Robert Fischaleck

Der Heiligendamm

 
Seit Tagen lauschte ich einem inneren Dialog, dessen einzelne Passagen relativ verborgen im Riff meines Unterbewußtseins ein lebhaftes Eigenleben führten. Nur Bruchstücke drangen hin und wieder an die Oberfläche, so wie dieses völlig überzeugte "of course not", das im zweifelsfreiem britisch eine anscheinend fast schon befremdend wirkende Frage zu beantworten schien.
Ich hatte nur leider keine Ahnung, wie diese Frage lautete.
Ich hörte eben nur dieses "of course not".
Der Fragende schien beruhigt.
Was würden Sie denn tun, wenn ihnen ein Aufenthalt geschenkt würde.
Sie wären skeptisch nicht wahr, man bekommt nichts geschenkt hier.
Jetzt erinnere ich mich auch, woher mir diese britische fast entsetzte Höflichkeit auch so bekannt vorkam, das war auf eine meiner Fragen in einer Pension in Brighton.
Ich glaube, es hatte irgendetwas mit der Hausordnung zu tun.
Bin mir aber nicht sicher.
Warum sich meine Erinnerung genau dieses Gefühlsmoment aussuchte, um mich dem Dialog beiwohnen zu lassen, konnte ich mir gleich zweimal nicht erklären.
"Of course not."
Es war auch kein Verkaufsgespräch, es war eher ein Thema, mit dem man sowieso zu tun hat, ganz einfach, weil man auf dieser Reise ist.
Wie gesagt, der Tonfall erinnerte ein bißchen an Punkte einer Hausordnung.
Da dies alles in meinem Inneren passierte, hatte ich auch nicht die geringste Ahnung, wer eigentlich die Frage stellte, und wer die Antwort so höflich und so bestimmt, in wunderbar britisch ausgemalten Wortgebilden, mit dem ganzen Brustton der Klarheit, sie werden sicher bemerken, daß ich mich hier in den Wörtern vergriffen habe, natürlich heißt es Brustton der überzeugung, und Bauchton der Klarheit, aber genau das fand ich schon wieder unpassend, denn obwohl wir mit unserem vollem Eifer unsren überzeugungen Ausdruck verleihen können, bleibt des öfteren die Klarheit und das Herz der Angelegenheit auf der Strecke.
Um dies zu verhindern haben furchtbar gescheite Leute, schon des öfteren darauf hingewiesen, doch bei solchen Angelegenheiten, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
Das hatte allerdings nur zur Folge, daß sich dieselben Leute, die vorher noch all ihre Energie einer für sie gerechten Sache widmeten, und sich manchmal nicht so ganz jederman verständlich auszudrücken vermochten, es jedoch in ihrer Empfindung immer stimmig blieb, daß eben diese Leute sich nun so furchtbar verkopften, daß keiner mehr verstand worum es ihnen ging.
Damit waren sie aber schon, also rein sprachlich im selben Terrain, in dem die politische Diskussion so für Normalzuhörer unverständlich immer absurdere Aussagen hervorbrachte.
"Ach so," emphasierte, mein innerer Zuhörer plötzlich den immer noch nicht sichtbaren Standpunkt.
Also, mußte der eigentliche Apex des diskutierten Themas versteckt werden.
Das konnte nur wirtschaftliche Interessen als Ursache haben, das wiederum galt es zu verschleiern, und diese als unbedingt notwendig darzustellen.
Das wäre jetzt an und für sich nichts besonderes, diese Taktik sind wir alle seit Jahrtausenden gewöhnt, und es fällt uns meist nicht einmal mehr auf, worin der eigentliche Schwindel besteht. Wenn aber genau diese spezielle Diskusion einen Horizont im Schlepptau hat, der sich, wie sie es nannten, "mit einer Katastrophe ungeahnter Ausmaße", befaßte, an dem, damit überhaupt irgendjemand begreift, was da auf uns zukommt, zum einen Schlagwörter immer mehr den Sinn verloren, und auf der anderen Seite, das bißchen Sinn das sie noch hatten, nicht weiter erläutert wurde.
Gab es jetzt überall, in jedem Nebensatz, ein leuchtendes "global".
Es gab eine Globalisierung, die auch noch nicht wirklich Sinn machte, denn von welchem Einzelstandpunkt aus, wird denn nun globalisiert, so viel ich weiß, ist das Leben bereits global, und spätestens da nervt mich dieser Begriff schon wieder, denn in meiner Erinnerung, war es ein Globus auf dem Lehrertisch, der als beleuchtete Erdkunde-Trophäe immer aus dem Nebenzimmer geholt werden mußte, alles andere war irdisch, und dieser Begriff, war auch schon wieder von einer Gruppe religiöser Anschauungen verunstaltet.
Das Leben bleibt aber trotzdem was es ist, ganz egal was wir darüber denken.
Und eben dieses Leben wäre doch ein geeigneter Ausgangspunkt für globale Veränderungen, wenn wir uns nur endlich darüber einig werden könnten, es als kostbar zu schätzen und nicht für irgendeines unserer an Wahnsinn grenzenden Vorhaben ständig zu opfern.
es scheint auch fast so, als wäre das Problem eigentlich nicht beim Leben selbst zu suchen, sondern eher in all dem Unsinn, den wir daraus gemacht haben.
Das wiederum führt zur einzig möglichen Strategie, Unsinn kann man schwer in irgendetwas sinnvolleres verwandeln, man muß ihn schlichtweg einfach aufhören.
Bleibt die Frage, was machen wir stattdessen.
An diesem Punkt wurde es seltsam still, in diesem inneren Dialog nämlich, der mich seit Tagen, wie soll ich sagen, beschäftigen ist nicht ganz korrekt, denn ich denke ja über mich, daß ich mich bemühe klaren Verstandes all diese Dinge mir genau anzusehen, die mir im Laufe meines Lebens begegnen, also eher, bilden, eine Art Damm nämlich, gegen den Irrsinn, der einem Hier auf Schritt und Tritt begegnet.
Und diese seltsame Stille, bei der Frage, was wir denn, anstatt dem Irrsinn zu frönen eigentlich tun könnten, die war schon eine echte Herausforderung.
Ich fand das so beeindruckend, daß ich mir fest vornahm, nachdem ich einigermaßen verstanden habe, warum es plötzlich so still geworden war im ständig sprudelnden Quell immer neuer Ideen und Gedanken, also um es kurz zu fassen, ich habe mir fest vorgenommen, wenigstens zu versuchen eine Sache in meinem Leben richtig gut zu machen, also wirklich mit allem was dazugehört, so richtig richtig gut, und ich könnte mir vorstellen, wenn das alle versuchen, daß da noch einiges passieren kann.
Ich war noch eben ein wenig stolz darauf, daß ich eine Antwort gefunden hatte, eine persönliche, die realisierbar ist, zu diesem wirklich überwältigendem Thema, als mir einfiel, auch das gibt es im Ansatz schon lange, die Pfadfinder nämlich.
Und ich wollte gerade wütend alle bereits erkannten Tatsachen über Bord werfen, also wie eine völlig blamable Geschichte, den Zettel zerknüllen und in den, also den imaginären Papierkorb schleudern, als sich irgendein innerer Zuhörer noch schnell vergewisserte, aber so war das doch gar nicht gemeint, nicht wie die Pfadfinder, anders, richtig gut, als diese Stimme wieder und diesmal im absolut passenden Tonfall hervorbrach, "of course not".
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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