Mario Hedemann

Die Insel der Verlorenen - Teil 7

Quietschende Bremsen eines einfahrenden Zuges brachten mich wieder in die Realität zurück. Um mich herum tummelten die Menschen hin und her. Manche stiegen in den Zug ein, mit dem ich gekommen war und andere standen oder saßen nur da oder liefen einfach herum.
Ich schnappte meinen Koffer und ging die Treppe des Bahnsteigs hinunter.
Unten liefen die Menschen wie Ameisen verstreut herum. Fast jeder schien
es eilig zu haben. Ich dagegen konnte mir jetzt Zeit lassen, denn wie ich auf der Uhr auf dem Bahnsteig sah, hatte ich noch drei Stunden Zeit, bis meine Fähre ging. Ich ging also hinunter und suchte nach dem Ausgang des Bahnhofes. In weitern Ferne konnte ich ihn schon sehen. Menschenmengen strömten durch die riesige Glastür und im Eingangsbereich zogen sich links und rechts Lange Gänge, in denen sich einige Geschäfte befanden. Ich steuerte auf den Ausgang zu. Auf einer Bank lag jemand, der etwas heruntergekommen aussah und schlief.
Es schien diesen jemand gar nicht zu stören, dass sich die Menschenmengen
an ihn hin und herbewegten. Neben diesen jemand lag eine weiße Plastiktüte, aus der ein goldener Flaschenverschluss und ein halber Flaschenhals herauslugten.
Ich ging zum Eingang des Bahnhofsgebäudes und bewegte mich hinaus. Am
Eingang ging vor mir eine alte Frau mit einem kleinen Handgepäckwagen
gemütlich durch die Eingangstür. Meine Gedanken waren bei Loren und ich
überlegte noch, wie sie wohl aussehen würde, wenn sie mal das Alter der Frau vor mir erreicht hatte?
Vor dem Bahnhofsgebäude war genau so eine Menschenmenge wie innen drin und alle liefen wie arbeitende Ameisen hin und her.
Die alte bog nach rechts ab und ich musste erst einmal nach einem Taxi
Ausschau halten, dass mich zum Fährhafen fahren sollte.
Einige Meter weiter links von mir, sah ich einige Taxen stehen. Ich ging
also gemütlich dort hin und sah, dass gleich das erste Taxi noch keinen
Fahrgast hatte. Dem nach müsste es also frei sein. Auch von dem Fahrer war nichts zu sehen. „Vielleicht nahm der Fahrer irgendwo einen kleinen Imbiss,“ dachte ich.
Im zweiten Taxi saß ein älterer Herr, der gelangweilt den rechten Arm
aus seinem Fahrzeug hängen lies. Er erschrak leicht, als ich die Tür
öffnete und ihn fragte, ob er mich zum Fährhafen fahren könne. Er nickte und sagte nur; „Das ist nicht ganz billig, denn von hier zum Fährhafen sind
es einige Kilometer.“
„Das macht nichts,“ sagte ich und dachte nur an die Zweitausend Euro,
die ich mir von meinem Sparbuch abgeholt hatte. Eine menge Geld, dass ich
im Laufe der letzten drei Jahren zusammen gespart hatte. Und nun hatte ich
alles abgeholt, um mal so richtig Urlaub machen zu können, der mich von
meinem ständigen Alltagstrott weg bringen sollte.
Der Mann stieg aus und kam zu mir. Dann nahm er meinen Koffer, ging hinter seinem Fahrzeug und mein Koffer verschwand im Kofferraum. Zuletzt stiegen der Fahrer und ich ein.
Während der Fahrt sprach der Fahrer kein einziges Wort, sondern
konzentrierte sich, als lese er ein Spannendes Buch, nur auf den Straßenverkehr.
Der Taxameter zeigte schon sechs Euro an, obwohl wir noch nicht so lange
unterwegs waren. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis wir den Fährhafen erreichen würden und wie viel ich dann wohl dem mürrischen
Gesicht, dass mich Kutschierte, zahlen müsste?
Wie dem auch sei, ich begab mich in einer bequemen Lage in den Ledersitz
und ließ den mürrischen Fahrer Fahrer sein und schloss die Augen.
Was würde mich wohl erwarten? Wie groß war die Insel wirklich? Und was
würde ich überhaupt für eine Unterkunft bekommen?
Das waren alles Fragen über Fragen, auf deren Antwort ich schon sehr
gespannt war. Viereinhalb Stunden war ich mit dem Zug unterwegs, das machte mich auch schon etwas müde. Die Fahrt dauerte gar nicht so lange, wie mir der Kerl erst sagte, denn der Hafen lag fast hinter dem Bahnhof. Zehn Euro waren es nachher.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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