Carrie Winter

Lovestory

Es ist keine Liebe. Es ist Abhängigkeit. Er braucht meinen Körper, ich brauch seine Anwesenheit. Wahrscheinlich können sie sich nicht vorstellen, das ein Mensch sich freiwillig jede Nacht misshandeln lässt. Wobei das Wort `freiwillig` ein Witz ist. Es ist auch keine richtige Vergewaltigung. Am besten ich beschreibe ihnen mal einen ganz normalen Abend bei uns.
Er kommt ins Zimmer und sagt, das er mit mir schlafen will. Ich sage, das ich nicht will.
Er sagt, das es ihm egal ist. Dann fängt er an, an mir rumzufummeln und mir die Klamotten auszuziehen. Ich wehr mich ein bisschen, er schlägt mich, ich bin still. Er reißt mir die Beine auseinander und...
Ich nehme an, das sie jetzt genug wissen. Kommen wir zu der Frage, die sie wahrscheinlich am meisten interessiert, warum halte ich das aus. Es wäre falsch zu sagen, das ich mich daran gewöhnt hätte. An so etwas kann man sich nicht gewöhnen. Nein, es ist eher so wie bei einer Prostituierten. Er ist ein Freier, der Sex will. Ich bin eine Nutte, die ihm das gibt.
Dafür bleibt er bei mir, hört mir zu und geht mit mir aus. Verstehen sie, ich brauche das.
Ich würde die Einsamkeit nicht aushalten. Es würde mich umbringen. Er ist mein Überlebensmittel. Und ich bin seins.
Es geht ihm nämlich nicht nur um Sex. Er braucht Gewalt, er muss die Angst in den Augen seines Opfers sehen. Er ist ein kranker Sadist, der nie darüber hinweggekommen ist, das er in seiner Kindheit selbst misshandelt wurde. Aber wenn er einfach auf die Straße hinausgehen würde und eine Frau zum Sex zwingt, dann könnte er ins Gefängnis kommen. Also spiele ich jede Nacht sein Opfer.
Was denken sie jetzt? Das wir beide krank ist? Wissen sie, ich war einmal so normal wie sie.
Ich hatte Freunde, die ein oder andere Beziehung und Spaß am Sex. Bis zu dem Tag, an dem ich versuchte, mich umzubringen. Ich weiß selbst nicht genau, warum ich es tat.
Ich war betrunken und schwelgte in Selbstmitleid, weil meine Eltern schon wieder stritten.
Na ja, wie sie sehen, wurde ich gerettet. Aber nach diesem Tag war nichts mehr so wie früher.
Meine Eltern wussten nicht, wie sie mit mir umgehen sollen und versuchten, so wenig Kontakt wie möglich zu haben. In der Schule galt ich als verrückt und meine Freunde wandten sich von mir ab. Ich begann schließlich irgendwann eine Therapie und es schien sich alles wieder langsam zum Guten zu wenden. Doch dann traf ich ihn. Und unsere Beziehung fing an. Ich brach die Therapie ab und interessierte mich auch nicht mehr für meine neuen Freunde. Er reichte mir vollkommen aus. Wir genügten uns. Wir brauchten keine anderen Menschen. Wir isolierten uns total , machten uns dadurch vom anderen abhängig und merkten es nicht mal. Und so ist das bis heute geblieben. Er bewahrte mich vor dem durchdrehen und ich sorgte dafür, das er nicht in den Knast kam.
Eine Frau sagte einmal, das wir uns gegenseitig zerstören würde. Ich sollte lieber wieder öfter allein ausgehen und meine Angst vor der Einsamkeit überwinden. Er sollte eine Therapie gegen seine ...`Störung` machen. Wissen sie, wie ich reagiert habe? Ich habe gelacht.
Denn dieselbe Frau hatte einen Monat zuvor gesagt, das Romeo und Julia dumm genug waren für etwas zu sterben, das es nicht gab.
Wieso sollte ich dann nicht dumm genug sein für etwas zu leben, das es nicht gab?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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