Seit zwei Jahren besaß ich meinen Graupapageien Kalli. Und stets hatte der sich in der Zeit nach Mittag ruhig verhalten. Dann plötzlich die Katastrophe, ein furchtbares Gekreische. Ich sprang aus dem Bett und hastete in den Garten zur Voliere.
Kalli linste äußerst erregt zur Terrasse der Müllers. Dort stand der Vogelkäfig mit dem Wellensittich Pieps, der ebenfalls zeterte. Vor drei Jahren war sein Vorgänger von einem unbekannten, streunenden Kater verspeist worden. Die Müllers hatten sich gleich danach Pieps angeschafft, trauten sich aber erst jetzt, ihn herauszustellen, an diesen wunderbaren Platz zwischen all den blühenden Pflanzen.
Ich ermahnte Kalli: „Halt endlich den Schnabel. Du weckst ja die ganze Nachbarschaft auf. Hast du etwas gegen Pieps? So eine halbe Portion ist doch keine Konkurrenz für dich. Also reiß dich zusammen!“ Aber Kalli hörte nicht auf mit dem Radau. Auch der Foxterrier Schnauz von Frau Krawutke gegenüber stimmte in das Konzert mit ein und sprang ungestüm gegen sein Sicherheitsnetz, das am Balkon montiert war. Natürlich überstimmte mein Kalli sie alle. Das bemerkte auch Frau Krawutke, und sie stürzte prompt aus ihrer Seitentür auf mich zu. Ihre rotgefärbten Haare standen wie elektrisiert ab. Und dieser bauschige Mopp kam zunehmend ins Schwingen bei jedem ihrer kräftigen Schritte. Der Gartenzaun bremste schließlich diesen Fettleib im schäbigen Morgenmantel. Ihr Pfannkuchengesicht war blaurot angelaufen.
„Stellen Sie ihren dusseligen Papageien endlich ruhig. Meinen Schnauz hat er schon ganz verrückt gemacht.“
„Ihr blöder Köter hat meinen Kalli provoziert!“ Innerlich war ich mir aber nicht sicher, ob Kalli Pieps akzeptierte. Denn bevor der dastand war Kalli ruhig gewesen. Frau Krawutke drohte mit gerichtlichen Konsequenzen.
Dann am nächsten Tag das gleiche Theater zur gleichen Stunde. Ich flitzte hinaus und gab diesmal einen Schuss aus meiner Signalpistole ab. Danach herrschte Totenstille. Als tags darauf das Tohuwabohu sich wiederholte, entschloss ich mich, mit Kalli in die hiesige Kleintierarztpraxis zu einem Beratungsgespräch zu gehen. Zu meiner Überraschung traf ich Frau Krawutke im Wartezimmer. Ihr Foxterrier hatte sich vermutlich bei den hitzigen Sprüngen in das Sicherheitsnetz die linke Vorderpfote verletzt und hinkte leicht. Grimmig starrte die Krawutke auf Kalli, der friedlich in seiner Transportbox vor sich hin schnäbelte. Ich wehrte mich mit bösen Blicken, die ich auf Schnauz abfeuerte. Frau Krawutke war mit Schnauz vor mir an der Reihe und kam mit einer Packung und einer Salbendose aus dem Behandlungsraum. Die Packung war mir bekannt. Es handelte sich um ein Beruhigungsmittel.
Mir gab der Tierarzt auch ein spezielles Sedativum für Kalli. Eine halbe Stunde vor Anbruch der Mittagsruhezeit sollte ich es ihm verabreichen. Aber ich redete mir ein, dass Krawutkes Schnauz die neue Situation der Anwesenheit von Pieps in Panik versetzte und Kalli eben darauf reagiere. Vielleicht wollte er Pieps sogar in Schutz nehmen. Doch dies hielt der Tierarzt für unwahrscheinlich. Jedenfalls gab ich meinen Graupapageien keine Medizin. Es reichte doch, wenn Frau Krawutke Schnauz welche schlucken ließ.
Frau Krawutke musste auch so gedacht haben, nur mit dem umgekehrten Ergebnis, was den Tumult-Auslöser betrifft. Und mit unverminderter Lautstärke durchbrachen Schnauz und Kalli erneut die Mittagsruhe. Selbst Pieps machte sich deutlicher bemerkbar als sonst. Und es hörte sich an, als wenn in seiner Nähe irgendetwas umgestoßen wurde. Dann ein langer klagender Schrei.
Ich sprintete hinaus. Frau Krawutke kam mir schon auf ihrer Seite des Gartenzaunes laut fluchend entgegengaloppiert. Sie schwang ihre feisten Arme wie Keulen: „Ich werde Ihrem Kalli das Genick umdrehen. Denn jetzt ist endgültig die Schmerzgrenze erreicht.“
„Und ich werde Ihrem Schnauz das Fell abziehen!“
Plötzlich aber tauchte Frau Müller zwischen den Sträuchern auf. Na, noch eine, die sich beschweren will, glaubte ich. Doch sie lächelte: „Ich danke euch Nachbarn. Kalli und Schnauz haben meinen Pieps soeben das Leben gerettet. Bei ihrem Rabatz bin ich sofort nach draußen auf die Terrasse gerannt. In diesem Moment wollte ein riesiger Kater auf den Tisch springen. Dann sah er mich und rutschte vor Schreck ab. Das war sein Ende, denn er fiel in die Tonne mit dem vorbereiteten Flüssig-Mooskiller, mit dem ich heute noch meinen Steinplattenweg freiätzen will.“
„Ja“, erwiderte Frau Krawutke, und blinzelte mich ein wenig unterwürfig an: „Der Kater muss sich hier schon die letzten Tage herumgetrieben haben. Ich habe mir gleich gedacht, dass Kalli nicht ohne triftigen Grund Krach macht. So ein Papagei ist schließlich intelligent.“
„Naja“, brummte ich gelangweilt, ging ins Haus und bettete mich für einen tiefen, ruhigen Mittagsschlaf.
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