- 07.06.2007
- Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)
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Robert Fischaleck
Der Heiligendamm
Seit Tagen lauschte ich einem inneren
Dialog, dessen einzelne Passagen relativ verborgen im Riff meines Unterbewußtseins
ein lebhaftes Eigenleben führten. Nur Bruchstücke drangen hin
und wieder an die Oberfläche, so wie dieses völlig überzeugte
"of course not", das im zweifelsfreiem britisch eine anscheinend fast schon
befremdend wirkende Frage zu beantworten schien.
Ich hatte nur leider keine Ahnung, wie diese
Frage lautete.
Ich hörte eben nur dieses "of course not".
Der Fragende schien beruhigt.
Was würden Sie denn tun, wenn ihnen ein
Aufenthalt geschenkt würde.
Sie wären skeptisch nicht wahr, man bekommt
nichts geschenkt hier.
Jetzt erinnere ich mich auch, woher mir diese
britische fast entsetzte Höflichkeit auch so bekannt vorkam, das war
auf eine meiner Fragen in einer Pension in Brighton.
Ich glaube, es hatte irgendetwas mit der Hausordnung
zu tun.
Bin mir aber nicht sicher.
Warum sich meine Erinnerung genau dieses Gefühlsmoment
aussuchte, um mich dem Dialog beiwohnen zu lassen, konnte ich mir gleich
zweimal nicht erklären.
"Of course not."
Es war auch kein Verkaufsgespräch, es war
eher ein Thema, mit dem man sowieso zu tun hat, ganz einfach, weil man
auf dieser Reise ist.
Wie gesagt, der Tonfall erinnerte ein bißchen
an Punkte einer Hausordnung.
Da dies alles in meinem Inneren passierte, hatte
ich auch nicht die geringste Ahnung, wer eigentlich die Frage stellte,
und wer die Antwort so höflich und so bestimmt, in wunderbar britisch
ausgemalten Wortgebilden, mit dem ganzen Brustton der Klarheit, sie werden
sicher bemerken, daß ich mich hier in den Wörtern vergriffen
habe, natürlich heißt es Brustton der überzeugung, und
Bauchton der Klarheit, aber genau das fand ich schon wieder unpassend,
denn obwohl wir mit unserem vollem Eifer unsren überzeugungen Ausdruck
verleihen können, bleibt des öfteren die Klarheit und das Herz
der Angelegenheit auf der Strecke.
Um dies zu verhindern haben furchtbar gescheite
Leute, schon des öfteren darauf hingewiesen, doch bei solchen Angelegenheiten,
den gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
Das hatte allerdings nur zur Folge, daß
sich dieselben Leute, die vorher noch all ihre Energie einer für sie
gerechten Sache widmeten, und sich manchmal nicht so ganz jederman verständlich
auszudrücken vermochten, es jedoch in ihrer Empfindung immer stimmig
blieb, daß eben diese Leute sich nun so furchtbar verkopften, daß
keiner mehr verstand worum es ihnen ging.
Damit waren sie aber schon, also rein sprachlich
im selben Terrain, in dem die politische Diskussion so für Normalzuhörer
unverständlich immer absurdere Aussagen hervorbrachte.
"Ach so," emphasierte, mein innerer Zuhörer
plötzlich den immer noch nicht sichtbaren Standpunkt.
Also, mußte der eigentliche Apex des diskutierten
Themas versteckt werden.
Das konnte nur wirtschaftliche Interessen als
Ursache haben, das wiederum galt es zu verschleiern, und diese als unbedingt
notwendig darzustellen.
Das wäre jetzt an und für sich nichts
besonderes, diese Taktik sind wir alle seit Jahrtausenden gewöhnt,
und es fällt uns meist nicht einmal mehr auf, worin der eigentliche
Schwindel besteht. Wenn aber genau diese spezielle Diskusion einen Horizont
im Schlepptau hat, der sich, wie sie es nannten, "mit einer Katastrophe
ungeahnter Ausmaße", befaßte, an dem, damit überhaupt
irgendjemand begreift, was da auf uns zukommt, zum einen Schlagwörter
immer mehr den Sinn verloren, und auf der anderen Seite, das bißchen
Sinn das sie noch hatten, nicht weiter erläutert wurde.
Gab es jetzt überall, in jedem Nebensatz,
ein leuchtendes "global".
Es gab eine Globalisierung, die auch noch nicht
wirklich Sinn machte, denn von welchem Einzelstandpunkt aus, wird denn
nun globalisiert, so viel ich weiß, ist das Leben bereits global,
und spätestens da nervt mich dieser Begriff schon wieder, denn in
meiner Erinnerung, war es ein Globus auf dem Lehrertisch, der als beleuchtete
Erdkunde-Trophäe immer aus dem Nebenzimmer geholt werden mußte,
alles andere war irdisch, und dieser Begriff, war auch schon wieder von
einer Gruppe religiöser Anschauungen verunstaltet.
Das Leben bleibt aber trotzdem was es ist, ganz
egal was wir darüber denken.
Und eben dieses Leben wäre doch ein geeigneter
Ausgangspunkt für globale Veränderungen, wenn wir uns nur endlich
darüber einig werden könnten, es als kostbar zu schätzen
und nicht für irgendeines unserer an Wahnsinn grenzenden Vorhaben
ständig zu opfern.
es scheint auch fast so, als wäre das Problem
eigentlich nicht beim Leben selbst zu suchen, sondern eher in all dem Unsinn,
den wir daraus gemacht haben.
Das wiederum führt zur einzig möglichen
Strategie, Unsinn kann man schwer in irgendetwas sinnvolleres verwandeln,
man muß ihn schlichtweg einfach aufhören.
Bleibt die Frage, was machen wir stattdessen.
An diesem Punkt wurde es seltsam still, in diesem
inneren Dialog nämlich, der mich seit Tagen, wie soll ich sagen, beschäftigen
ist nicht ganz korrekt, denn ich denke ja über mich, daß ich
mich bemühe klaren Verstandes all diese Dinge mir genau anzusehen,
die mir im Laufe meines Lebens begegnen, also eher, bilden, eine Art Damm
nämlich, gegen den Irrsinn, der einem Hier auf Schritt und Tritt begegnet.
Und diese seltsame Stille, bei der Frage, was
wir denn, anstatt dem Irrsinn zu frönen eigentlich tun könnten,
die war schon eine echte Herausforderung.
Ich fand das so beeindruckend, daß ich
mir fest vornahm, nachdem ich einigermaßen verstanden habe, warum
es plötzlich so still geworden war im ständig sprudelnden Quell
immer neuer Ideen und Gedanken, also um es kurz zu fassen, ich habe mir
fest vorgenommen, wenigstens zu versuchen eine Sache in meinem Leben richtig
gut zu machen, also wirklich mit allem was dazugehört, so richtig
richtig gut, und ich könnte mir vorstellen, wenn das alle versuchen,
daß da noch einiges passieren kann.
Ich war noch eben ein wenig stolz darauf, daß
ich eine Antwort gefunden hatte, eine persönliche, die realisierbar
ist, zu diesem wirklich überwältigendem Thema, als mir einfiel,
auch das gibt es im Ansatz schon lange, die Pfadfinder nämlich.
Und ich wollte gerade wütend alle bereits
erkannten Tatsachen über Bord werfen, also wie eine völlig blamable
Geschichte, den Zettel zerknüllen und in den, also den imaginären
Papierkorb schleudern, als sich irgendein innerer Zuhörer noch schnell
vergewisserte, aber so war das doch gar nicht gemeint, nicht wie die Pfadfinder,
anders, richtig gut, als diese Stimme wieder und diesmal im absolut passenden
Tonfall hervorbrach, "of course not".