Leo Sievering

Der Koboldkönig 1

...und der kleine Koboldweise, alt, sehr alt schon an
Jahren, doch noch Kind von Gestalt und Bewegungen, klopfte an des Koboldkönigs
Tür. Er sah ein wenig lustig aus mit seinem weißen Haar über faltenloser Stirne
und weißem, langem Bart in kindlichem Gesicht. Doch komisch, oder sagen wir
besser merk-würdig, pflegte es im Koboldwalde ja oft zu sein.
 
Einmal, zweimal, fünf mal Klopfen... Beim siebten Male wurd
er eingelassen in die königlichen Gemächer. Dort ruhte der Koboldkönig mit
schweren Gliedern und sichtbar schwerem Herzen.
"Majestät, sind sie nun bereit mich einzulassen in ihr
Herz, sind sie nun bereit mich einzulassen in Euer Wahrheit, Glauben, Hoffnung
Antlitz?" Es antwortete der König schwer atmend, mit dunklen, traurigen
Augen und trocknen Lippen unter seiner golden glänzenden, juwelengeschmückten
Krone: "Nun, verehrter Koboldweiser, bin ich bereit Euch einzulassen, Euch
sehen zu lassen und Euer Urteil zu vernehmen." Und der Weise schaute mit
geschlossnen Augen in des Königs Seele, atmete tief, lachte ein paar mal und
wurde dann sehr ernst.
"Herr König, es ist dunkel dort, wo Licht sein soll,
still ist es dort, wo die Musik erklingen soll und verwaist ist der Ort, an dem
von Tanz die Erde zu beben beliebte. Was haben Sie sich angetan." Ob
dieser ersten Wahrheit nun ward ein Funkeln zu sehen in des Königs linkem Auge:
"Weiser Mann und weises Kind, ihr habt mich erblickt, doch ich kann es
Euch nicht sagen." "Herr König, ihr könnt es nicht? Wisst Ihr denn
nicht mehr, dass es so etwas nicht gibt? Entging Euch erneut was ihr zu wissen
bereit ward, dass nur benannten Monstern greifbare Gestalt gegeben wird und
Eure Monster schrumpfen, sobald sie ihre wahren Namen hören? Dass
Gespenster  grausam sind nur ohne Namen
und nur ohne Namen wachsen können? Nur daher seid ihr so malad, ich sah Euer
Herz bewohnt von ungenannten bös Gespenstern, deren Namen ich Euch zu nennen
imstande wär, doch das wäre zu nichts nutze, weil sie ihren Namen aus Eurem
Munde vernehmen müssen, es ist Euer Herz, Majestät."
"Herr Weiser, quält mich nicht, wo ich und wo auch Ihr
wisst um den Schmerz, die Tränen, die diesen Namen begleiten." Der
Koboldweise lächelte fröhlich: „Doch, Herr König, ich mag Euch Schmerz und
Tränen schenken, ich liebe es, wenn Trauer Euer Herz befreit und es bereitet
mir schönste Wonnen, wenn tiefste Krisen Euch bereichern.“ Der Koboldkönig
begann vor Zorn zu beben: „Ich lasse euch enthaupten!“ „So, wie Euch selbst vor
einiger Zeit?“ entgegnete der Koboldweise und lächelte. Verzweiflung spiegelte
sich in des Koboldkönigs Gesicht, er flüsterte flehend: „Helft mir verehrter
Weiser, bitte, und verzeiht.“
„Verzeihen werde ich Euch gerne, doch helfen soll ich Euch?
Ein Zauberer bin ich nicht. Ihr beliebtet doch, Euch als ebensolcher zu
versuchen. Beliebtet, Sonne dort herzuzaubern, wo dunkle Wolken stehn, Hitze
dort, wo laue Wärme ist und Lachen dort, wo große Tränen sind. In Eurem Herzen,
Herr König. Helfet Euch selbst. Alles, was ich Euch zu schenken vermag, sind
meine klaren, wasserblauen Augen, wenn Ihr es mir erlaubt.“ Der König
entspannte sich in seinem Bett. „Ich danke Euch, nun bitte ratet mir, was soll
ich tun.“ Der Koboldweise schaute sanft in des Königs Augen: „Das sagte ich
Majestät bereits, nennt Eure Monster beim Namen und werdet dem gewahr, was euer
Herz bewegt. Stellt Euch dem Tränenfluss und trinket daraus, schmeckt das Salz,
das Euch verlässt.“ Der König schluckte, Schweiß trat auf seine Stirn: „Der
Verlust, den ich vor Monaten erlitt, mein Herz erschütterte bis es bald zerriss
ist es, was mein Monster wurde, verehrter Weiser Mann, ich kann nicht
vergessen. Die Wunde hört nicht auf zu bluten. Es ist wahr. Und nun auch
verstehe ich den Satz, den ihr mir schon einmal mitgabt, dass ein Monster ich
bin, weil ein Gespenst mein Herz gefangen hält. An diesem Tage sah ich Euch das
erste Mal mit Tränen in den Augen.“ Der Koboldweise lachte: „Ja, der Tag Eurer
Enthauptung und Krönung. Auch Ihr bekamt einen neuen Namen. Ihr spracht mir von
Frühlingswiesen, neuem Leben, sonnigen und wonnigen Neuigkeiten. Dabei hörte
ich Euer Herz weinen vor Sehnsucht nach Heilung. Ihr beliebtet mit einem Bein
den Berg hinauf, mit dem Anderen hinabzusteigen, es zerriss Euer Gemüt, darum
weinte ich.“
„Ich danke Euch, mein guter Koboldweiser, was möchtet Ihr
als Entlohnung?“ „Herr König, eines nur, was Ihr Euch selber schenkt, wenn Ihr
es mir gebt: Befreit Euch von Eurer Bürde und schenkt mir eure Krone! Ich werde
sie einschmelzen und neu formen zu drei Ringen, die Euch hernach neu schmücken
sollen: Einen für den Glauben, einen für die Wahrhaftigkeit und einen für Eure
wahre Liebe.“ Der Kobold-könig aber war schon in einen tiefen, entspannten
Schlaf gefallen.

 
Fortsetzung folgt... am nächsten Morgen...
 © 2007 Leo Sievering

Die Kurzgeschichten um Tigerlili und Thomasson entstehen ungeplant. So entsteht die Gesamtgeschichte wie ein Puzzle.
...und wer weiß, vielleicht ergibt sich noch ein ganzes Buch mit Kurzgeschichten über die Beiden, ich bin selber gespannt...
Die Geschichten um Tigerlili und Thomasson sind NICHT autobiographisch, sondern entstehen aus Stimmungen und Phantasien.
Leo Sievering, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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