ende zuführte. Die Spectatores sprangen vor Begeisterung von ihren Sitzen und erwiesen der Schauspieltruppe die Hochachtung, die alle Könige und Königinnen des geborgenen Landes vor Neid erblassen ließe. Blumengebinde wurden auf die Bühne geworfen und auch das ein oder andere Kleidungsstück fand sich vor den Füßen des Unglaublichen ein. Sein geübter Blick fand natürlich sofort die Herkunft der Kleidungsstückchen heraus.
In dem Moment, als die schweren Brokatvorhänge vor den Mimen zusammenschlugen, traf Rodario der Schlag. Es war Tassia, die ihn mit ihrem Requisitenschild am Hinterkopf erwischte. Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen und die Arme in die Hüften gestemmt, baute sie sich vor ihm auf. „Du unglaublicher Weiberheld. Ich dachte wir haben eine Vereinbarung.“ Mit einem beleidigten Gesicht und erhobenen Hauptes, wie es sich für den größten Mimen geziemt erwiderte Rodario: „Es ist meinerseits keine Vereinbarung gebrochen worden. Was ist nur in dich gefahren, liebste Tassia?“.
Blitzschnell fuhr Tassia´s Hand unter seinen aufwendig bestickten und mit Gold- und Silberfäden durchwobenen Mantel und zog ein seidenes Unterhöschen hervor. „Und was ist das?“ fragte Tassia, während sie ihn das Beweisstück vor seiner Nase hin- und herpendeln ließ.
Wie ein Kater um einen Topf heiße Milch schlich Rodario um sie herum. „DAS.., ist gar nichts. Herzallerliebste Tassia, sieh es als Trophäe unseres Erfolges. Die Spectatores lieben mich. Unter ihnen sind nun mal sehr viele jungen Frauen. Und damit zeigen sie ihre Begeisterung und Wertschätzung für die höchst anspruchsvollen Aufführungen die ich..., WIR ihnen darbieten.“
„Du bist unverbesserlich, Unglaublicher Rodario“ schmetterte sie Rodario entgegen, während sie ihm das „Corpus Delicti“ über den Kopf zog und schallend lachend aus dem Hinterausgang des Curiosums, zu ihrem Wohnwagen lief, um sich abzuschminken und umzuziehen. Sein lechzender Blick folgte dem grazilen Gang, der rythmisch schwingende Hüfte und dem wehenden blonden Haaren Tassia´s bis zu ihrer Unterkunft.
Ein leichtes Kichern erweckte Rodario aus seinen Gedanken und richtete seine Aufmerksamkeit auf eine kleine schmale Gestalt, die sich aus dem Zuschauerraum, an den Vorhängen vorbei, in den Halbschatten, hinter die Bühne geschmuggelt hatte.
Freundlich aber bestimmt begann Rodario die Person, nach seinem dreisten Auftreten zu Recht zuweisen, als er bemerkte das er noch immer das knappe Stückchen Stoff über seinen Kopf gestülpt trug. Mit einer eleganten Bewegung ließ er die hochachtungsvolle Gabe einer der Spectatore blitzschnell unter seinem Mantel verschwinden.
Nur einen Wimpernschlag brauchte Rodario, um seine Fassung wieder herzustellen und wollte gerade von neuem mit seinen Ausführen beginnen, als die Gestalt einen großen Schritt aus dem Halbschatten der Bühne auf Rodario zutrat und mit einer tiefen Verbeugung das Wort an ihn richtete.
„Großer, unglaublicher Rodario, gewährt mir großzügig eine kurze Audienz, um euch einen bescheidenen Vorschlag meinerseits vorbringen zu dürfen.“ Als Rodario die schmeichelnden Worte hörte, richtete sich sein Körper wie von selbst in eine herrschaftliche Position auf. ´Zumindest scheint er zu wissen, wie man jemanden meines Standes anspricht´ dachte sich Rodario und erwiderte: „Für die Anmaßung, die du mir zuteil kommen ließest, sollte sich dich eigenhändig auf die Straße werfen, aber deine Wortwahl hat mich neugierig gemacht. Also sprich schnell, meine Zeit ist kostbar.“
Als sich die Gestalt aufrichtete, viel Rodario ein leicht überhebliches Grinsen in seinem schmalen, fast schon knochigem Gesicht auf. „Ihr hört sicherlich täglich, wie sehr man euch bewundert.“ Begann die Gestalt seine Ausführung. Dabei schritt er, mit auf dem Rücken verschränkten Händen an Rodario vorbei und betrachtete interessiert die Bühnenkonstruktion. „Mein Name ist Turek, und es tut mir leid euch mitteilen zu müssen, dass es jemanden gibt, den ich noch mehr bewundere als euch.“ Rodario verschlug es die Sprache. So sehr er wollte, es kam kein Wort über seine Lippen. Turek fuhr fort: „Es hat mich tief getroffen, von den Entwicklungen um euren Magister Technicus erfahren zu müssen. Im Alter von sechs Zyklen hatte ich das große Vergnügen, Meister Furgas bei seiner Arbeit über die Schulter blicken zu dürfen. Ich war so sehr fasziniert von seinen Fertigkeiten, dass ich seit diesem Tage danach strebe, einmal in seine Fußstapfen treten zu können.“
„Pah“ kam es aus Rodario herausgeschossen.: „Niemand wird jemals die Perfektion dieses Genie´s auch nur annähernd erreichen können. Der Versuch allein grenzt schon an Gotteslästerung.“ Turek versuchte ihn zu besänftigen: „Ich weiß Herr Rodario, es ist unmöglich, sich mit dem Magister Technicus zu messen. Aber vielleicht könnte ich euch trotzdem eine Hilfe mit meinen bescheidenen Fähigkeiten sein.“ Rodario schaute etwas abwertend auf Turek herab.: „ Ach, da liegt der Hase im Pfeffer. Ihr seit auf eine Anstellung im Curiosum aus. Nun...“ Rodario tat so als musse er alles Für und Wider abwägen. Dabei war er sich im Klaren, dass das Curiosum dringend Hilfe auf technischen Gebiet benötigte, wenn nicht innerhalb von einem halben Zyclus, das gesamte Theater zu Staub zerfallen sollte.
Sein Gesicht heiterte sich auf, während er Turek seinen Vorschlag unterbreitete: „Ich werde dir die Möglichkeit geben, dich zu beweisen. Innerhalb eines Mondzyclus kannst du mir zeigen ob du es Wert bist, ein Mitglied des einmaligen Curiosums zu sein. Natürlich ohne Bezahlung. Du bekommst einen Platz zum Schlafen und eine warme Mahlzeit am Tag.“ Turek setzte ein zufriedenes Lächeln auf und schüttelte dem Unglaublichen die Hand. „Vielen Dank Herr Rodario, ihr werdet es nicht bereuen.“ Rodario dachte bei sich, ´Wenn er auch nur ein wenig technisches Verständnis aufbrachte und in der vorgegebenen Zeit das Curiosum auf Vordermann bringen könnte, hätte ich schon gewonnen. Egal ob ich ihn danach benötigen sollte oder nicht.´ Er brachte Turek zu den anderen der Truppe, um ihn vorzustellen und einer ersten Einweisung zu unterziehen.
  
 
 
Das geborgene Land
Graues Gebirge, Im Reich der Fünften
6241. Sonnenzyklus, Winter
 
 
Kraftvoll hüpfte der Hammer über den Amboss der kleinen Schmiede, die eigens für die Königin der Fünften eingerichtet wurde. Mit aller Macht versuchte der schwere Schmiedehammer den Willen des Eisen und die bedrückende Stimmung zu brechen. Jeden Schlag beantwortete der Rohling mit in alle Richtungen stobenden Funken, als würde er glühende Tränen weinen. 
 Zwei Umläufe schon, verbrachte Balyndis Eisenfinger in ihrer Schmiede. Die Esse brannte so heiß, dass es nicht der geringsten Anstrengung bedurfte, binnen kürzester Zeit im eigenen Schweiß zu baden. Balyndis stand, allein mit ihrer Lederschürze bekleidet am Amboss  und ließ ihre Verzweiflung durch den Hammer an dem Stück Eisen aus, welches einmal ein Stück einer Rüstung werden sollte. Armschiene oder Schulterklappe? Sie verlor seit einem halben Umlauf keinen Gedanken mehr daran, was sie zu Stande bringen wollte.
´Es hat ja doch keinen Sinn` dachte sie und warf das verunglückte Stück Eisen in den gusseisernen Wasserbottich neben der Esse. Das Eisen gab ein lautes Zischen von sich und der entstandene Wasserdampf verhüllte Balyndis wie Nebelschwaden, die sich im Frühling um die Bergkuppen schlängelten. Mit voller Wucht schleuderte sie den Schmiedehammer in die tiefste Ecke der Schmiede, der mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf etwas metallisches einschlug. Er traf auf den Schild, den Balyndis für ihren Gemahl, Glaïmbar Scharfklinge aus dem Clan der Eisendrücker, König der Fünften vor zwanzig Umläufen angefertigt hatte. Der aber zerbarst unter der Wucht des Aufschlages. Eigentlich hätte sie sofort beginnen müssen das Werk ihrer Zerstörungswut zu beheben, schließlich war der Schild als Geschenk für ihren Gemahl anlässlich des fünften Jahrestag seiner Krönung zum König der Fünften gedacht. Den Gedanken daran verwarf sie jedoch. Sie hängte sich den Mantel zum Bedecken ihrer Blöße um die Schultern und begab sich in ihre Gemächer, um sich vom Ruß und Schweiß der letzte zwei Umläufe zu befreien.
Ihr Unmut richtete sich keines Wegs gegen ihren Gemahl, vielmehr gegen den Clan des Königs und den seiner ehemaligen Gattin, die sie seit ihrer Rückkehr mit Missachtung straften. Sie alle ließen keine Gelegenheit aus, dem Herrscher über die Fünften einzureden, wie falsch seine Entscheidung gewesen sei,  den ehernen Bund mit Balyndis zu erneuern.
Glaïmbars Versuche, in dieser Angelegenheit zu schlichten, stießen jedoch zunehmend auf taube Ohren.
Auf den Gängen hatte Balyndis immer mehr den Eindruck, als würde sie von allen herabwertend angeschaut. Selbst ihre Bediensteten, die bei ihrem Eintreffen eilig Tücher und warmes Wasser  herbeischafften, schienen hinter ihrem Rücken zu tuscheln. Dass es sich nicht mehr nur um Verfolgungswahn handelt, hatte sie schon vor einigen Umläufen festgestellt, da sie mehrfach Gespräche belauscht hatte, in denen sie eindeutig abwertend erwähnt wurde. Höhere Würdenträger machten mittlerweile schon gar keinen Hehl mehr aus ihrer Ablehnung.
Balyndis fühlte sich alleingelassen und erniedrigt. Das selbst der König dieser Infamie nichts mehr entgegenzusetzen hatte, ließ die Leere in ihrem Herzen zusätzlich anwachsen und wirkte sich auch auf die Gefühle dem König, ihres Gemahls, gegenüber negativ aus. Insgeheim reifte in ihr der Gedanke, die Fünften, Ihren Gemahl und die Gemeinschaft der Zwerge zu verlassen. Doch wohin sollte sie gehen. Wer würde sich ihrer armen Seele erbarmen.
Schwere Faustschläge an die Zimmertür holten sie unsanft in die harte Realität zurück.
Auf Geheiß von Balyndis öffnete eine der Bediensteten die Tür. Mit einem überaus forschem „Der König wünscht dich zu sehen“ überbrachte Gorimbur Weißgluth aus dem Clan der Glutbläsers die Nachricht und ergänzte das Ganze mit einem „Sofort“. Ohne ein Wort des Grußes entfernte sich Gorimbur mit schnellen Schritten.
Balyndis wies ihre Bediensteten an sich zu entfernen und wendete sich ihrer Körperpflege zu. Kaum hatten die Zofen die Tür hinter sich geschlossen, versank sie erneut in den Gedanken, ob und wie sie ihrem goldenen Käfig entrinnen könnte.

Nachdem ich nun erfahren habe, dass für 2008 eine Fortsetzung der Geschichte geplant ist, macht es für mich leider keinen Sinn die Geschichte weiterzuführen. Dennoch bin sehr gespannt und freue mich schon auf den 4. Teil. Sandy Grosser, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sandy Grosser).
Der Beitrag wurde von Sandy Grosser auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Sandy Grosser als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Das Vermächtnis der Wolkenkrieger von Peter Splitt



War es wirklich Christoph Kolumbus, der Amerika als Erster entdeckt hat?
Genau diese Frage stellt sich der deutsche Abenteurer Roger Peters, als er den zunächst recht harmlos erscheinenden Auftrag übernimmt, im peruanischen Urwald nach einer versunkenen Stadt zu suchen.
Im Stillen hofft er während seiner Expedition entsprechende Beweise für seine Theorie zu finden. Fast schon zu spät erkennt er, dass ihm eine fanatisch-religiöse Gruppierung, sowie ein skrupelloser kolumbianischer Geschäftsmann auf Schritt und Tritt folgen. Welches Geheimnis verbirgt sich tatsächlich in den verlassenen Ruinen der Wolkenkrieger von Chachapoyas?
Welche Rolle spielt die undurchsichtige Sharone Rosenbaum, bei deralle Fäden im Hintergrund zusammenzulaufen scheinen…

Ein spannender Abenteuerroman, der hauptsächlich in der recht abgelegenen und bisher wenig besuchten Bergregion von Chachapoyas, Peru spielt, mit allen Mysterien der früheren prä-kolumbischen Hochkultur ( 1000 - 1400 nach Chr. ) sowie geschichtlichem Hintergrund

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fan Fiction" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Sandy Grosser

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Macht der Zwerge - Erstes Kapitel von Sandy Grosser (Fan Fiction)
Das fehlende “n“ von Rainer Tiemann (Wahre Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen