Gaby Schumacher

Nebelkinder

 

Schwade, die Nebelfrau, unternimmt mit ihren Kindern Dampfi und Grauchen den ersten Ausflug. Die Drei lassen sich von Wehe, dem Windmann, sanft über die Landschaft schieben. Der Windmann ist Schwades bester Freund und geht deswegen mit den beiden Kleinen sehr rücksichtvoll um. So hütet er sich davor, etwa aus Übermut aufzubrausen, sondern streift nur als laues Lüftchen über die Erde. Nicht, dass die Beiden noch Angst vor ihm bekommen. Schließlich soll ihnen diese Kurzreise Spaß machen.

Neugierig luken Dampfi und Grauchen auf die ihnen noch völlig fremde Welt der Menschen. Vor Aufregung verlieren sie ab und zu ein paar Tropfen. Die Wiese unter ihnen genießt diese unerwartete Erfrischung sehr. Aber Mutter Schwade ermahnt ihre Kleinen:

„Passt ein wenig besser auf. Ihr wollt doch mal ein anständiger Nebel werden. Das Durchnässen der Erde überlasst Tante und Onkel Regen.“

 Erschrocken reißen sich die zwei Nebelkinder am Riemen. Ihr ganzer Ehrgeiz liegt darin, alles richtig zu machen.
„Und“, mahnt Wehe Windmann eindrücklichst, „haltet euch auf jeden Fall weit fern von der Sonne!“

„Sonne??“, fragen die Beiden verwirrt.
 „Sie ist der rote Feuerball, der an manchen Tagen der Erde mit seinen rot-goldenen Strahlen der Erde eine schlimme Hitze beschert. Kommt ihr der Sonne zu nahe, löst ihr euch auf, vergeht und werdet zu unsichtbaren Teilen des Himmelszeltes.“
 Mit Entsetzen haben die beiden Kleinen dem Windmann gelauscht und beschließen, sich vor der grausamen Hexe Sonne ganz doll in Acht zu nehmen.
  
Mutter Schwade sieht das Erschrecken in den Augen ihrer Kinder und tröstet sie:
„Ihr verschwindet ja nicht für immer. Sobald auf der Erde die Kälte einbricht, werdet ihr aufs neue die Welt der Menschen besuchen.“
  
Dampfi und Grauchen bewahren die Ermahnungen in ihrem Herzen und schweben als sanfte Mini-Nebelfelder deshalb gehorsamst neben ihrer Mutter her. Wehe ist begeistert:
„Schwade, du kannst wirklich stolz sein. Die Beiden werden bestimmt einmal echte Super-Nebel!“
 Mutter Schwade haucht:
 „Danke, Wehe!“
 Ein leichtes, geheimnisvolles Lächeln liegt um ihren Mund:
 „Und du unterstützt sie so nett dabei. Einen besseren Freund als dich kann ich mir nicht wünschen!“
 Diesmal ist es der Windmann, der sich ganz furchtbar zusammennehmen muss, um da nicht vor lauter Freude kräftig loszublasen.

Dampfi und Grauchen haben von diesem Gespräch überhaupt nichts mitbekommen. Sie  sind eifrigst damit beschäftigt, all die neuen Eindrücke in sich aufzunehmen und wissen gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollen. Es ist ja alles, wirklich alles neu für sie.

Der Nebel liegt inzwischen als ein milchig-weißer Schleier auf den Häusern und der umliegenden Landschaft. Er taucht alles in ein eigenartig unwirkliches Licht.

Dampfi wird ganz nachdenklich:

 

„Mama, mögen uns die Menschen eigentlich?“
 Mutter Schwade überlegt einen kurzen Moment, denn auf diese ernste Frage ist sie nicht vorbereitet.
 „Kleines!“, antwortet sie dann. „Einige ja, viele wiederum nicht.“
  
„Aber wieso denn nicht?“
Mutter Schwade seufzt.
 „Oft wandern wir ihnen als dichte, undurchdringliche Nebelwand entgegen, verschlucken ihre Städte wie auch die umliegende Landschaft, alles wird unsichtbar. Diejenigen Menschen, die sich draußen aufhalten, finden sich nicht mehr zurecht. Sie fürchten sich in ihrer Hilflosigkeit uns gegenüber und so werden wir in ihrer Fantasie zu Monstern, die nur darauf aus sind, ihnen Böses anzutun.“
 Dampfi und Grauchen sind sehr traurig .
  
Doch plötzlich hellt sich Grauchens Miene etwas auf. Ihm ist nämlich ein tröstlicher Gedanke gekommen:
„Mama, du hast vorhin gesagt, dass es aber auch welche gibt, die uns mögen!“
Ein wenig stolz antwortet Schwade:
 „Ihr Zwei seid hauchzarte Nebelgebilde. Hüllt ihr auf eure sanfte Weise Stadt und Land ein, schenkt ihr den Menschen für Minuten, Stunden oder auch Tage eine Märchenwelt. Sie vergessen den mühevollen Alltag, erträumen sich sanfte Fabelwesen und in ihren Köpfen entstehen Geschichten, in denen sie von uns schwärmen."
  
„Geschichten, Mama??“
Dampfi und Grauchen rücken nah zu ihrer Mutter, schweben still auf ein- und derselben Stelle und hören gebannt zu.
„Märchen, die sie ihren Kleinen erzählen. Manchmal schreiben die Menschen diese sogar auf und die älteren Menschenkinder lesen sie dann mit großem Vergnügen.“ „Und dann haben sie uns lieb!!“, ergänzt Grauchen froh und strahlt zuerst seine Mutter, dann Dampfi an.
 Mutter Schwade lächelt zurück. Sie schweigt.
 
Eine kurze Weile hängen die Drei still für sich ihren Überlegungen nach. Danach aber sehen sich Dampfi und Grauchen ernst an. Sie wissen, dass sie das Gleiche denken und sagen es dann auch:
„Wir wollen niemals solch` böse Nebel werden!!“

Sie zärtlich einhüllend, nimmt Mutter Schwade die Kleinen gerührt in ihre Arme.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

  

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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