Mario Hedemann

Kais Schicksal

Kai stand vor dem Fenster und beobachtete gelangweilt den Regen, der an die Scheibe klopfte.

„Wenn ich mir das Wetter draußen ansehe, dann überfällt mich ein müder Schauer eine Trägheit, die mich direkt in den Schlaf bringen könnte. Wir haben Hochsommer und seit zwei Wochen herrscht hier dauerregen.“

Auf den Rasen und in den Blumenbaracken bildeten sich allmählich kleine Seen, dessen Wasser von den Regentropfen beunruhigt wurde.

Kai’ s jüngerer Bruder Ralf saß, wie so oft, in den großen Ohrensessel seines und hörte den langweiligen Geschwafel zu.

Kai war schon immer ein Langweiler gewesen und außer seinen Bruder hatte er kaum einen anderen Menschen bei sich.

Kai war der reichste Mann in dieser Gegend und besaß einen großen Gutshof, den er sich vor drei Jahren gekauft hatte. Er besaß das Geschick, anderen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Sein Bruder war stumm und tänzelte oft bei Kai herum und bot mit Gesten seine Hilfe an.

Ralf war ein talentierter Maler, was die Leute im Dorf schätzten. Er war schnell im malen und seine Bilder glichen schon beinahe einem Foto.

„Weist du,“ sagte Kai. „Ich bin der Meinung, ich habe es in meinem Leben zu etwas gebracht, während du dich auf Sprachschulen herum getrieben hast. Na schön, dafür malst du wunderbare Bilder, die ich nie hinbekommen würde. Ich verstehe nur etwas als Garten ingeneur.“

Ralf erhob sich mit einem Grinsen im Gesicht aus dem Ohrensessel, ging zur Tür und winkte seinen Bruder mit dem Kopf zu sich.

„Was ist?“ fragte Kai.

Wieder deutete Ralf mit dem Kopf. Hinter der Tür lag ein langer Gang, an deren Ende sich eine Treppe befand, die nach unten führte. Hier Oben befanden sich weitere Türen links und rechts, hinter denen sich Teilweise leere Räume befanden.

Ralf ging die Treppe hinunter, gefolgt von seinem Bruder, der wie ein Schlafwandler hinter ihn her taperte.

Vor einiger Zeit hatte Kai Ralf einen Raum für seine Malerei gegeben, da er in seiner kleinen Wohnung in der Stadt keinen Platz dafür hatte. Vielleicht wollte Ralf ihn jetzt sein neues werk zeigen.

In diesem Teil des Erdgeschoßes gab es nur zwei Türen. Die eine führte nach Draußen. Hinter der anderen war Ralf sein Arbeitszimmer. Er öffnete die Tür, während sein schläfriger Bruder noch damit beschäftigt war, die letzten Stufen hinab zu steigen.

Das Arbeitszimmer war groß und trotzdem der Himmel mit Wolken behangen war und andere Räumlichkeiten der Villa in schwarze Höhlen verwandelte, so fiel hier, durch die großen verschwenderischen Fenstern, von denen es zwei Stück gab, helles Licht herein. Es war wichtig für Ralfs Malerarbeiten.

An den Wänden hingen überall selbst gemalte Bilder von Ralf und jedes zeigte irgendein Haus aus der Stadt. Ralf kopierte seine Bilder immer und schenkte die Kopie dem Eigentümer der Häuser.

In der Mitte des Raumes stand eine Staffel, auf der sich ein Bild in Anfertigung befand.

Kai stand davor und betrachtete das halbfertige Werk.

„Was wird das, wenn es fertig wird?“ fragte er schläfrig.

Ralf fuchtelte mit den Händen, hob die Arme hoch und drehte sich dabei im Kreis.

„Ah, du willst also mein haus malen?“ fragte Kai.

Ralf nickte.

Das Bild stellte den Pferdestall da und das haus in Anfertigung. Der Hof war schon fertig gemalt.

Kai betrachtete das Bild und stellte plötzlich fest, dass eine Gestallt am Pferdestall unter der Linde stand.

Sie schien zu winken. Sie war kaum zu erkennen.

„Ralf, wer ist das?“  wollte Kai wissen.

Ralf sah auf das Bild doch er stellte nichts außergewöhnliches fest. Er schüttelte den Kopf.

„Aber du musst doch etwas sehen. Da die Gestallt bei dem Pferdestall.“

Ralf schüttelte erneut den Kopf.

„Na, wie dem auch sei. Für heute war’s das für mich. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht Ralf.“

Ralf war verwirrt, dass sein Bruder jetzt schon schlafen ging. Es war doch erst sechs Uhr Abends und normaler Weise, ging er gegen zehn ins bett. Vielleicht fühlte er sich ja nicht ganz Gesund.      

Ralf ging schnappte sich seine Farbtafel, einen Pinsel und arbeitete an dem Bild weiter.

 

 

 

Der nächste Morgen brachte strahlenden Sonnenschein. Die Vögel zwitscherten ihre Melodien vor sich hin. Ralf stand wieder an seinem Werk und arbeitete, als sein Bruder herein kam und ein „Morgen,“ brummte. „Sag nicht, dass du hier die ganze Nacht gemalt hast.“

Ralf schüttelte den Kopf, aber sein Bruder bemerkte, dass das Bild fast fertig war.

Die Gestallt am Pferdestall hatte sich ein wenig verändert. Sie war bald deutlicher zu erkennen als am Vortag. Dennoch reichte es nicht aus, um sagen zu können, wer diese Gestallt da stellen sollte.

„Ralf,“ rief Kai und machte eine kleine Pause, bevor er fort fuhr. „Erzähl mir nicht, dass du diese Gestallt nicht siehst,“ meinte Kai mit scharfen Ton und zeigt mit dem Finger auf den Pferdestall.

Ralf erkannte gar nichts und schüttelte mit dem Kopf.

Kai ging hinaus und verbrachte den Tag damit, in seinem Ohrensessel zu sitzen und zu lesen.

Das Essen musste er sich heute selber machen, denn er hatte dem Dienstmädchen ein paar Tage frei gegeben. Ralf war an seinem Werk beschäftig.

 

 

 

Das Bild war nun komplett fertig, als Kai das Arbeitszimmer seines Bruders betrat. Ralf war in die Stadt zum Einkaufen gefahren. Kai trat näher an das Bild heran und starrte es an.

Plötzlich wich er erschrocken zurück. Die Gestallt am Pferdestall bewegte sich und winkte ihm zu. Eine kleine lebende Figur, die ihm zuwinkte.

Kai stieß einen Schrei aus und wollte hinaus laufen, stellte aber fest, dass die Tür verschwunden war. Als er zum Fenster laufen wollte, kreuzte noch einmal ein rascher Blick das Bild. For den Fenstern befanden sich Gitterstäbe, die Kai vorher nie wahrgenommen hatte.

Schreiend nach seinem Bruder, sackte Kai zu Boden und vergrub sein Gesicht in seine Hände.

 

 

 

Wie lange er so da hockte, wusste er nicht, aber eines war merkwürdig. Ein Vogelgesang drang in seinen Ohren. Langsam nahm er die Hände vorm Gesicht weg und blickte sich um.

Alles kam ihm bekannt vor. Neben Kai stand eine Linde und der Pferdestall.

Es war ihm, als habe er geträumt und ist nach hier her Schlafgewandelt.

Wie komme ich denn Plötzlich hier hin?“ fragte er sich. „Das ist doch nur ein Traum. Wie komme ich hier her?

Kai warf einen Blick nach oben und stellte etwas ungewöhnlich großes am Himmel fest. Es waren zwei, ihm sehr bekante, Köpfe. Wie ein riesiges Bild am Himmel. Im Hintergrund konnte er eine Tür erkennen. Der eine Kopf gehörte Ralf. Der andere war sein eigener.

Die Köpfe kommunizierten mit einander und bewegten sich hin und her, doch was sie sagten, konnte Kai nicht hören. Sie waren lautlos.

Er erhob sich aus seiner hocke und wollte davon laufen, stellte aber plötzlich fest, dass er sich nicht bewegen konnte. Er wollte sich die Schuhe ausziehen, aber stellte erschreckend fest, das er Barfuss im Gras stand und nicht weg kam. Endsetzt starrte er zu Himmel, wo die zwei Köpfe miteinander Plauderten. Wie ein Stummfilm auf einer überdimensionalen Leinwand        

Sah das Schauspiel aus.

Kai stieß einen Schrei aus und dann stand er stumm und unbeweglich da, für immer.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Meine Gedanken bewegen sich frei von Andreas Arbesleitner



Andreas ist seit seiner frühesten Kindheit mit einer schweren unheilbaren Krankheit konfrontiert und musste den größten Teil seines Lebens in Betreuungseinrichtungen verbringen..Das Aufschreiben seiner Geschichte ist für Andreas ein Weg etwas Sichtbares zu hinterlassen. Für alle, die im Sozialbereich tätig sind, ist es eine authentische und aufschlussreiche Beschreibung aus der Sicht eines Betroffenen.

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