Klaus Georg

Warum schreist Du so ?

Es gibt Augenblicke im Leben, da fühle ich mich so richtig wohl und zufrieden.
Ein solcher Augenblick ist z.B. wenn...
Halt. Stopp, so einfach ist das nicht.
Am besten, Sie schließen kurz die Augen.
Stellen Sie sich vor, Sie verbringen eine Nacht am Südpol. Draußen herrscht klirrende Kälte, so um die 50 Grad minus, und der eisige Sturm fegt gnadenlos um Ihren Bungalow.
Manchmal auch hindurch.
Vor Stunden hat sich die Zentralheizung mangels Öl verabschiedet und Holz gibt es nicht. Die mitgebrachten Decken sind mittlerweile feucht und frieren langsam ein.
Und um die Lage abzurunden, müssen Sie auch noch alle halbe Stunde raus um die Eisbären von den Vorräten zu verjagen.
Nicht schlecht oder ?
Nun, Sie können aufhören zu zittern und die Augen wieder öffnen, denn genau wie im richtigen Leben steht plötzlich eine Fee vor Ihnen und gibt Ihnen einen Wunsch frei.
Was würden Sie sich wünschen, oder besser gefragt : was glauben Sie würde
 i c h  mir wünschen.
Was auch immer Sie jetzt überlegen, vergessen Sie’s. Mein Wunsch ist ebenso einfach wie genial, jedenfalls für mich.
Ich wünsche mir eine warme Dusche.
Der Kerl spinnt, werden Sie jetzt sagen. Vielleicht haben Sie sogar recht, aber für mich gibt es nun mal nichts schöneres als mir bei eisigen Temperaturen schönes warmes Wasser über den Rücken laufen zu lassen.
Dann bin ich glücklich und zufrieden und vergesse, wenigstens für kurze Zeit, alles schlechte dieser Welt.
Die Sache hat nur einen Haken, d.h. genau genommen 6 Haken: ich bin verheiratet, habe 3 Söhne, einen Hund und ein Telefon.
 
Das mit dem Telefon ist mittlerweile geklärt, der Rest trampelt mir während meiner Auszeit unter der Dusche nach wie vor hemmungslos auf den Nerven herum.
Und das geht dann so.
Es ist Samstag morgen, meine Frau ist seit ein paar Minuten im Garten und ich aale mich seit ein paar Sekunden fröhlich pfeifend unter der Dusche.
Plötzlich dringt aus Richtung der Kinderzimmer lautes Gepoltere untermalt mit wüstem Geschrei und Gekreische an mein empfindliches Ohr.
Kurz darauf geht die Badezimmertür auf und ein kleiner Schatten steht vor dem Duschvorhang.
‚Papa’ sagt der kleine Friedrich wütend ‚der Christian lässt mich nicht mit dem roten Auto spielen !’
‚Dann nimm dir doch ein anderes Auto’ sage ich ebenso freundlich
‚Ich will aber mit dem roten Auto spielen und der Chris lässt mich nicht.’
Augenrollend schaue ich an die Decke. War ich früher auch so ?
‚Also gut, sag deinem Bruder er soll dir das Auto zurück geben und dich in Ruhe lassen.’
Kurz darauf geht das Ganze von vorne los : Gepoltere, Geschrei, Türe auf und Schatten vor dem Vorhang.
Diesmal ist der Schatten etwas größer.
‚Hör zu Papa’ schnauft Christian erbost, ‚ich hab das Auto zuerst gehabt und dann kommt der Fuzzi und will es einfach haben. Kommt überhaupt nicht in Frage.’
Mit einem Mal habe ich das deutliche Gefühl als sei das Wasser gar nicht mehr so schön warm wie am Anfang.
Der Duschvorhang vibriert, meine Nerven auch.
‚Habt ihr eigentlich nichts anderes zu tun als euch um ein bescheuertes Auto zu streiten ? Ihr habt doch wahrhaftig genug Autos in der Kiste liegen. Nimm dir ein Anderes und lass mich wenigstens ein paar Minuten in Ruhe duschen !’
‚Immer krieg ich den Ärger’ tönt es zurück ‚ dabei hab ich noch nicht mal angefangen. Und bescheuert ist das Auto auch nicht.’
Damit stampft er hinaus und lässt, wie üblich, die Tür offen stehen.
 
Ich überlege noch ob ich ihm hinterher brüllen oder die Tür selbst schließen soll, da ist es bereits zu spät.
Ben, unser Hund, hat die Gunst der Stunde erkannt, kommt zur Dusche, steckt den Kopf hinein und schickt sich an, den Rest auch noch nach zu schieben.
Gott sei Dank dauert mein Schwächeanfall nur wenige Sekunden.
Aufbrüllend springe ich aus der Dusche, jage Ben hinaus und schließe die Tür.
Dabei ist das Wasser schon wieder um ein paar Grad kälter geworden.
Glaube ich jedenfalls.
Egal, sagt mein Kämpferherz, jetzt erst recht.
Zwei Minuten später geht die Tür erneut auf, diesmal ist es mein Ältester. Ich sehe das daran dass der Schatten immer größer wird bis eigentlich nur noch Schatten da ist.
‚Papa, kannst du mal...’
‚Nein, ich kann nicht’ flüstere ich mit unheilschwangerer Stimme ‚Ich dusche nämlich. Und deine Brüder waren auch schon hier, klar ?’
‚Schon gut, hab verstanden.’ flüstert er zurück ‚Nur keine Panik. Bin schon weg.’
Meiner Beherrschung geht es wie der Wassertemperatur, sie sinkt rapide.
Liebe Tür, denke ich verzweifelt, sei so lieb, tu mir einen Gefallen und bleib eine Weile zu.
Aber die Tür ist weder lieb noch will sie mir einen Gefallen tun, im Gegenteil : sie geht auf.
‚Jetzt hab ich aber die Nase gestrichen voll von euch’ schreie ich unbeherrscht ‚hier geht’s ja zu wie im Irrenhaus. Nicht mal in Ruhe duschen kann man hier !’
Wütend drehe ich das Wasser ab und reiße den Duschvorhang auf.
Vor mir steht meine Frau.
‚Was ist denn mit dir los ?’ fragt sie nichtsahnend ‚warum schreist du so ?’
Ich habe keine Ahnung wie ich ihr  d a s  jetzt erklären soll. Also bleibe ich stumm.
Aber wenigstens Sie wissen jetzt warum.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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