Margarete Hennicke

Ich wachse

Ich bin in dem engen Mutterleib, von Wasser umgeben. Ich liege nicht sehr bequem, ich schwimme oder schaukle in tiefer Dunkelheit. Ich will raus, ans Licht. Ich fange an zu stoßen und zu rempeln. Als ich kaum noch Kraft habe, werde ich schmerzhaft durch eine Enge ins Licht gestoßen.
Was ist passiert? Ich schreie!! Alles ist anders.

Nun lebe ich. Ich komme an die warme Brust, kann nach Herzenslust nuckeln und satt werde ich auch.

Ich wachse und wachse.
Ich kann krabbeln und lachen. Wenn es um den Po herum naß und klebrig wird, werde ich in trockene Windeln gelegt. Natürlich frisch geputzt.

Ich wachse und wachse.
Ich werde in die Schule gebracht, muss lernen wieviel 1+1 ist, wie man Mama und Papa schreibt und noch Vieles mehr.

Ich wachse und wachse.
Langsam bin ich kein Kind mehr. Ich bekomme Busen und trage meine langen blonden Haare nun nicht mehr zu einem dünnen Zöpfchen geflochten.

Ich werde reifer und reifer.
Ich habe einen Freund – und noch einen, und später dann, als das Herz ganz toll pocht, einen Ehemann. Wir sind so oft es geht in einem Garten der verwildert ist. Ich bin Dornröschen und mein Mann der Prinz. Er muss mich immer wieder wach küssen. Ein schönes Spiel. Wir liegen in einer Senke, von Büschen umgeben, fest aneinander geschmiegt. – So muss es im Bauch meiner Mutter gewesen sein.

Die trockenen Zweige pieken. Aber kleine zarte Blattspitzen sprießen  schon hervor. Es ist warm. Der Frühling sagt sich an. Ein Marienkäfer setzt sich auf meinen Arm und wir pusten ihn sanft weg. Wir bringen Vogelhäuschen, selbst gezimmert, an den Bäumen an. Der Flieder hat viele Knospen. Ich bin voller Neugier und Vorfreude auf den Duft. Er ist so einmalig, so süß.

Wir umarmen uns vor Glück und sind dankbar, dass uns Mutter Natur das alles schenkt.

Die Vögel beginnen Nester zu bauen. Immer wieder müssen sie etwas aus – oder verbessern. Wenn die Jungen dann aus den Eiern schlüpfen, sollen sie es bequem haben und sicher sein.
Ich werde nun auch bald Mutter. Mein Baby wird dann, nach glücklicher Geburt, auch in einer selbst gezimmerten Wiege liegen und auch in diesem verwunschenen Garten. 

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